Vom Pfeifen im Wald
Ob das Pfeifen in der Badewanne oder im dunklen Wald Musik ist oder akustische Umweltverschmutzung, ist vielleicht Geschmackssache. Sicher ist jetzt aber, dass Pfeifen auch eine Sprache sein kann. Der alte Hirtenbrauch ist in jedem Reiseführer beschrieben. Vor dem Zeitalter der Funkgeräte und Mobiltelefone kannten die Schäfer auf der Kanaren-Insel La Gomera nur eine Methode, sich über alle Klüfte und Schluchten hinweg zu verständigen: Das Pfeifen. Im Laufe der Jahrhunderte hat sich daraus eine eigentliche Sprache entwickelt, das Silbo. Die Pfeifsprache verfügt zwar bloss über vier Konsonanten und zwei Vokale. Doch damit lassen sich bereits einfache Mitteilungen auf Spanisch übermitteln, wie etwa «Schaf weg – Gatter zu». Dabei helfen auch Pfeifmelodie und Wiederholungen bei der Verdeutlichung der Aussage.Eine richtige SpracheNun konnte Manuel Carreiras von der Universität La Laguna (Teneriffa) zusammen mit Kollegen nachweisen, dass das Gehirn der Silbo «sprechenden» Hirten die Pfeifmelodien tatsächlich als Sprache erkennt und verarbeitet. Dies gelang, indem je fünf Silbo-Pfeifern (Silbadores) und fünf lediglich Spanisch sprechenden Kontrollpersonen bestimmte Höraufgaben gestellt wurden. Gleichzeitig wurde mittels der funktionalen Magnetresonanz-Tomografie registriert, was wo in den Gehirnen abging beim Pfeifkonzert. Dabei zeigte sich, dass bei den Silbadores beim Anhören von Silbo-Mitteilungen dieselben Hirnregionen im Sprachzentrum eingeschaltet werden, wie wenns gewöhnliches Spanisch wäre. Dagegen reagierten die des Silbo Unkundigen mit einer völlig unspezifischen Hirn-Resonanz.
Ein Trost bleibt jedoch den Silbo-Laien: Wenn sie unbedingt wollen, können sie ja Silbo lernen wie jede andere Sprache auch. Und die Pfiffe, mit denen sie auf der Strasse eine hübsche Frau oder den Schiedsrichter auf dem Fussballplatz beehren, sind ja eh international verständlich.