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Gesundheitspolitik

Jetzt darf auch der kleine Mann

Seit Anfang 2007 können sich 300 000 in Südbaden und in den beiden Basel wohnende Allgemeinversicherte jenseits der Grenze in Spitalpflege begeben – wenn sie dies denn wollen. Grosses Interesse am kleinen Gesundheits-Grenzverkehr haben vorab Schweizer Krankenkassen. Sie erhoffen sich beträchtliche Einsparungen vom grenzübergreifenden Spitalabkommen und lassen sich daher einiges einfallen, um Schweizer Patienten ins nahe Deutschland zu locken. Bis anhin galt strikt das Territorialprinzip: Ein Spitalaufenthalt wurde den Allgemeinversicherten von den Krankenkassen nur vergütet, wenn die Leistung innerhalb der Schweiz erbracht wurde. Ausnahmen gabs höchstens in Notfällen oder eben für Patienten, die eine Zusatzversicherung abgeschlossen hatten. So erfreuen sich vorab die Rehabilitationskliniken in Südbaden bei gutbetuchten Schweizer Patienten immer grösserer Beliebtheit. Über 100 zusatzversicherte Schweizer Patientinnen und Patienten haben sich 2006 in Bad Säckingens Park-Klinik gesund pflegen lassen, sagte etwa deren Geschäftsführer Peter Gaupp in der «Basler Zeitung».

«Grenzenlose Gesundheit»

Bald werdens noch mehr sein. Denn mit dem Segen von Bonn und Bern ist auf Jahresbeginn ein dreijähriges Pilotprojekt gestartet worden, mit dem die «grenzenlose Gesundheit» geprobt werden soll. Demnach werden die am Projekt beteiligten Krankenkassen auch Grundversicherten den Spitalaufenthalt jenseits der Grenze vergüten. Vorab Schweizer Kassen sind interessiert am Probelauf, versprechen sie sich doch gemäss inoffiziellen Angaben Einsparungen von gegen 2000 Franken pro Fall.

Zückerchen für Versicherte

Entsprechend werben die Schweizer Kassen bei ihren Versicherten mit Zückerchen für südbadische Kliniken: Wer «nach drüben» ins Spital geht, darf als Allgemeinpatient oft im Einzelzimmer liegen, der Transport hin und zurück ist im Preis inbegriffen oder es winken dem Willigen gar 1000 Franken in bar. Doch beschränkt sich das Angebot nicht auf den Rehabilitationsbereich, auch Südbadens Akutspitäler öffnen sich gerne den Schweizer Drittklasspatienten. So ist – gleichsam ausser Konkurrenz – bereits vergangen Dezember eine Schweizer Allgemeinversicherte in Rheinfelden glücklich niedergekommen. Und eine andere grundversicherte Patientin erhielt in Deutschland ein neues Hüftgelenk – es gehe ihr gut, lässt sie ausrichten.

Prinzipiell interessiert

Dies war wie gesagt bereits vor dem Start des Pilotprojekts. Ob und in welchem Ausmass Schweizer Versicherte vom neuen Angebot Gebrauch machen werden, ist noch offen. Die baselstädtische ÖKK, Marktleaderin auf dem Platz, rechnet im ersten Jahr mit 100 Patienten-Transfers. Bis Mitte Januar haben rund 30 Versicherte ihr prinzipielles Interesse an einer Behandlung in Deutschland angemeldet, war von ÖKK-Mediensprecher Hansruedi Huber zu erfahren. «Doch konkrete Kostengutsprachen haben wir noch keine gemacht.»

Der baselstädtische Gesundheitsdirektor Carlo Conti über das deutsch-schweizerische Spitalprojekt «Die Qualität der Behandlung ist sicher gestellt»

Medizinische Versorgung soll nicht Halt machen vor Landesgrenzen, findet der baselstädtische Gesundheitsdirektor Carlo Conti. Er war es denn auch, der das Pilotprojekt zur Spitalkooperation zwischen Südbaden und den beiden Basel aufgegleist hat. Und ja, er wäre glücklich, das Elsass als Dritten im Bunde begrüssen zu dürfen. Carlo Conti erläutert im Gespräch mit MedicalTribunePublic die Absichten, die hinter dem Projekt stecken.

Herr Regierungsrat Conti, treibende Kraft hinter dem Pilotprojekt zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Spitalbereich ist das baselstädtische Gesundheitsdepartement. Welche Absicht verfolgen Sie mit dem Projekt?

Regierungsrat Dr. Carlo Conti: Natürlich gewachsene Siedlungsstrukturen wie die Trinationale Region Basel sollen, wo immer möglich, nicht durch Landesgrenzen in ihrer Entwicklung behindert werden. Demgemäss soll sich der Regio-Gedanke auch im Gesundheitswesen stärker auswirken. Spitalleistungen sollen zum Wohl der Bevölkerung wohnortnah erbracht und in einem grenzüberschreitenden Konzept abgestimmt werden können.

Wie ist das Projekt gestartet? Gibt’s bereits erste Erfolgsmeldungen?

Mit der Zustimmung des Eidgenössischen Departements des Innern konnte das Pilotprojekt wie geplant am 1. Januar 2007 gestartet werden. Wie wir immer klar kommuniziert haben, betrachten wir das 1. Jahr des 3-jährigen Pilotprojekts als eigentliche Anlaufphase, während der primär die Möglichkeit der grenzüberschreitenden Inanspruchnahme von Spitalleistungen bekannt gemacht und so rasch wie möglich erste Behandlungen durchgeführt werden sollen. Erfolgsmeldungen gibt es insofern, dass dem Pilotprojekt per Mitte Januar 2007 bereits 18 Schweizer Versicherer und elf Krankenhäuser aus dem Landkreis Lörrach beigetreten sind.

Was hat der allgemein versicherte Patient davon, wenn er sich in Deutschland behandeln lässt?

Gewisse Leistungen, die wir im Kanton Basel-Stadt für unsere Bevölkerung nicht selbst erbringen (zum Beispiel Teile der Rehabilitation), können neu wohnortnäher im angrenzenden deutschen Ausland in Anspruch genommen werden. Ausserdem sieht der vom Bundesrat revidierte Artikel 36a der Verordnung zum Krankenversicherungsgesetz (KVV) vor, dass die Versicherer interessierten Patienten gewisse Vergünstigungen bei Selbstbehalts- und Franchisezahlung anbieten können. Wir können zum jetzigen Zeitpunkt allerdings noch nicht sagen, inwieweit die einzelnen Krankenkassen diese Möglichkeit tatsächlich auch ausschöpfen.

Ist eine gleichwertige Qualität der Behandlung garantiert?

Es liegen uns keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass die Qualität des deutschen Gesundheitssystems schlechter wäre als bei uns. Hinzu kommt, dass das Pilotprojekt vom Schweizerischen Gesundheitsobservatorium (Obsan) begleitet und wissenschaftlich ausgewertet wird. Dabei spielen auch Qualitätsaspekte eine entscheidende Rolle.

Können im Gegenzug auch in Südbaden wohnende Patienten vermehrt Spitäler in den beiden Basel aufsuchen?

Bereits vor Inkrafttreten des Pilotprojektes bestanden Kooperationen, welche es Patientinnen und Patienten aus dem Landkreis Lörrach erlaubt haben, gewisse Leistungen in Basler Spitälern, vor allem im Universitätsspital, in Anspruch zu nehmen. Derzeit laufen noch verschiedene Verhandlungen zwischen deutschen Versicherern und Schweizer Spitälern mit dem Ziel, das entsprechende Angebot für deutsche Patientinnen und Patienten zu erweitern.

Wie viele allgemein versicherte Patientinnen und Patienten können in der gesamten Region vom Angebot profitieren?

Gemäss dem aktuellen Stand des Beitrittsverfahrens können etwa 200 000 Einwohnerinnen und Einwohner der Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft sowie rund 100 000 Einwohnerinnen und Einwohner des Landkreises Lörrach die grenzüberschreitenden Leistungen in Anspruch nehmen. Da die entsprechenden Beitrittsverfahren für Versicherer und Leistungserbringer noch nicht abgeschlossen sind, werden diese Zahlen wohl noch ansteigen.

Ist ein ähnliches Spitalabkommen auch mit Kliniken im Elsass denkbar oder bereits in der Planung?

Wir haben bereits zahlreiche Gespräche mit Vertretungen und Delegationen aus Frankreich bzw. dem Elsass geführt und dabei stets betont, dass ein Einbezug des Elsasses in das Pilotprojekt von uns gewünscht und jederzeit möglich ist. Die zuständigen französischen Stellen müssen derzeit gewisse Anpassungen an ihrem eigenen Gesundheitssystem vorziehen, haben uns aber zugesagt, sobald als möglich in weiterführende Gespräche mit uns einzutreten.

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