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Physik

Eine Telepathie der besonderen Art

Lauschangriff blitzt an verschränkten Lichtteilchen ab

Vergangene Woche wurde in Wien erstmals ein abhörsicheres Kommunikations-Netzwerk vorgestellt. Dabei beruht die Verschlüsselung auf speziellen quantenmechanischen Eigenschaften von Photonen. An der Entwicklung mitbeteiligt sind auch Schweizer Forscher.

Ob wir mit der Kreditkarte im Internet shoppen oder unsere Rechnungen über den PC bezahlen: Stets werden die übermittelten Daten – die Kreditkarten- und Bankkonto-Nummern sowie die Höhe der zu bezahlenden Beträge – verschlüsselt. Und zwar sicher, wird uns stets versichert. Dabei sei es beinahe ein Kinderspiel, etwa ein Glasfaserkabel anzuzapfen, ist etwa in der jüngsten Sonntagsausgabe der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) nachzulesen: Deren Korrespondent war Zeuge, wie vergangene Woche an einer Veranstaltung bei der Firma Siemens in Wien eine Video-Übertragung zwischen zwei Notebooks angezapft wurde. Ganz einfach, indem die Glasfaser verbogen und ein optischer Empfänger angeklemmt wurde – und schon war die Videoaufnahme geklaut, von niemandem bemerkt.

Solchem Datenklau will ein EU-Forschungsprojekt mit dem Kürzel SECOQC künftig den Riegel schieben. In diesem Netzwerk arbeiten seit viereinhalb Jahren 41 Wissenschaftler aus zwölf Ländern daran, die so genannte Quantenkryptografie alltagstauglich zu machen. Beteiligt am Aufbau mehrerer bereits genutzter Systeme sind auch Forscher der Universitäten Genf und Lausanne.

An der Front dabei ist unter anderen ebenfalls die Genfer Firma id Quantique. Seit einem Jahr bietet das Unternehmen Quantenkryptografie-Systeme an, also eine Verschlüsselungstechnik, die sich die Besonderheiten der Quantenphysik dienstbar macht. Den Praxistest hat ein solches System bereits vor fünf Jahren bestanden, als die Bank Austria weltweit erstmalig eine Banküberweisung durchführte, deren Sicherheit mit Hilfe von quantenmechanischen Prinzipien garantiert war. Und vergangenen Herbst übermittelte der Kanton Genf die Resultate der eidgenössischen Wahlen erstmals ebenfalls auf diesem absolut abhörsicheren Weg. Diese ersten Systeme ermöglichen allerdings erst die Kommunikation zwischen zwei Partnern. Neu ist daher, was vergangene Woche an der SECOQC-Konferenz im Siemens-Forum demonstriert wurde: die quantenkryptografisch verschlüsselte Kommunikation zwischen sechs Punkten in einem firmeneigenen Glasfaser-Netz über sechs bis 85 Kilometer hinweg.

Zwar ist es bereits mit heute gebräuchlichen Methoden möglich, Verschlüsselungs-Codes zu generieren, die schwerlich zu knacken sind. Das Problem besteht jedoch darin, den Schlüssel an die Kommunikationspartner zu verteilen, ohne dass dieser unterwegs unbemerkt abgefangen und kopiert werden kann. Hier hakt die Quantenkryptografie ein, indem für die Verteilung des Schlüssels einzelne Lichtteilchen (Photonen) verwendet werden. Für diese Kommunikationsart werden zwei Kanäle benötigt. Über eine normale Leitung wird die verschlüsselte Botschaft versandt, während über den abhörsicheren Quantenkanal der Schlüssel übertragen wird, der Geheimcode, der den autorisierten Kommunikationspartnern die Entschlüsselung der Nachricht erlaubt.

Beim vergangene Woche vorgestellten System werden dazu Photonen-Paare verwendet, deren Quantenzustand verschränkt ist. Solche verschränkten Teilchen können sich beliebig weit voneinander entfernen, und trotzdem spüren beide, wenn der eine Partner manipuliert wird. Dann kollabiert der Quantenzustand des Paares zu einem definierbaren Messwert, und zwar zeitgleich beim Absender und Empfänger. Was sich wie eine Art Telepathie anhört macht es aus, dass solche über verschränkte Photonen versandte Schlüssel jedem Lauschangriff standhalten. Denn sobald jemand unbefugt den Quantenkanal anzuzapfen versucht, merken das die autorisierten Teilnehmer im Datennetz, weil dann der Quantenzustand der bei ihnen eintreffenden Photonen kollabiert.

Solche Quantensysteme können zwar mathematisch präzise beschrieben werden, aber «was sie für das Konzept einer physikalischen Wirklichkeit bedeuten, ist noch unklar», sagt der Wiener Physiker Anton Zeilinger im Gespräch mit der FAZ. Er gilt als Pionier der Quantenkryptografie und war 1997 der erste, dem die oben beschriebene Quantenteleportation zwischen zwei Photonen gelang. Laut Zeilinger wird die Erklärung des Phänomens der quantenmechanischen Verschränkung «eine Neuformulierung unserer Ideen von Raum und Zeit erfordern». Die grundsätzlichen Botschaften habe man noch nicht verstanden, «man muss sie aber auch nicht verstehen, um damit arbeiten zu können.»

Und gearbeitet wird bereits damit. Zwar ist der Datentransfer mit der neuen Verschlüsselungstechnik noch relativ langsam, langsamer als das Internet. Und die Übertragungsdistanz in der Glasfaser ist auf etwa 100 km beschränkt, weil man das Schlüssel-Datensignal nicht verstärken kann. «Das sind technische Herausforderungen und stellen keine prinzipiellen Probleme dar», sagt Anton Zeilinger dazu.

Siemens Österreich will die neue Technik denn auch schon bald verkaufen. «Ich gehe davon aus, dass wir unseren Kunden in drei bis vier Jahren sichere Kommunikation anbieten können», wird Siemens-Vorstandsvorsitzende Brigitte Ederer von Nachrichtenagenturen zitiert. Ziel sei, den Preis für ein solches quantenkryptografisches System auf etwa 15 000 Franken zu senken. Damit wir alle vielleicht bald schon unsere Rechnungen über den PC begleichen können – wirklich ohne Furcht vor einem Lauschangriff.

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