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Medizin

Medikamente können bei der Nikotinentwöhnung helfen

«Im Alleingang sind die Chancen gering»

Wie schwer es ist, mit dem Rauchen aufzuhören, weiss jeder, der es schon mal versucht hat. Klappen kann es allenfalls unter ärztlicher Aufsicht und unterstützt durch Medikamente. Ein Wundermittel für Entwöhnungswillige gibt es jedoch nicht. Mit dem Rauchen aufhören? «Nichts leichter als das», soll der amerikanische Schriftsteller Mark Twain zu seiner Zeit geprahlt haben. «Ich habe es hundert Mal geschafft». Was als stehender Witz Eingang in die Zitatenbücher gefunden hat, ist jedoch für viele nikotinabhängige Zeitgenossen bitterer Ernst. Den guten Vorsatz zu fassen ist das eine. Ihn auch zu halten und dauerhaft loszukommen vom Glimmstängel, ist dagegen eine ganz andere Geschichte.

«Die Chancen, dass jemand nur auf sich gestellt und ohne professionelle Hilfe dauerhaft loskommt vom Rauchen, sind klein», bestätigt Corinne Weber im Gespräch mit der baz. Sie arbeitet als leitende Ärztin an der Zürcher Höhenklinik Wald, wo ein ärztlich kontrolliertes Programm zur Nikotinentwöhnung angeboten wird. Jährlich versucht etwa ein Drittel aller Raucher, mit dem Tabakkonsum aufzuhören. «Aber ohne Unterstützung bleiben innert Jahresfrist nur etwa ein bis zwei Prozent bei der Stange», weiss Weber. Ein bisschen besser sei die Bilanz nach einer «Kurzintervention», einem kurzen, aber ernsthaften Beratungsgespräch mit dem Arzt: Dann halten schon vier bis fünf Prozent durch. Im Schnitt 15 Prozent der frisch entwöhnten Raucher bleiben sodann laut Statistiken des Bundesamtes für Gesundheit mindestens ein Jahr abstinent, wenn die Nikotinsucht und die bei einem Rauchstop auftretenden Entzugssymptome zusätzlich mit Hilfe von Medikamenten angegangen werden.

«Dazu muss man sagen, dass das Nikotin im Tabak zwar süchtig, aber kaum direkt krank macht», räumt Corinne Weber ein. «Nicht Nikotin, sondern die Verbrennungprodukte der Raucherwaren verursachen Krebs». Nikotin allein wirke als «Nervengift» bei Erwachsenen erst in hohen Dosen (etwa 60mg) tödlich (bei Kleinkindern können bereits die in einer Zigarette enthaltenen zehn Milligramm ernsthafte Vergiftungen verursachen). Aber weil Nikotin nahe verwandt ist mit körpereigenen Nervenbotenstoffen, kann es im ganzen Körper verteilt an die entsprechenden Rezeptoren andocken, etwa auch im Kreislaufsystem und im Magen-Darm-Trakt. Und natürlich vor allem im dopaminergen System des Gehirns, im «Lustzentrum», was die Suchtwirkung der Substanz erklärt. «Nikotin beruhigt, erhöht die Konzentration und gibt ein gutes Gefühl», fasst Corinne Weber zusammen. Doch weil diese angenehme Wirkung nur kurze Zeit anhält, ist der nächste Griff zur Zigarettenpackung jeweils bereits vorprogrammiert.

Medikamente können helfen, diesen Teufelskreis zu durchbrechen. In der Schweiz sind zu diesem Zweck drei Substanzklassen zugelassen. Erstens einmal kann man das Nikotin aus der Zigarette ersetzen und dem Körper über Pflaster, Inhalationssysteme, Tabletten oder Kaugummis zuführen. Damit werden die lästigen Nikotin-Entzugssymptome wie Verstopfung, Gereiztheit und depressive Verstimmung vermieden, die es so schwer machen, mit dem Rauchen aufzuhören. «Solche Nikotin-Ersatzgaben helfen wirklich, das ist mit Statistiken gut belegt», sagt Corinne Weber.

Gute Erfahrungen hat die Ärztin auch mit Zyban gemacht, das wie ein modernes Antidepressivum wirkt, die Lust aufs Rauchen vermindert und die Stimmungslage stabilisiert. «Es muss regelmässig eingenommen werden und funktioniert nicht bei allen Entwöhnungswilligen, aber man kann das Medikament mit Nikotinersatz kombinieren.» Seit Anfang Jahr ist in der Schweiz noch ein weiterer Wirkstoff zur Hilfe bei der Nikotinentwöhnung zugelassen, Champix (Vareniclin). Diese Substanz wirkt an den Nikotinrezeptoren selber, sodass es dann weniger Entzugssymptome gibt, wenn dem Körper der Suchtstoff vorenthalten wird. Und wer dann trotzdem raucht, dem bringt die Nikotinzufuhr keinen Genuss, weil die entsprechenden Rezeptoren bereits besetzt sind durch Vareniclin-Moleküle. «Das scheint zu funktionieren», weiss Corinne Weber aus Erfahrung.

Aber Wundermittel seien all diese «Rauchstopp-Medikamente» nicht, relativiert die Ärztin. Das komme auch daher, dass die Rauchsucht nur zum Teil pharmakologisch, also durch die Wirkung von Nikotin bedingt ist. Der Rest ist schlicht Gewohnheit, man raucht aus Langeweile, um Nervosität zu überdecken oder weil es innerhalb der Gruppe als cool gilt.

Diese Mechanismen können mit Medikamenten schwer durchbrochen werden, da ist die beratende Ärztin gefordert. «Auf dem Weg zum Nichtrauchen unterscheidet man sechs Stadien», zählt Corinne Weber auf: In einer ersten Phase will der oder die Betroffene gar nicht aufhören, mit der Zeit setzt sich die Erkenntnis durch, «man sollte vielleicht doch …», im dritten Stadium wird der gute Vorsatz gefasst, in vier Wochen aufzuhören, bis in der Phase vier tatsächlich Schluss gemacht wird und die ersten sechs Monate rauchfrei durchgehalten sind. In der Phase fünf geht es um das längerfristige Durchhalten ohne Nikotin und schliesslich in Phase sechs um den Umgang mit einem möglichen Rückfall. «Das ist in der Regel ein langer Weg», weiss Corinne Weber. «Und jeden einzelnen Schritt dahin werten wir schon als Erfolg.»

In der Tat scheint die Ärztin mit ihrem Entwöhnungprogramm ziemlich erfolgreich zu sein. 30-40 Prozent der rund 400 Patienten, die in den vergangenen vier Jahren zu ihr in die Nichtraucherschule kamen, blieben bis mindestens sechs Monate nach Spitalaustritt abstinent. Das ist mehr, als laut BAG-Statistik zu erwarten gewesen wäre. «Wir haben hier in der Rehabilitationsklinik natürlich eine günstigere Situation», erklärt sie sich diesen Erfolg. «Wer bei uns landet, ist besonders motiviert, von der Sucht loszukommen. Denn sie oder er hat – oft als Folge des Rauchens – eben ein dramatisches gesundheitliches Ereignis durchlebt.» Eine glückliche Konstellation also – zumindest für die Sache des Nichtrauchens.

Box: Nikotin ist ein so genanntes Alkaloid, das in Nachtschattengewächsen und vor allem in den Blättern der Tabakpflanze mit einem Gewichtsanteil von bis zu fünf Prozent vorkommt. Im menschlichen Blutkreislauf fördert die Substanz die Ausschüttung der Nervenbotenstoffe Adrenalin, Serotonin und Dopamin. Nikotin wird innert Sekunden durch die Schleimhäute im Mund und in der Lunge aufgenommen im menschlichen Körper schnell wieder abgebaut. Deshalb ist das Suchtpotential sehr gross, etwa vergleichbar mit demjenigen von Kokain und Heroin. Im Rauch einer Zigarette findet sich etwa ein Milligramm des Genussmittels. Wieviel davon jeweils tatsächlich in den Blutkreislauf gelangt, hängt jedoch zu einem guten Teil von der Rauchtechnik ab.

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