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Vom Spielen mit Wind und Wasser

Harte Typen beiderlei Geschlechts tun es auch im Winter, wenn es schneit

Sollen sie doch. Ich mags lieber bei wärmeren Temperaturen, wenn der Segelspass sich nicht beschränkt aufs Spielen mit Aero- und Hydrodynamik, sondern darüber hinaus zum Naturerlebnis wird. Wie jetzt. Grün spriesst das Schilf, der Kuckuck ruft und die Schwäne kämpfen um Revier und Partnerin: kurz, es ist Frühling am See. Zeit also, auch das Segelboot aus dem Winterschlaf zu erwecken. Zehn Uhr, die Sonne hat den Bodendunst aufgesaugt, ein wunderschöner Morgen ohne einen Windhauch. Der Neuenburgersee ist spiegelglatt. Wir lassen uns nicht beirren. Denn erstens ists das erste Mal immer am schönsten, mit oder ohne Wind. Und «bei wenig Wind zeigt sich, wer ein guter Segler ist» hat Segellehrer Hein damals immer gesagt. Leinen los, also.

Fünf Minuten später liegt die Hafenmole hinter uns, der Hilfsmotor ist verstummt, die Segel sind gesetzt. Komplette Ruhe, wir sind allein auf dem See. Den Seglern hat es zu wenig Wind und den Motorbootfahrern ists noch zu kalt. Wir dümpeln, der Grossbaum schwingt hin und her, das Vorsegel hängt runter.

Doch halt, da beginnt sich doch was zu rühren. Kaum spürbar ist der Hauch aus Nordost, der unsere Nasenspitze kitzelt. Wir geben dem Boot ein wenig Neigung, damit die Segelprofile das bisschen Wind besser einfangen können. Und werden belohnt: Immerhin einen halben Knoten Fahrt zeigt jetzt der Geschwindigkeitsmesser, knapp einen Kilometer in der Stunde …

Wir haben ein kleines Problem. Die «White Sound» macht jetzt zwar ein wenig Fahrt, der Bug zeigt aber ziemlich genau auf die Landzunge vor Cudrefin hin. So würden wir früher oder später im Schilf landen. Man könnte jetzt zwar ins offene Wasser hinauskreuzen und Abstand gewinnen zum Ufer. Das würde uns aber weit vom Ziel abbringen, dem Ankerplatz in der Bucht von Gampelen. Andererseits: Wenn das Windchen nur ein bisschen gegen Norden drehte, kämen wir klar von der Landspitze. Die Chancen für diesen Glücksfall stehen gut, denn inzwischen ist es elf Uhr, die Sonne hat das Ufer aufgeheizt, was erfahrungsgemäss einen auflandigen Lufthauch generiert. Warten wirs mal ab.

Bingo. Das Kalkül ist aufgegangen. Wir segeln jetzt parallel zum Ufer, und der Speedo zeigt einen Knoten Fahrt – zwei Stundenkilometer, da könnte ich nicht lange mitschwimmen. Bis Gampelen wären es bei diesem «Tempo» allerdings noch vier Stunden, wir werden wohl anderswo picknicken müssen …

Der Windgott ist uns gut gesinnt. Schon gleiten wir im Fussgängertempo durchs Wasser. Die «White Sound» verhält sich grossartig, lässt sich mit zwei Fingern steuern. Jetzt müssen wir bloss auf die zahlreichen Sandbänke achten, das Boot bei zehn Grad Wassertemperatur von der Untiefe herunterzuschieben, ist nicht jedermanns Sache. Der Tiefenmesser zeigt 1,6 Meter, 1,2 brauchen wir, um flott zu bleiben.

Inzwischen ist der See geschmückt mit weissen Segeln. Aber die Konkurrenz (auf dem Wasser sind alle Segler Konkurrenten) hat wohl aus Respekt vor den Sandbänken den Kurs ins offene Wasser hinaus gewählt. Dort gibts aber keine Thermik, und so dümpeln sie alle mit schlaffen Segeln. Bald auch wir. Denn so schnell er kam, war der Thermik-Hauch wieder eingeschlafen. So setzen wir eben den Anker ins flache Wasser vor Champmartin und geniessen Brot und Wein. Danach ist Dösen an der Frühlingssonne angesagt.

Leises Harfen in der Takelage lässt mich ein Auge öffnen. Tatsächlich, die Wasseroberfläche kräuselt sich. Nur wenig, aber so viel Wind hatten wir heute noch nicht. Ein Schwumm im jetzt 16-grädigen Wasser, dann Segel hoch und zurück Richtung Hafen. Bevor der Windgott es sich anders überlegt.

Nachtrag: Was hat er uns gebracht, der erste Segeltag? Wir sind während sechs Stunden knapp zehn Kilometer durchs Wasser geglitten, oft kaum schneller als die bettelnden Enten rund ums Boot. Nicht gerade grossartig, gemessen am Aufwand? Vielleicht. Aber dafür waren wir einen Tag eins mit der Natur, spielten mit Wind und Wasser und haben uns grossartig erholt. Sie kennen doch den Unterschied zwischen einem Segler und einem Motorboot-Sportler? Letzterer klettert auf sein Boot, um irgendwohin zu fahren. Der Segler aber ist bereits angekommen.

Am Ufer ein Hauch. Bei allgemeiner Flaute hat man nahe dem Ufer entlang noch die besten Chancen, ein wenig vorwärts zu kommen. Denn sobald die Sonne das Land aufheizt, darf der Segler wenigstens auf schwachen Thermikwind hoffen.

Wie den Landratten gute Seemannschaft beigebracht wird

Ich muss warnen. So gemütlich wie oben beschrieben gehts nicht immer zu und her auf dem Neuenburgersee. Ist mal der Sommer ins Land gezogen, kann im Handumdrehen ein Donnerwetter losbrechen oder der «Joran», der gefürchtete Fallwind, von den Jurahöhen her über den See brettern. Manches Mal schmerzten mich nach einem solchen Tag auf dem Wasser alle Muskeln. Auch diejenigen, die ich gar nicht besitze.

Segeln will gründlich erlernt werden. Zwar habe ich Weltumsegler getroffen, die sich nie die Mühe genommen haben, einen Segelkurs zu besuchen, und trotzdem immer heil am Ziel angekommen sind. «Learning by doing» nennt sich das, eine Methode, die in klassischen Seefahrernationen vielleicht funktioniert. Nicht aber unbedingt bei uns Landratten, die im Binnenland aufgewachsen sind. Und nicht bei dem Gedränge, das an schönen Sommer-Sonntagen auf unseren Seen herrscht.

Auch unter Segeln wachsen die zu bewältigenden Kräfte und die Komplexität mit der Grösse des Fahrzeugs. Deshalb muss eine Prüfung ablegen, wer auf Schweizer Gewässern mit mehr als 15 Quadratmetern Segelfläche rumschippern will. Übersteigt zudem die Leistung der Hilfsmaschine des Bootes die 6-KW-Limite (neun PS), so muss zusätzlich zum D-Schein noch der A-Schein (für Motorbootfahrer) erworben werden.

Die Theorieprüfung ist in der Regel bei den Behörden des Wohnsitzkantons abzulegen, die jeweiligen Polizeidienststellen können nähere Auskunft erteilen. Das notwendige Wissen kann man sich entweder in einer Bootsfahrschule erwerben (allein im Telefonverzeichnis des Kantons Basel-Stadt ist ein Dutzend aufgeführt) oder auch selber aneignen. Unterlagen stehen schriftlich (1) oder übers Internet (2) zur Verfügung. Die praktische Ausbildung gestaltet sich für Interessierte aus der Region Basel ein wenig komplizierter. Zwar kann man auf den Stauseen von Birsfelden und Augst segeln, wenn man unbedingt will. Für einen Schulbetrieb sind die Verhältnisse jedoch nicht günstig. Den eigentlichen Segelkurs sowie die praktische Prüfung absolviert man daher in der Regel auf einem Schweizer See. Einige Basler Bootsfahrschulen haben dort Ableger. Ein Verzeichnis der angeschlossenen Segelschulen wird vom entsprechenden Verband geführt (3).

Wie auch immer, Spass wird (und muss) er machen, der Segelkurs. Danach wird man wissen, weshalb ein Segelboot bis zu einem gewissen Grad auch gegen den Wind segelt (eine Fertigkeit, die man auch sonst im Leben gut gebrauchen kann), wie man sein Boot am Ufer festmacht, ohne dass es einem samt den Fellen davonschwimmt, und wie mans auch mit unangenehmen Zeitgenossen zumindest eine Weile auf engstem Raum aushält, ohne gleich zum Mörder zu werden.

Ist die Prüfung bestanden und hat einen das Segler-Virus erst einmal infiziert, stellt sich vielleicht bald die Frage: mieten oder kaufen? Je nach Dicke der Brieftasche ist dieses Problem mehr oder weniger einfach zu lösen. «Ein Boot ist ein grosses Loch im Wasser, das den letzten Franken verschluckt», wissen Bootsbesitzer. In jedem Fall lohnt es sich, vor einem Kauf möglichst viele Erfahrungen auf fremdem Kiel zu sammeln. Damit möglichst klar wird, wozu der schwimmende Untersatz hauptsächlich zum Einsatz kommen soll. Je nachdem, ob man in Regatten Bertarelli konkurrenzieren möchte oder aber zusammen mit der Familie auf Reisen gehen will, und sei es bloss auf dem Neuenburgersee, wird das gesuchte Traumboot ganz unterschiedlich aussehen müssen.

Und nicht vergessen: Ein Boot braucht Pflege, gibt Arbeit. Die kann zwar einer der vielen Bootswerften überlassen werden, aber dann wird das Loch im Wasser zum Abgrund. Besonders die Einwinterung (und im Frühling dann die Inbetriebnahme) kann zur Plackerei werden. Selbst wenn das Boot die kalte Jahreszeit über im Wasser und der Mast oben bleibt, fällt einiges an: Segel reinigen und wenn nötig zur Reparatur einsenden, Motorkühlsystem mit Frostschutz durchspülen, Batterien warten, Wassertanks leeren. Und im Frühling heissts dann vor allem putzen. Einen Tag Maloche muss man schon einplanen, bis das Boot wieder startklar ist und die Segel gesetzt werden können für die erste Frühlingsfahrt.

¹ Vereinigung der Schifffahrtsämter, Postfach, 3000 Bern 7 
² Schiffstheoriekurs, www.snn.ch
³ Verband Schweizer Segelschulen VSSS, www.vsss-segelschulen.ch

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