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Vom Ärger mit dem Klebband

Der Ärger beginnt schon beim Schälen einer Tomate und endet beim Abwickeln von Toilettenpapier: Meist hält man am Ende ein spitz zulaufendes dreieckiges Fötzelchen in den Händen. «Tapeteneffekt» haben Wissenschaftler das Phänomen getauft, das im Alltag viel Frust bereitet und sich darin äussert, dass es praktisch unmöglich ist, alte Tapete oder auch Plakate in rechteckigen Stücken von der Wand zu reissen. Oder Klebband ordentlich von der Rolle zu wickeln. Das Ärgernis ist derart weit verbreitet, dass sich jetzt Angehörige weltberühmter Forschungsanstalten (darunter das Centre National de la Recherche Scientifique in Paris und das MIT in Boston) der Sache angenommen haben. Und siehe da: Es ist nicht so, dass die Tomate, die Tapete, das Klebband oder die WC-Rolle uns extra bös gesinnt wären. Sie alle gehorchen bloss den Gesetzen der Physik, schreiben MIT-Forscher Pedro Reis und Kollegen in der Online-Ausgabe von «Nature Materials». Denn die dreieckigen Abrisse sind das Resultat der Interaktionen zwischen drei fundamentalen Eigenschaften von aneinander haftenden Materialien: Elastizität, Adhäsionskraft und Reissfestigkeit. Daraus können die Forscher sogar errechnen, wie und in welchem Winkel die Dreieck-Risse entstehen. Umgekehrt kann vom Abriss-Winkel auf die Materialeigenschaften geschlossen werden, womit das etwas skurril anmutende Forschungsvorhaben zumindest in der Mikrotechnologie Anwendung finden könnte. Reis und Kollegen erklären das Prinzip einfachheitshalber am Klebband: Wird am freien Ende gezogen, baut sich im Falz zwischen Band und Rolle Energie auf. Diese kann auf zwei Wegen frei gesetzt werden: Indem der Klebstreifen sich löst, und indem er schmaler wird. Genau das tut er. Und wenn Sie nächstens wieder nach dem ausgefransten Ende suchen an der Klebbandrolle, wissen Sie wenigstens, worüber Sie sich ärgern: über die Physik.

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