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Physik

Was Liestal auf dem Mars zu suchen hat

Das Liestaler Jung-Unternehmen Nanosurf sowie die Universitäten Basel und Neuenburg sind mitbeteiligt an der «Phoenix»-Mission. Falls das Wetter mitspielt, wird am kommenden 3. August die Mars-Mission «Phoenix» gestartet. Diesmal geht die Reise zum Nordpol des Roten Planeten. Dort wird der Landeroboter nach Eis-Spuren graben, und Schweizer Analysegeräte sollen bestimmen helfen, ob die Bodenproben wirklich einmal Wasser enthielten. Wenn nächsten Freitag frühmorgens um halb sechs die Delta II – Rakete vom Kennedy Space Center in Florida abhebt, wird auch ein Stück Liestal ins Weltall mitfliegen. Die Universitäten von Basel und Neuenburg werden ebenfalls mit dabei sein. Klugen Köpfen dieser drei Orte ist entsprungen, was mit entscheiden könnte über einen Erfolg der jüngsten Mars-Mission der Nasa. Die Rede ist vom speziell für die harten Mars-Bedingungen entwickelten Rasterkraftmikroskop (AFM), das gemeinsam von der Liestaler Nanosurf, dem am Basler Institut für Physik tätigen Elektronik-Spezialisten Hans-Rudolf Hidber und Urs Staufer, Professor und Forscher für Micro-und Nanotechnologie am Neuenburger Institut für Mikrotechnik, entwickelt worden ist.

«Phoenix» hat den Auftrag, nahe dem Nordpol des Roten Planeten nach Wasser oder vielmehr Eis zu suchen. Dazu ist die Sonde mit einem 2,5 Meter langen Greifarm ausgerüstet, der ellenbogentief im Marsboden buddelt und Proben nimmt. Diese werden anschliessend auf einen rotierenden Analysetisch gehoben und verschiedenen chemischen und mineralogischen Untersuchungen unterzogen. Es werden unter anderem Säuregrad und Ionengehalt bestimmt. Die Marsstaub-Körner werden ausserdem mit einem Lichtmikroskop, das Details in der Grössenordnung von einem bis zu zehntausendstel Millimeter sichtbar macht, angeschaut. Was kleiner ist, soll eben vom Rasterkraftmikroskop an den Tag gebracht werden, bis zehn Millionstel Millimeter kleine Strukturen können mit dem AFM noch entdeckt werden.

Also auch kleinste Eiskristalle? «Das wäre ein Glücksfall, mit dem wir nicht einmal zu rechnen wagen», wehrt Urs Staufer ab. Denn selbst dann, wenn der Greifarm Eis aus dem Marsboden fördern könnte, würde dieses sehr schnell sublimieren, in der Marsatmosphäre verdampfen, bevor es unter das Mikroskop gelangt. Allfällige Spuren hingegen, die fliessendes oder verdampfendes Wasser an den Kristalloberflächen der Staubkörner hinterliess, müssten vom AFM entdeckt werden können.

«Es war im Jahr 1999, als die Amerikaner bei uns anfragten, ob wir in der Lage seien, ein marsgängiges Rasterkraftmikroskop zu bauen», erinnern sich Hidber und Staufer. Beide arbeiteten damals am ETH-Schwerpunktprogramm «Minast» (Mikro- und Nanosystemtechnologie) mit. Auch die Nanosurf, eine Spinoff-Firma der Universität Basel unter der Leitung von Robert Sum, war damals schon mit von der Partie. Gemeinsam brachten sie das beinahe unmöglich Erscheinende zustande. «Der Scann-Kopf des AFM, mit dem die zu untersuchende Probe abgetastet wird, wurde von Nanosurf geliefert. Bereits im Oktober 2000 konnten wir die insgesamt sechs Einheiten liefern,» ergänzt Robert Sum.

Die Steuerelektronik, die nicht nur grossen Temperaturschwankungen, sondern auch der kosmischen Strahlung widerstehen und auch unter Mars-Atmosphäre funktionieren muss, baute Hans-Rudolf Hidber zusammen. «Alle Register wurden dreifach gebaut und eine Auswertezelle nachgeschaltet, welche die Majorität von drei gemessenen Zuständen weiter meldete. So konnte das Risiko von Falschresultaten aufgrund von Strahleneinflüssen reduziert werden.» Projektleiter Urs Staufer hatte dann die heikle Aufgabe, die verschiedenen Komponenten zusammen zu bauen. Die Nasa testete das Schweizer Produkt und zeigte sich zufrieden damit. Das erste weltraumtaugliche Rasterkraftmikroskop war somit startbereit. Leider wurde das gesamte Mars-Programm der Nasa über den Haufen geworfen, als der «Mars Polar Lander» am 3. Dezember 1999 praktisch ungebremst im Südpolgebiet des roten Planeten abstürzte. «Genaues hat man uns nie gesagt», so Hans-Rudolf Hidber. «Aber angeblich sollen die Bremsraketen versehentlich zu früh ausgeschaltet worden sein.» Ein grober Programmierfehler, der neben dem Marsboden auch die amerikanische Weltraumbehörde in ihren Grundfesten erschütterte und in der Folge ein umfassendes Reformprogramm nach sich zog. Die für 2001 geplante Reise des Schweizer Rasterkraftmikroskops fiel diesem zum Opfer.

Im Jahre 2003 kam die Anfrage, ob das Schweizer Team bei der Phoenix Mission wieder mitmachen würde. «Es war gar nicht so einfach, unsere Parforce-Leistung des Jahres 2000 zu wiederholen», sagt Hans-Rudolf Hidber. Denn einzelne Bauteile waren gar nicht mehr erhältlich und mussten nachgebaut werden. Zudem ist das Ziel der Mission inzwischen ein anderes als vor sechs Jahren, womit sich auch die Anforderungen ans AFM änderten. «Damals lautete die Aufgabe, die Toxizität des Marsstaubes im Hinblick auf eine mögliche bemannte Mission zu untersuchen», erinnert sich Urs Staufer. Mit dem neuen Ziel ist die neue Marsmission wieder ganz spannend und voller Unbekannten.

«Phoenix» wird nach dem spektakulären Start eine neun Monate dauernde Reise und den nicht unproblematischen Abstieg auf die Marsoberfläche überstehen müssen. Nur etwa alle zwei Jahre nähert sich der Mars der Erdumlaufbahn soweit, dass mit vernünftigem Aufwand eine Sonde auf den Weg geschickt werden kann. Zwanzig Tage lang wird nun im August das «Fenster» offen stehen für «Phoenix». Kann der Start in diesem Zeitraum aus irgendwelchen Gründen nicht stattfinden, müssen wir uns danach wieder zwei Jahre lang gedulden.

Ob er dabei sei beim Countdown auf dem Kennedy Space Center? «Natürlich», lacht Urs Staufer. «Ich wollte die NASA sogar überreden, den Starttermin auf den 1. August zu legen, leider ohne Erfolg.» Schade, das wäre ein hübsches Feuerwerk zum Schweizer Nationalfeiertag geworden.

Box: Herzstück mit acht Spitzen

Acht Arme («Cantilever»), ausgerüstet mit feinsten Spitzen, sitzen auf dem AFM-Chip, dem Herzstück des Rasterkraftmikroskops. Im Einsatz steht jeweils bloss ein Cantilever, dessen Spitze die Oberfläche der Probe abtastet und «Unebenheiten» bis hinab in den atomaren Bereich zu erkennen vermag. Ist die Spitze stumpf geworden oder verschmutzt, wird der entsprechende Cantilever per Funkbefehl von der Erde weggebrochen, und der nächste in der Reihe übernimmt den Job.

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