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Medizin

Schluss mit der Enge in der Röhre

Schweizer Forscher revolutionieren die Magnetresonanztomographie

Ein junger Doktorand hatte die zündende Idee: Eine unkonventionelle Messtechnik anzuwenden und die Detektoren in der MRI-Röhre so anzuordnen, dass für die Untersuchungsperson mehr Platz bleibt. Und die Bilder werden erst noch besser. Wer sich je einer Magnetresonanztomographie unterziehen musste, kann davon ein Lied singen: Es ist eng in der Röhre. Jedenfalls eine Qual für alle unter uns, die an Platzangst leiden. Abhilfe ist aber in Sicht. Wissenschaftler vom Institut für Biomedizinische Technik an der ETH Zürich haben das MRI-Verfahren weiter entwickelt, so dass es bald «kundenfreundlicher»» werden sollte.

Mittels Magnetresonanztomographie (abgekürzt MRT oder auch MRI) können die meisten Organe im Körper plastischer abgebildet werden als mit Röntgenstrahlen. Besonders Nerven- und Hirngewebe – und die Vorgänge, die sich dort abspielen – werden dank dieser Methode auf spektakuläre Weise sichtbar fürs menschliche Auge. Ein weiteres Plus der MRI-Technik: Der Person auf dem Untersuchungstisch wird die Belastung durch schädliche ionisierende Strahlung erspart. An deren Stelle kommt ein starkes Magnetfeld zum Einsatz. Unter dessen Einfluss wird der Spin (vereinfacht gesagt die Achse der Eigenrotation) der Wasserstoffatome im Körper einheitlich ausgerichtet. Mit einem Radiofrequenzimpuls können diese Spins zum Kippen gebracht werden. Und bei der Rückkehr in die ursprüngliche Position (Relaxation) senden die Wasserstoffatome dann ihrerseits ein Radiosignal aus, das eingefangen und bildlich dargestellt werden kann. Diese Relaxation läuft in verschiedenen Weichteilgeweben unterschiedlich schnell ab, was im MRI als Bildkontrast erscheint.

Das für die MRI-Aufnahmen notwendige Magnetfeld wird von einem zylindrisch angeordneten Spulensystem erzeugt. Daher hat der Beobachtungsraum für die zu untersuchende Probe – oder den Patienten – eben die Form einer Röhre. Was den Raum in der Röhre besonders beengt sind die Hochfrequenzspulen, die den Radioimpuls an die Wasserstoffatome senden und gleichzeitig als Detektor dienen für das zurückkommende Resonanzsignal. Da die Hochfrequenzspulen stehende Wellen von nur begrenzter Reichweite ausbilden, müssen die Detektoren in den heute üblichen MRI-Anlagen möglichst nahe beim untersuchten Objekt angebracht werden. Damit wird es aber eng in der Röhre, was von vielen Patienten als sehr unangenehm empfunden wird und auch kaum Platz lässt für zusätzliche Untersuchungsgeräte.

Dem schafft Abhilfe, was der junge Doktorand David Brunner zusammen mit Kollegen am Institut für Biomedizinische Technik der ETH ausgetüftelt hat. Am Anfang stand wie schon oft eine Zufallsentdeckung. «Ich hatte mir die MRI-Bilder von Händen angeschaut, die einer meiner Kollegen an unserer Anlage im Institut angefertigt hatte. Da waren Signale sichtbar, die eindeutig von Objekten ausserhalb des Detektors stammten», erklärt Brunner im Gespräch mit der BaZ. Dies ist deshalb bemerkenswert, weil der klassische MRI-Detektor eigentlich auf die Signale in Form stehender Wellen nahe des Untersuchungsobjekts eingestellt ist. Wenn jetzt plötzlich Signale aus der weiteren Umgebung eingefangen werden, bedeutet dies, dass MRI-Resonanzsignale nicht nur als stehende, sonder auch als sich ausbreitende (propagierende) Welle auftreten können.

Da hatte David Brunner die zündende Idee. Wäre es nicht möglich, für MRI-Aufnahmen allein solche propagierende Wellen zu nutzen? Um das zu erproben stand dem jungen Forscher am ETH-Institut eine Super-MRI-Anlage zur Verfügung, die mit einer Magnetfeldstärke von 7 Tesla arbeitet – die heute in der Klinik gebräuchlichen Geräte bringen es auf maximal 1,5 bis 3 Tesla. Brunner und sein Team kleideten nun das Innere ihres MRI-Geräts mit einer dünnen elektrisch leitenden Schicht aus, die als Wellenleiter dient. Am Ende der Röhre installierten die Forscher eine Antenne, die via Wellenleiter einerseits den Radiopuls an die Wasserstoffatome im Gewebe aussendet und auf dem gleichen Weg die Resonanzsignale empfängt. Die Platz raubenden Spulen sind nun überflüssig.

Und es funktioniert. Die modifizierte MRI-Anlage lässt nicht nur mehr Platz frei in der Röhre, sie liefert auch besser ausgeleuchtete Bilder als mit den herkömmlichen Detektoren. Das prestigeträchtige Wissenschaftsmagazin «Nature» hat vergangene Woche die Details publiziert. Auch Klaas Prüssmann, David Brunners Doktorvater, ist begeistert. «Dass man MRI-Signale mit einer Antenne und in so grossem Abstand vom Körper empfangen kann, war bis anhin undenkbar, das ist ein Paradigmenwechsel», sagt er.

Bei alledem bleibt David Brunner auf dem Boden der Realität. «Natürlich freut es mich, dass meine Arbeit derart grosse Beachtung findet», meint er. Schliesslich hat nicht jeder Doktorand das Glück, gleich einen solchen Hit zu landen. Vereinzelt werden MRI-Untersuchungen an Patienten bereits mit der modifizierten Detektor-Technik durchgeführt. Bis die Innovation im klinischen Alltag ankommt, könnte es aber noch dauern. Denn – da sind sich Brunner und sein Doktorvater einig – «die Kosten für die benötigten starken Magnete sind leider noch zu hoch». Aber das kann sich ja ändern. Fürs erste hat David Brunner sowieso anderes im Kopf: Er muss sich erst mal auf seine Doktorprüfung vorbereiten.

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