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Bildungspolitik

Mit Mathematik schneller lesen lernen

Mit Hilfe von Algorithmen und einem speziellen Computerprogramm wollen amerikanische Pädagogen Erstklässlern das Lesen und Schreiben schneller beibringen. Die Methode scheint im US-Bundesstaat Florida zu funktionieren. Wer weder lesen noch schreiben kann, bleibt aussen vor in der Informationsgesellschaft. Doch obwohl der heutige Mensch verloren ist ohne Basiskenntnisse im Textverstehen, ist bis heute die Methode nicht gefunden worden, wie man einem Kind die Schrift am leichtesten nahe bringt – vielleicht gibt’s die auch gar nicht. Zwar steht das Büffeln des Alphabets sicher am Anfang jedes Leseversuchs. Doch hilft dies nicht viel weiter, sobald auch nur ein Wort gelesen werden soll, weil der Buchstaben-Name, zum Beispiel «Be», oft nicht mit dessen Lautwert («B») übereinstimmt.

«DIE RECHTE WEIS» Der deutsche Grammatiker Valentin Ickelsamer hat diesen Stolperstein zu Beginn des 16. Jahrhunderts mit seinem Werk «Die rechte Weis, auffs kürtzist lesen zu lernen» aus dem Weg geräumt. Darin trat er ein für die «Lautiermethode», gemäss der jeder Buchstabe des Alphabets mit seinem tatsächlichen Lautwert ausgesprochen wird. Jetzt können die Lernenden beim Lesen einzelne Laute aneinander reihen und die Aussprache eines Wortes aus den Lautwerten der betreffenden Buchstaben herleiten.

Eine andere, allerdings selten angewandte und nicht sehr effiziente Methode zielt darauf ab, dem Schüler vollständige Wörter ins Bildgedächtnis einzuprägen. Weit verbreitet ist heute dafür die Verwendung von Anlauttabellen. Dabei wird jedem Buchstaben ein Gegenstand zugeordnet, dessen Name mit dem entsprechenden Laut beginnt. So wird unter «A» eine Ameise oder ein Affe abgebildet, unter «F» ein Fisch. Auch «Pf»erd und Ri«ng» können sich die ABC-Schützen auf diese Weise leicht merken. Sitzen erst einmal die Worte, dann gilt es Sinn und Zusammenhang innerhalb des Satzes – und darüber hinaus – zu erarbeiten. Das ist nochmals eine ganz andere Geschichte.

MIT ALGORITHMEN Den vielen Empfehlungen, wie Kindern das Lesen und Schreiben am effizientesten beigebracht werden kann, fügen jetzt amerikanische Schulpsychologen um Carol McDonald Connor eine weitere hinzu. Im Wissenschaftsmagazin «Science» beschreiben sie, wie Erstklässlern im US-Bundesstaat Florida mit Hilfe eines Computerprogramms mit der Bezeichnung A2i («Assessment-to-Instruction») das Leben respektive Lesenlernen leichter gemacht wird.

Dabei geht es, so betonen die Autoren des Berichts, nicht um die Propagierung einer neuen Lernmethode. Vielmehr will man bloss die heute üblichen Methodik-Ansätze optimaler einsetzen. Und etwa die Tatsache nutzen, dass das individuelle Lernverhalten von Schüler zu Schülerin variiert und der Erfolg für Lehrende wie Lernende dann am grössten ist, wenn der Unterricht den individuellen Besonderheiten eines jeden einzelnen Kindes angepasst wird.

Hierzu wurden die Lernmethoden aufgeteilt in die Kategorien «Wortlesen» und «Bedeutung erkennen» sowie «Lehrer zentriertes Lernen» und «selbstständiges Arbeiten oder Lernen in Gruppen». Der gesamte Lernprozess wurde in Algorithmen, in nicht weiter teilbare Grundoperationen herunter gebrochen. So kann das Programm A2i einerseits die Lernfortschritte der Kinder bis ins letzte Detail analysieren und andererseits den Lehrpersonen Tipps geben, wie dem Schützling am besten weiter geholfen wird: Ob er jetzt intensiver vom Lehrer direkt betreut werden sollte oder in der Gruppe unter Mitschülern besser aufgehoben ist. Oder ob es beim Buchstabieren klemmt oder bei der Fähigkeit, Sinn und Zusammenhang innerhalb eines Satzes zu erkennen.

UM PROZENTE SCHNELLER Das tönt kompliziert und ist es wohl auch. Dafür können die Forscher erste Erfolge vermelden: Erstklässler lernten gegenüber Kontrollgruppen um einige Prozente schneller Lesen und Schreiben, wenn das Lernen vom A2i-Programm begleitet wurde, schreiben sie in «Science». Wobei Carol McDonald Connor einräumt, das positive Resultat könnte zumindest teilweise dem Umstand zuzuschreiben sein, dass die Lehrer selber dank der Arbeit mit dem A2i-Programm besser wurden, besser und engagierter unterrichteten. Das wäre ja auch gut, aber weiter nicht verwunderlich. «Docendo discimus», indem wir lehren lernen wir, hat ja schon der römische Philosoph Seneca gewusst.

Science Vol 315, 26. Januar 2007

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