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Von der Schere in den Köpfen

Die Freiheit von Lehre und Forschung hat sich jede Universität, die etwas auf sich hält, in die Charta geschrieben. Wohl nichts als ein frommer Wunsch. Von der Lehrfreiheit wollen wir schon gar nicht reden. Und was die Freiheit der Forschung betrifft: kaum ein Feld, das heute nicht durch Gesetze und Verordnungen reguliert wird. Nicht nur was (von Gentechnik bis zu Stammzellenforschung), sondern auch wie und mit welchen Mitteln (von Tierversuchen bis zu klinischen Studien) geforscht werden darf, wird von Behörden, Beiräten und ethischen Kommissionen bestimmt.

Von Freiheit der Forschung also keine Spur. Doch haben offizielle Restriktionen wenigstens den Vorteil, dass sie wieder abgeschafft werden können, wenn sich das gesellschaftliche Umfeld ändert und «verbotenes Wissen» im Laufe der Zeit politisch korrekt wird.

Nun sind es aber nicht bloss die formell gesetzten Grenzen, die freies Forschen behindern. Vielmehr beginnt die Zensur bereits in den Köpfen der Forschenden. Diese Ansicht zumindest vertreten Joanna Kempner und einige ihrer Mediziner Kollegen im Wissenschaftsmagazin «Science»*. Sie haben in Interviews bei Forschenden nachgefragt, wie sie das so sehen mit der Forschungsfreiheit. Und haben dabei herausgefunden, dass informelle Selbstzensur die Wissensvermehrung mindestens ebenso einschränkt wie Gesetze und Verordnungen. Einige Befragte gaben freimütig zu, aus Angst vor Tierschützern lieber mit Hefezellen und Mäusen zu arbeiten, obwohl Hunde eigentlich das bessere Studienmodell abgäben. Studien über Sex – und Drogenverhalten wurden gemäss Umfrage schon nicht durchgeführt aus Angst, damit vorherrschende Moralvorstellungen zu verletzen.

Ob derart vieler Scheren in den Köpfen müsste man sich eigentlich Sorgen machen um die Zukunft der Wissenschaften. Wenn wir nicht frei nach Dürrenmatt «wüssten, dass ohnehin irgendeinmal gedacht wird, was denkbar ist …

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