Kategorien
Chemie

LSD-Entdecker Albert Hofmann feierte den 100. Geburtstag

Schlüssel zum Elysium – und zur Hölle

Auch 63 Jahre nach der Entdeckung ist LSD immer noch die potenteste bekannte Psychodroge. Spuren reichen, um einen Menschen zeitweilig ins Elysium – oder eben auch in die Hölle – zu befördern. Zu Jahresbeginn wurde der 100. Geburtstag von LSD-Entdecker Albert Hofmann begangen – mit Festreden und einem dreitägigen Symposium.

«Albert, we love you!» Die eigens aus Kalifornien angereisten Fans gerieten beinahe aus dem Häuschen in der alten Aula der Universität Basel. Dort wurde nämlich in den ersten Januartagen der 100. Geburtstag von LSD-Entdecker Albert Hofmann mit einem Festakt begangen. «Um nichts im Leben wollte ich mir dies entgehen lassen», schwärmte Lucille aus San Francisco auf dem Sessel neben mir. Obwohl sie von all den Lobesreden, die wie üblich einen solchen Anlass begleiten, kein Wort verstand. Für sie und ihre Freunde ist Albert Hofmann immer noch eine Art Guru – 63 Jahre, nachdem der ehemalige Sandoz-Chemiker die potenteste bekannte Psychodroge entdeckt hatte. Und obwohl die Hippie-Bewegung inzwischen längst auch schon Geschichte ist.

«Es hat mich gefunden»

Dabei wollte Albert Hofmann genau das nicht sein: ein Guru, ein «chemischer Christus». «Ich habe das LSD nicht gesucht, es hat mich gefunden», ist einer seiner Standardsätze. Tatsächlich war auch bei der Geburtsstunde der «geistigen Atombombe», wie die Psychodroge auch etwa genannt wurde, mächtig der Zufall im Spiel. «Eigentlich wollte ich ja analog zum Coramin (Nikotinsäure-Diäthylamid) ein Lysergsäure-Diäthylamid bauen, das ähnlich wie Coramin als Kreislaufstimulans wirken sollte. Das war im Jahr 1938. Die Synthese gelang zwar, nur hatte das LSD im Tierversuch kaum einen kreislaufstimulierenden Effekt», erinnerte sich Hofmann in einem unserer letzten Gespräche. Und LSD war vom Tisch.Bis zu jenem denkwürdigen 16. April 1943, als Hofmann im Rahmen eines anderen Forschungsprojektes wieder einmal LSD herstellte. Da muss er was davon an die Finger bekommen haben, denn «auf dem Heimweg mit dem Velo hatte ich plötzlich Halluzinationen, einen schönen, angenehmen Trip». Erst dachte er, das Lösungsmittel (Chloräthylen) habe ihn «high» gemacht. Aber diese Vermutung bestätigte sich nicht. «Deshalb machte ich einen gezielten Versuch mit LSD selber, ich nahm eine vermeintlich sehr kleine Menge, nämlich 25 Milligramm, der Substanz ein. Danach war alles klar.»

«Mystisches Erleben«

Was nicht bedeutet, dass Hofmann jetzt zum LSD-Junky wurde. Er habe danach noch einige Selbstversuche zusammen mit dem Schriftsteller Ernst Jünger unternommen, gab er zu Protokoll. Aber danach habe ihn die Droge nicht mehr gereizt. «Einmal muss man aufhören.» Doch missen möchte Albert Hofmann die Begegnung mit der Substanz um keinen Preis. «Das war ausserordentlich wichtig für mich. Man erlebt die Welt optisch und akustisch viel intensiver. Gleichzeitig wird das rationale Element in unserer Persönlichkeit zugunsten des Emotionalen zurückgedrängt. LSD vermittelt ein mystisches Erleben, wie man es nach Fasten oder Meditation erfahren kann. Man fühlt sich eng verbunden mit der Natur, als Teil des Ganzen. Besonders fasziniert hat mich, dass man solche Gefühle mit einem chemischen Stoff provozieren konnte.»

Kein Renner

Ein faszinierender Stoff also, der aber rückblickend die in ihn gesetzten Erwartungen nicht erfüllte. Zwar brachte Hofmanns Arbeitgeber LSD unter dem Namen «Delisyd» 1947 für psychiatrische Anwendungen auf den Markt, «zur seelischen Auflockerung bei analytischer Psychotherapie». Aber ein Renner war die Psychodroge nie und wurde von Sandoz knapp 20 Jahre später zurückgezogen, als die Hippie-Szene die psychedelische Substanz für sich reklamierte und sich die Zwischenfälle wegen Missbrauchs zu häufen begannen. Doch auch als Modedroge erlebte LSD nur eine kurze Blüte. Albert Hofmann weiss auch weshalb: «LSD macht nicht süchtig, die meisten Leute nehmen es bloss ein- oder zweimal im Leben. Da liegt schon vom Volumen her kein Geschäft drin für die Drogen-Mafia.»

Stoff für Schamanen

LSD sei auch nicht giftig, betont Hofmann immer wieder, «man kennt ja nicht einmal die tödliche Dosis für den Menschen». Aber deswegen nicht harmlos: «Die grosse Gefahr des LSD liegt darin, dass man den Schock, in eine andere Wirklichkeit transportiert zu werden, nicht verkraften und in den normalen Alltag integrieren kann, man dreht durch.» Aus diesem Grund hat sich Albert Hofmann auch stets dagegen gewehrt, dass «sein Kind» unbeaufsichtigt auf die Menschheit losgelassen wird. Von einem Verbot hält er zwar gar nichts, war aber stets der Ansicht, dass «ein Stoff wie LSD in die Hände der Schamanen, in unserer heutigen Gesellschaft somit in die Hände der Psychiater gehört». Albert Hofmann: «LSD – mein Sorgenkind». Klett-Cotta, Stuttgart 2001, 224 S., Fr. 34.40

Alles begann auf einem Roggenkorn

Lysergsäure-Diäthylamid ist ein Abkömmling der aus dem Muterkorn gewonnenen Alkaloide. Die auf Getreidekörnern (besonders auf Roggen) wachsenden braunen Pilze enthalten bis zu ein Prozent der potenten Naturstoffe – und haben im Mittelalter immer wieder Massenvergiftungen verursacht, das «Antoniusfeuer». Ebenso alt ist der Gebrauch von Mutterkorn-Alkaloiden in der Geburtshilfe als wehenfördernde Substanz. Die Basler Chemiefirma Sandoz unter Forschungsleiter Arthur Stoll suchte bereits ab 1917 unter den Mutterkornalkaloiden nach vermarktbaren Wirksubstanzen und wurde auch in mehreren Fällen fündig (Deseril, Dihydergot). Anfang 30er Jahre stiess der junge Chemiker Albert Hofmann zu Stolls Forschungsgruppe und entdeckte bei seinen Arbeiten mit den Mutterkornalkaloiden zufällig das LSD.

Von Reizen überflutet

Eine Dosis von 0,025 Milligramm reicht in der Regel, einen erwachsenen Menschen in eine andere Welt zu versetzen. Im Gehirn greift die Substanz gleichzeitig in verschiedene neuronale Regelkreise ein (Serotonin-, Dopamin- und Glutamatsystem). Damit bricht unter anderem die Reizfilterung zusammen. Diese Reizüberflutung im Stirnhirn äussert sich in Wahrnehmungsveränderungen grossen Stils. Raumgefühl und Farbenwahrnehmung verschieben sich, Geräusche werden gefühlt oder optisch wahrgenommen (Synästhesie), Raum-Zeit-Beziehungen werden aufgelöst. Empfindungen und Gefühle werden unter LSD sehr intensiv erlebt, Emotionen sind äusserst ausgeprägt. Diese Effekte wurden und werden von vielen Menschen als «Bewusstseinserweiterung» wahrgenommen, von der sich zeitweilig besonders Künstler einen Kreativitätsschub erhofften.LSD-Konsum kann aber auch Angstzustände und psychotische Schübe auslösen. Zudem bergen die durch die Droge verursachten visuellen Störungen eine beträchtliche Unfallgefahr. Andererseits ist LSD nicht suchtbildend. Entzugssymptome sind nicht bekannt. Wird die Substanz mehrere Male hintereinander eingenommen, verliert sie die psychedelische Wirkung. Mit der Dauer des Konsums erlischt die Lust auf LSD. Gemäss Fachliteratur konsumieren wenige Personen die Droge länger als über einen Zeitraum von etwa zwei Jahren – ganz einfach, weil der Reiz des Neuen rasch verfliegt.

Die Polit-Droge

Von überaus gehässiger Polemik geprägt war die Geschichte des LSD in den vergangenen 60er Jahren. Als «gefährlichste Droge, die es je gab» und «Moral zersetzendes Psychogift, das die Grundpfeiler der Gesellschaft erodiert» erschien das Liebkind der Hippie-Generation damals insbesondere den konservativen Kreisen Amerikas. Das ging so weit, dass Präsident Nixon den Psychologen und LSD-Aktivisten Timothy Leary zum «gefährlichsten Mann Amerikas» kürte. Heute haben sich die Gemüter beruhigt und die Akzeptanz, an und mit der immer noch weltweit verbotenen Psychodroge weiter zu forschen, scheint zu wachsen. Diskutiert wird etwa der Einsatz des LSD in subpsychedelischen Dosen gegen Cluster-Kopfschmerz, gegen Alters-Depression oder in der Sterbehilfe.

Diese Seite verwendet Cookies, um die Nutzerfreundlichkeit zu verbessern. Mit der weiteren Verwendung stimmst du dem zu.

Datenschutzerklärung