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Weshalb der Weihnachtsbaum im Winter grünt

Jetzt warten sie wieder auf dem Balkon, die Weiss- und Rottannen, bis sie mit Kerzen geschmückt das Weihnachtsfest erhellen dürfen. Doch wie kommt es, dass Nadelgewächse im Winter überhaupt noch Blätter tragen?

Schon im 15. Jahrhundert wurden zur Weihnachtszeit die grünen Blätter des Tannenbaums besungen. Und heute noch ist in unseren Breiten ein Weihnachtsfest ohne geschmückten Tannenbaum, Symbol für den Kampf gegen die dunkle Winterszeit, undenkbar.

Dabei sind die Nadelgewächse nur scheinbar immergrün, einige wenige Arten – wie etwa die Lärche – verlieren ihre Blätter im Herbst sogar wie Laubbäume. Aber die meisten Nadelbäume stehen das ganze Jahr über grün gekleidet im Wald. «Das rührt daher, dass an den Ästen der Weiss- und Rottannen stets mehrere Nadeljahrgänge hängen», erklärt Christian Körner vom Basler Botanischen Institut das Phänomen. Jedes Jahr wächst eine neue Generation heran, die älteste wird abgestossen. So kommt es, dass die Nadeln einer Rottanne sieben bis neun, im Gebirge sogar zwölf Jahre alt werden.

Es gibt alles

«Manche Blätter leben bloss sechs Wochen, andere – wie etwa die des Gummibaums – zwölf Jahre, dazwischen gibt es alles», sagt Christian Körner. Wie oft eine Pflanze die Blätter wechselt, sei eine Frage der Strategie. Das Ziel bleibt dasselbe: Das Sonnenlicht möglichst effizient einzufangen und zur Synthese von Biomasse zu nutzen. Welcher Weg erfolgreicher ist, hängt von den klimatischen Bedingungen und der Bodenbeschaffenheit ab. Ist der Boden reich an Stickstoff und ist während der Wachstumsphase kaum Frost zu befürchten, haben sommergrüne Pflanzen Saison. Ihre grossen und nährstoffreichen Blätter fallen zwar oft Fressfeinden zum Opfer, aber gut genährte Laubbäume können das meist verschmerzen. Nur so nebenbei bieten grosse Blätter den Vorteil, mit ihrem Schattenwurf das Aufkommen von Konkurrenz – etwa von Nadelhölzern – zu behindern. Diese ihrerseits sind darauf ausgerichtet, möglichst sparsam mit den Ressourcen umzugehen. Ihre nadelförmigen Blätter schmecken und riechen nach Harz, was Fressfreunde abschreckt. Weil es sich die Pflanze nicht leisten kann, den raren Stickstoff jeden Herbst auf den Boden zu werfen, um im Frühling wieder darum zu kämpfen, muss das grüne Kleid winterfest sein und mehrere Jahre seinen Dienst tun.

Zwei Strategien

«Immergrün und Sommergrün sind zwei Lebensstrategien, die in vielen Klimabereichen nebeneinander existieren können und auch den gleichen Holzertrag abwerfen», sagt Körner. Das könne man sehr schön an benachbarten Rottannen und Lärchen demonstrieren. Letztere verlieren zwar im Winter ihre Nadeln, produzieren aber übers Jahr gesehen gleich viel Biomasse wie die Rottannen. «Lärchen schalten eben den Turbo ein, Rottannen lassen sich mehr Zeit. In beiden Fällen wird die Investition ins Blatt amortisiert.» Je weiter man sich jedoch gen Norden wendet und je karger die Böden werden, desto eher sind immergrüne Pflanzen im Vorteil. «Erst unter extremsten Bedingungen kehrt sich das Blatt wieder», weiss Christian Körner. Bei 70 Minusgraden im Winter verliert auch der beste Frostschutz in den Nadeln seine Wirkung, dann überleben allenfalls noch Lärchen. Sie werfen ihre Nadeln ab, das Holz ist frostbeständig.

Bei alledem können schon kleine Veränderungen der Umweltbedingungen den Wettbewerbsvorteil von der einen zur anderen Strategie verschieben. Doch «lassen sich einheimische Waldbäume durch einzelne Föhntage nicht täuschen und zum Austreiben verleiten», versichert Körner. Mehrere Sicherungssysteme würden dies verhindern, so eine in den Pflanzen eingebaute Uhr, die auf die Tageslicht-Dauer reagiert. «Daneben gibt es weitere Entwicklungsrhythmen, die aufeinander abgestimmt sein müssen.» Da hats der Weihnachtsbaum leichter. Er ist einfach immer grün – zumindest bis nach dem Fest.

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