Der mit antiken Wortwurzeln und Abkürzungen durchsetzte Mediziner-Jargon gefährdet die Sicherheit der Patienten. Davon ist die Psychologin Melinda Lyons überzeugt. Sie fordert eine Erneuerung der medizinischen Fachsprache.
Denn der medizinische Fachjargon sei durchsetzt mit Begriffen, die aus dem Griechischen oder Lateinischen stammen, oft trotz gegensätzlicher Bedeutung ähnlich tönen und selbst den medizinischen Hilfskräften fremd in den Ohren klingen. Daraus könnten in der Hektik des Operationssaals gefährliche Missverständnisse entstehen, schreibt die an der Oxford University forschende Psychologin in der Fachzeitschrift «Lancet».
Melinda Lyons nennt auch einige Beispiele. So tönen etwa die Vorsilben hyper- und hypo- tatsächlich sehr ähnlich und gleichen sich auch, wenn sie in (womöglich schlechter) Handschrift geschrieben werden. Und doch bedeuten die beiden Vorsilben genau das Gegenteil voneinander. Werden aber zum Beispiel in der Hitze des Gefechts die Begriffe Hypoglykämie und Hyperglykämie (Blut-Unterzuckerung respektive -Überzuckerung) miteinander verwechselt, so kann das für den Patienten fatale Folgen haben. Ähnlich missverstanden werden laut Lyons immer wieder auch die Vorsilbenpaare inter-/intra-, super-/supra, pre-/post-, ante-/anti-, um nur einige zu nennen.
Da sollte sich die Medizin ein Beispiel nehmen an den Sprachregelungen, die sich in anderen risikoreichen Tätigkeitsgebieten längst durchgesetzt haben. Etwa beim Benennen der Buchstaben des Alphabets in der Luftfahrt: «Sierra» und «Foxtrott» tönen auch im Rauschen des Funkverkehrs derart unterschiedlich, dass eine Verwechslung von «S» mit «F» praktisch unmöglich ist. Nach diesem Muster sollte auch die Mediziner-Sprache erneuert werden, schreibt Lyons: Eine Entschlackung der Mediziner-Sprache sei «nicht einer Verdummung gleichzusetzen, wie viele Fachleute behaupten, sondern ist ein Gebot des gesunden Menschenverstandes.» Damit künftig niemandem mehr ein «X» für ein «U» vorgemacht werden kann …