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Energiepolitik/-technik

Solar-Pionier geht in die Luft

Bertrand Piccard stellt sein Solarflugzeug erstmals der Öffentlichkeit vor

800 geladene Gäste, darunter Fürst Albert II von Monaco und der Schweizer Umweltminister Moritz Leuenberger, pilgerten am Nachmittag des letzten Juni-Freitags nach Dübendorf, um Zeuge von Bertrand Piccards jüngster Erfolgsstory zu werden: der Präsentation des bisher grössten Solarflugzeuges der Welt. Solar Impulse soll die bisher bekannten Grenzen der Ingenieurskunst durchbrechen und nur mit Sonnenkraft rund um die Erde fliegen. Wenn nicht alles täuscht, könnte dies sogar gelingen.

Petrus meinte es für einmal gut: Trotz unsicherer Wetterprognose schien am Freitagmittag die Sonne über Dübendorf. Alles andere wäre ja auch unfair. Denn just als die Sonne über dem Militärflugplatz am höchsten stand, lüfteten Bernard Piccard und sein Kollege André Borschberg erstmals den Schleier über ihrem Solarflugzeug HB-SIA. Sechs Jahre Arbeit und 46 Millionen Euro sind bis jetzt in das Programm investiert worden. Die Flugerfahrungen, die mit diesem Prototypen gesammelt werden, sollen bereits in drei Jahren eine Weltrumrundung ausschliesslich unter Solarkraft ermöglichen.

Nicht das erste Solarflugzeug

Solar Impulse ist zwar nicht das erste Solarflugzeug der Welt, aber sicher das ehrgeizigste Projekt. Bereits 1980 waren in den USA erste bemannte Flüge erfolgreich, 1981 wurde der Ärmelkanal mit Solarpower bezwungen und 2005 gelang der erste Nachtflug – noch unbemannt – mit in Batterien gespeichertem Solarstrom. Piccards HB-SIA soll all diese Leistungen vereinen, bereits nächstes Jahr mit einem Piloten an Bord und mit in Batterien gespeichertem Solarstrom starten sowie dann mindesten 36 Stunden – also über Nacht – in der Luft bleiben. Gebaut wurde das technische Wunderwerk übrigens von der Westschweizer Firma Decision, die ja auch die erfolgreichen Alinghi-Yachten gefertigt hat.

So gross wie ein Airbus

Damit wird HB-SIA ihren Zweck erfüllt haben, nämlich die Flugtauglichkeit und das Funktionieren der Steuerungs- und Antriebssysteme eines solch verrückten Vogels unter Beweis zu stellen. Verrückt ist das Konzept allemal, über 63 Meter beträgt sie Spannweite (also gleich viel wie ein Airbus A340 misst), jedoch bloss 1600 Kilo das Gewicht, wovon ein Viertel allein schon die Lithium-Polymer-Batterien beanspruchen. Entsprechend supraleicht musste daher gebaut werden, neue und noch nie erprobte Baustoffe kamen zur Anwendung.

Wird es auch fliegen?

Jetzt gilt es zu beweisen, dass das Ding tatsächlich auch fliegt, die mit Solarzellen bestückte Haut der Flügelprofile den Schwingungen und Verwindungskräften während des Flugs standhält. Und weil das riesige Fluggerät bloss 35 bis 70 Stundenkilometer schnell sein kann, wird auch das Können der Testpiloten auf eine harte Probe gestellt. «Wir müssen nach dem Training im Simulator erst Schritt für Schritt lernen, diesen Apparat zu fliegen», sagte denn auch Bertrand Piccard bei der Präsentation. Chef der Flugversuche wird übrigens der Schweizer Astronaut Claude Nicolier sein. Und die ersten Flugversuche werden noch dieses Jahr in Dübendorf und später in Payerne durchgeführt werden.

Nummer 2 mit Druckkabine

Hält die HB-SIA, was sich Piccard und sein 70köpfiges Entwicklungsteam erhoffen, wird bereits 2011 die HB-SIB gebaut werden, die dann tatsächlich auf die Reise um die Welt geschickt wird. Nicht in 80 Tagen, sondern in fünf je etwa fünf Tage dauernden Etappen, «das Maximum, was einem Piloten zugemutet werden kann». Die Route wird dem Äquator entlang führen, und der Weltumflieger wird im Gegensatz zur HB-SIA mit einer Druckkabine ausgerüstet sein. Dies ist wichtig, damit die HB-SIB während des Tages nicht nur Sonnenstrom in den Batterien sammeln, sonder auch möglichst viel Höhe gewinnen kann. Und so gleichsam kinetische Energie speichert, die dann nachts im Gleitflug wieder zurückgewonnen wird.

Wird nie Personen befördern

Auch Piccard und seine Crew glauben nicht, dass mit Solarkraft je Passagiere durch die Lüfte befördert werden können. Eine kleine Rechnung sagt schon alles: Mit den 200 Quadratmetern Fotozellen der Solar Impuls erreichen die Motoren bei 12 Prozent Wirkungsgrad des gesamtem Systems gerade mal eine Durchschnittsleistung von acht Pferdestärken oder sechs Kilowatt. Selbst bei unrealistischen 100 Prozent Wirkungsgrad wären das immer noch bloss 64 PS. Damit bringt man beim besten Willen keinen Jumbojet zum Abheben.

Botschafter für Solarkraft

Aber darum geht es Bernard Piccard und seinem Team gar nicht. Gemäss eigenen Aussagen soll Solar Impulse in erster Linie ein Symbol sein und ein Botschafter für die Nutzung erneuerbarer Energien. Aber auch ein Schaufenster für die Technologien der Zukunft, ohne welche die Probleme der Menschheit von Ressourcenverknappung bis Armut und Krankheit nicht gelöst werden können, ist Piccard überzeugt: «Wenn ein Flugzeug Tag und Nacht nur mit Solarenergie und ohne Treibstoff fliegen kann, kann niemand mehr behaupten, dass solche Lösungen nicht auch für Autos, Klimaanlagen oder Computer möglich sind.»

Den Piccards liegt’s im Blut

Dass ausgerechnet Bertrand Piccard nach der Sonne greift, ist wohl kein Zufall und liegt ihm wohl im Blut. Bereits sein in Basel geborener Grossvater Auguste hatte Weltruhm erlangt als Mann der am höchsten in die Stratosphäre aufstieg und die tiefsten Tiefen der Meere erforschte. Bernards erst vor Jahresfrist verstorbener Vater Jacques tauchte dann gar im Marianengraben auf den wohl tiefsten Punkt der Erde ab. Sohn Bernard seinerseits wurde zuerst Psychiater und widmete sich der Erforschung von Höhen und Tiefen der menschlichen Seele. Bis es dem passionierten Deltasegler doch auch den Ärmel reinnahm – und er sich wie Grossvater der Ballonfahrt zuwandte. Mit Erfolg: 1999 gelang ihm im dritten Anlauf zusammen mit Brian Jones erstmals die Nonstop-Erdumrundung in einem Heissluftballon, der «Breitling Orbiter 3».

Und jetzt soll es per Solarkraft rund um die Welt gehen. «Ein Pionier ist nicht immer der, welcher Erfolg hat, sondern der, der sich nicht vor Fehlschlägen fürchtet», lautet zwar Piccards Motto. Der Erfolg wäre ihm und seinem Kollegen André Borschberg aber gleichwohl zu gönnen.

Die HB-SIA in Zahlen

  • Spannweite: 63,40 m
  • Länge: 21,85 m
  • Höhe: 6,40 m
  • Gewicht: 1 600 Kg
  • Motoren: Vier elektrische 10 PS-Antriebe
  • Anzahl Solarzellen: 11 628 (10 748 auf dem Flügel, 880 auf dem horizontalen Stabilisator), insgesamt 200 Quadratmeter
  • Durchschnittsgeschwindigkeit: 70 km/h
  • Minimalgeschwindigkeit: 35 km/h
  • Maximale Flughöhe: 8 500 m (27 900 ft)

Jeder darf Partner sein

Bertrand Piccard nennt sie nicht Sponsoren, sondern Partner, die drei bis jetzt wichtigsten Geld- und Ideengeber des Projekts Solar Impulse. Denn alle drei haben auch entscheidend mit ihrem Knowhow dazu beigetragen, dass die HB-SIA nun bald aus dem Hangar rollen wird. Die Chemie- und Pharmafirma Solvey half an der vordersten Front mit bei der Entwicklung der neuen Werkstoffe, Omega lieferte die elektronische Ausrüstung und die Deutsche Bank hilft beim Knüpfen wichtiger Beziehungen. Ab sofort dar sich auch der Normalbürger beteiligen und zum Beispiel für die Kosten einer Solarzelle auf den Flügeln aufkommen. Anmelden kann man sich auf der Internetseite www.solarimpulse.com

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