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Coffeetalk

Von der Milch im Kaffee

Von Aufmerksamkeitsschwäche sei er befreit worden, von bipolaren Störungen und chronischer Müdigkeit, schwärmt ein Geheilter im amerikanischen Magazin «The New Yorker». Und Sie, liebe Leserin, verehrter Leser, sind vielleicht eben im Begriff, ein bisschen dieser Wunderdroge in ihren Kaffee einzurühren, ohne es zu wissen. Das heisst, etwas speziell ist der weisse Saft schon, der laut einem Bericht des Magazins vergangenen Monat in aller Heimlichkeit in einem Hinterzimmer Manhattans verhökert wurde. Von Rohmilch ist nämlich die Rede, Milch direkt von der Kuh, gekühlt zwar, aber weder teil- noch ganz entrahmt, nicht pasteurisiert und ohne Vitaminzusatz.

Rohmilch ist in der Metropole der Metropolen zur Obsession vieler gesundheitsbewusster Städter geworden. Eine Kur mit dem Kuhsaft soll helfen gegen Bluthochdruck, Herzkrankheiten, chronische Magenentzündung und auch Schuppenflechte. Entsprechend gut sind die Preise, die der Milchbauer aus New Jersey für seine Milch der frommen Denkungsart erzielen kann: satte 4,25 Dollar pro Gallone (etwa 1.30 Franken pro Liter). Das wäre bei uns in der Schweiz ein Pappenstiel, aber drüben ist es viel Geld bloss für Milch.

Einen Nachteil (oder ists ein Vorteil?) hat die neue Mode allerdings: Handel und Transport von nicht pasteurisierter und homogenisierter Milch über die Grenzen von Bundesstaaten hinweg «und erst noch ohne Lizenz» sind aus hygienischen Gründen verboten. Denn rohe Milch enthalte viele Keime, unter anderen die Erreger von Tuberkulose, warnt die amerikanische Lebensmittelkontrollstelle FDA. Das hatte schon meine Mutter gesagt, damit aber den Teenager nicht davon abhalten können, sich bei jeder Gelegenheit aus der flachen Schale im Kühlschrank zu bedienen. Darin nämlich wurde der köstlich Saft jeweils zwischengelagert, der täglich vom Milchmann mit Ross und Wagen frei Haus geliefert wurde (später, nachdem das Pferd einige Male durchgebrannt war, fuhr dann ein Elekromobil durchs Quartier). Nun, dem Teenager hat die Rohmilch jedenfalls nicht geschadet. Sicher ist bloss, der Genuss wäre ein geringerer gewesen, wäre er nicht mit einem Verbot belegt gewesen.

Heute würde der Handel mit Rohmilch ja auch in der Region Basel an den hygienischen Vorschriften scheitern. Beste Voraussetzungen also, dass Rohmilch «mit der gewohnten zeitlichen Verzögerung» auch bei uns zur Modedroge wird. Nun, wenn der Genuss schon illegal sein muss, dann ist weisser Saft wenigstens das kleinere Übel als weisses Pulver.

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