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Neurowissenschaften

Wenns vorne juckt und hinten beisst

Weshalb kratzen derart gut tut

Amerikanische Hautärzte haben mit bildgebenden Verfahren sichtbar gemacht, was im menschlichen Gehirn vorgeht, wenn wir uns kratzen. Wenns nicht juckt, braucht man sich auch nicht zu kratzen. So weit so gut. Doch was steckt eigentlich hinter dem Juckreiz? Und weshalb wird in dieser Situation kratzen so überaus als angenehm empfunden? Dieser Frage ist der Hautarzt Gil Yosipovitch von der Wake-Universität im US-Bundesstaat North Carolina nachgegangen. Den Einwand, das sei wohl eine banale wissenschaftliche Fragestellung, weiss er überzeugend zu entkräften. Rund 30 Millionen Amerikaner leiden unter Ekzemen und damit unter Juckreiz, rechnet er vor. Unter den Nieren-Dialysepatienten sei knapp die Hälfte betroffen, wobei das stete Jucken und Beissen – wohl wegen der damit einhergehenden Schlafstörungen – eindeutig le­bens­ver­kür­zende Folgen habe.

Grund genug also, sich mit dem Juckreiz und dessen Besänftigung näher zu beschäftigen. Yosipovitch und Kollegen haben dies getan, in dem sie dreizehn gesunde Probanden fünf Minuten lang in regelmässigen Abständen mit einer Bürste am Unterschenkel kratzten. Gleichzeitig wurde mit bildgebenden Magnetresonanzverfahren überprüft, was dieses genüssliche Kratzen im Gehirn auslöste. «Zu unserer Überraschung konnten wir beobachten, dass die Aktivität in den Hirnregionen, wo unangenehme Emotionen und Erinnerungen verarbeitet werden, während des Kratzens gedämpft war.» Demnach würde Kratzen nicht Lust erzeugen, sondern Unlust verhindern. «Dies ist der erste wissenschaftliche Beweis dafür, dass Kratzen – und sei es bis aufs Blut – tatsächlich den Juckreiz unterdrückt», so der Forscher.

«Selbstverständlich ist Kratzen keine Lösung, wenn’s beisst», schreibt Hautarzt Yosipovitch weiter in der Online-Ausgabe der Zeitschrift «Investigative Dermatology». Das kann nämlich der Haut schaden. «Hingegen könnte das Verständnis dafür, wie Kratzen mit Juckreiz zusammenhängt, die Entwicklung von spezifischen Medikamenten gegen das chronische Jucken ermöglichen.» So könnten etwa die Unlust-Zentren im Gehirn gezielt ruhig gestellt werden.

Einen Schwachpunkt weist Yosipovitchs Studie allerdings auf. Sie wurde an Probanden durchgeführt, die gekratzt wurden, obwohl sie nicht unter Juckreiz litten. Jetzt will der Dermatologe seine Untersuchungen mit Patienten wiederholen, die es tatsächlich auch juckt. Und hofft natürlich, dass seine Beobachtungen sich auch im Ernstfall bestätigen.

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