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Physik

Staub vom Stern von Bethlehem

Kometen sind anders zusammengesetzt als bisher vermutet

Eine grosse Überraschung brachte die Analyse der während der Stardust-Mission gesammelten Materialproben: Die Kometen kommen nicht aus der Kälte des interstellaren Raums, sondern haben ihre Krippe innerhalb unseres Sonnensystems stehen, in der Staubscheibe, aus der vermutlich auch die Planeten hervorgingen. Ein wahres Kometenfieber brach damals unter den Astronomen aus, als sich vor rund 20 Jahren «Halley» wieder einmal der Erde näherte. Der Himmelskörper, der als «Stern von Bethlehem» Geschichte schrieb, hatte letztmals 1910 die äusseren Regionen des Sonnensystems verlassen, um sich den Erdbewohnern zu zeigen, pünktlich und wie vorausberechnet im März 1986. Empfangen wurde Komet Halley von einer ganzen Armada von Raumsonden, die allesamt die chemische Zusammensetzung des Schweifs zu eruieren versuchten. Denn dadurch erhoffte man sich Hinweise über den Geburtsort der Kometen und damit vielleicht auch die Entstehung der Planeten.

Ganz aussen

Kometen halten sich die meiste Zeit in den äussersten Regionen unseres Sonnensystems auf. Daher hat sich bis heute die Vermutung gehalten, die Himmelskörper seien auch dort entstanden und folglich grossteils aus interstellarer Materie zusammengesetzt, die aus dem Weltraum stammt. Eigentlich sollte es kein grosses Problem sein, das Mysterium ein für allemal zu klären. Denn Kometen hinterlassen Fährten, bevor sie wieder verschwinden: In Sonnennähe aufgeheizt bilden sie einen Schweif, bestehend aus ihrem verdampften Sternenstaub. Nur ist es nicht einfach, diese Kometenpartikel einzufangen, ohne die Raumsonde zu gefährden oder die Staubkörner beim Einfangen zu zerstören › und damit deren Informationsgehalt. Wilds Schweif.

Beide Nüsse hat die Stardust-Mission geknackt. Im Jahr 1999 gestartet, erreichte die «Sternenstaub-Sonde» im Januar 2004 nahe der Mars-Umlaufbahn den Schweif des Kometen Wild 2. Dieser Wanderer war vor etwa 4,5 Milliarden Jahren am äussersten Rand unseres Sonnensystems entstanden und erst 1974 von Jupiter derart aus der Bahn geworfen worden, dass er in unsere Nähe umgelenkt worden war. Den Kometenstaubbeschuss überlebte die Stardust-Sonde, weil deren Bahn so gesteuert wurde, dass die Kollision mit den Staubkörnern «bloss» mit einer Geschwindigkeit von etwas über 20 000 km/h erfolgte. Und schonend eingefangen wurde die Sternstaub-Beute durch einen Silikonschaum, in dem die Teilchen relativ sanft abgebremst werden konnten.

1000 Partikel eingefangen

Rund 1000 zum Teil bis 0,3 Millimeter grosse Partikel wurden auf diese Weise eingefangen und von der Sonde im Januar dieses Jahres sicher zur Erde zurückgebracht. Allein dies war schon eine Sensation, ist es doch seit den Mondmissionen das erste Mal, dass Wissenschaftler extraterrestrisches Material unter die Lupe nehmen konnten. 183 Forscher in aller Welt taten genau dies beinahe ein Jahr lang und berichten nun gemeinsam in der heutigen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins «Science» darüber, was sie gefunden haben.

Überraschung

«Die grösste Überraschung war, Material zu finden, das im heissesten Teil unseres Sonnensystems gebildet worden war», sagt Donald Brownlee, Astronom an der Universität Washington und Leiter des Sternstaub-Projekts, in dem neben Nasa, Lockheed und Boeing auch die deutsche Max-Planck-Gesellschaft eingebunden ist. Eigentlich hatten die Wissenschaftler nicht erwartet, im Kometenstaub irgendwelches Material zu finden, das aus dem Inneren des Sonnensystems stammt. Tatsächlich scheint Wild 2 jedoch zu zehn Prozent gerade aus solcher Materie zu bestehen, obwohl der Komet bis jetzt der Sonne nie nahe gekommen war. Unter diesen typischen, in der Hitze entstandenen Verbindungen fanden die Astronomen etwa Olivinartige grüne Kristalle, wie man sie an schwarzen vulkanischen Sandstränden findet, laut Brownlee «einer der ersten festen Stoffe, die sich im abkühlenden Sonnennebel bilden».

Auf dem Kopf

Was die Stardust-Sonde eingesammelt hat und was die Astronomen herauslesen aus dem Kometenstaub, stellt die bisherigen Vorstellungen über die Entstehung des Sonnensystems auf den Kopf. «Wir müssen jetzt davon ausgehen, dass das Material im Sonnensystem kräftig durchmischt und bis in die äussersten Regionen transportiert wurde», schliesst Donald Brownlee aus den Untersuchungsergebnissen. Dass die Kometen nicht aus der Kälte des Alls kamen, sondern grossteils im heissen Sonnenofen gebacken wurden, scheint jetzt unbestritten zu sein. Darüber hinaus lassen sich nun aber nach Ansicht der Astronomen auch neue Denkmodelle bauen, wie sich die Planeten und damit auch die Erde vor Urzeiten aus einer um die Sonne kreisenden Staubscheibe formiert haben. Somit könnten der Stern von Bethlehem und seine Kollegen gar den Weg zur Krippe des Planeten Erde weisen. Die offizielle Website der Stardust-Mission: stardust.jpl.nasa.gov/

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