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Gesundheitspolitik

«Der Zulassungsstopp ist ein Killer»

In zehn Jahren könnte die Hälfte der Hausarztpraxen verwaist sein

«Der Zulassungsstopp ist ein Killer für die Hausarztmedizin», beschwor Prof. Peter Tschudi anlässlich seiner Antrittsvorlesung als erster Professor für Hausarztmedizin an der Universität Basel. Doch er wurde nicht erhört: Gleichentags beschloss der Ständerat, den Zulassungsstopp für neue Arztpraxen nochmals um zwei Jahre zu verlängern. Prof. Peter Tschudi sieht schwarz. Schon jetzt sei die Situation alarmierend: Mit einer Hausarzt-Dichte von 0,73 auf 1000 Einwohner liege sogar der als «überversorgt» geltende Kanton Basel-Stadt jetzt schon deutlich unter dem von der OECD empfohlenen Wert von 1. Aber es komme noch dicker. In der «Workforce-Studie» hat das Institut für Hausarztmedizin praktisch alle Hausärzte der beiden Basler Halbkantone unter anderem auch zu ihren Plänen bezüglich Pensionierung befragt.

200 neue Hausärzte benötigt

Die Ergebnisse sind alarmierend: Wegen Aufgabe oder Reduktion der Praxistätigkeit müssten bis in zehn Jahren 50 Prozent, in 15 Jahren gar drei Viertel der Hausarzt-Arbeitspensen von jüngeren Leuten übernommen werden. «Allein schon in den beiden Basel werden bis 2017 rund 200 und ab 2022 gar 300 neue Hausärztinnen und Hausärzte benötigt, um nur schon den gegenwärtigen Stand der Hausarztmedizin halten zu können. Und das wird nicht möglich sein», warnt Prof. Tschudi.

Mehrheitlich weiblich

Dies aus verschiedenen Gründen. Erstens ist laut Tschudi die Zahl der Studienabschlüsse in Medizin seit 1999 um einen Viertel zurückgegangen. Zweitens streben nur zehn Prozent der Jungärzte eine Karriere als Allgemeinpraktiker an. Zudem wird der Hausarzt der Zukunft mehrheitlich weiblich sein und in einer Gruppenpraxis arbeiten. Das ist zwar im Prinzip zu begrüssen, verschärft aber die Situation zusätzlich, weil gemäss Umfragen bloss etwa 20 Prozent der angehenden Ärztinnen eine Vollzeit-Tätigkeit anstreben.

Das Ziel verfehlt

Als Gründe für das mangelnde Interesse der Medizin Studierenden am Hausarzt-Beruf nennt Prof. Tschudi etwa die Scheu, Verantwortung zu übernehmen, die langen Arbeitszeiten mit Verpflichtung zu Notfalldienst und das im Vergleich zu Spezialärzten geringere Einkommen. «Ein weiterer Killer für die Hausarztmedizin ist der Zulassungsstopp für neue Arztpraxen». Wobei die Massnahme erst noch das Ziel total verfehlt habe: Seit Inkrafttreten des Zulassungsstopps ist bloss die Zahl der Hausarztpraxen leicht gesunken, während die Spezialärzte weiter im Aufwind sind. «Der Zulassungsstopp muss für Hausarztpraxen aufgehoben werden», fordert denn auch Prof. Tschudi.

Finanzielle Hürden

Dem pflichtet auch der baselstädtische Gesundheitsdirektor Carlo Conti bei. Man habe schon verschiedentlich versucht, anlässlich eines Besitzerwechsels den Betrieb von Spezialarzt-Praxen neu bloss als Hausarztpraxen weiter zu bewilligen, sagte er am Rande der Veranstaltung. «Doch dies scheitert leider meist an den Finanzen.» Der Patientenstamm etwa eines Gynäkologen sei eben mehr «wert» als derjenige eines Hausarztes, weiss auch Regierungsrat Conti – und die Umwandlung einer Spezialarzt- zu einer Hausarzt-Praxisbewilligung daher ein Verlustgeschäft.

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