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Erdbeben-Normen sollten obligatorisch sein

Damit die Gebäude nicht wie Kartenhäuser zusammenbrechen

Erdbebensicher zu bauen ist zwar möglich und verursacht kaum Mehrkosten. Doch haben bis heute nur die Kantone Basel-Stadt und Wallis die entsprechenden SIA-Normen als verbindlich erklärt. Dem Bund sind die Hände gebunden, es fehlt am Verfassungsauftrag. Die gute Meldung war Ende August in der baz zu lesen: Für gut 3,5 Millionen Franken soll die alte Fahrzeughalle der Basler Feuerwehr erdbebensicher umgebaut werden. Gummilager, die wie Stossdämpfer zwischen Keller und Erdgeschoss eingebaut werden, sollen es richten. Was die Feuerwehr noch vor sich hat, ist beim Klinikum 1 des Universitätsspitals bereits verwirklicht. Das aus dem Jahr 1946 stammende ehemalige Bürgerspital wurde 1994 bis 2002 vollständig saniert und dabei auch gegen Erdbeben gerüstet. «Das Problem war, dass der etwa 200 Meter lange Bau in mehrere Abschnitte aufgeteilt war, mit Fugen dazwischen. Bei einem Erdbeben wären die einzelnen Gebäudeteile ins Schwingen geraten und hätten einander zerstören können», erinnert sich der Architekt Werner Vetter. Er war damals im Baudepartement verantwortlich für die Gesamtsanierung und hat zusammen mit Bauingenieuren eine Lösung gefunden für das Problem: Die Fugen wurden mit stählernen Ankern verklebt und auch die Treppenhäuser mit Stahlbändern versteift.

Was kompliziert und aufwändig tönt, ist es auch. Tatsächlich ist die nachträgliche «Erdbebenertüchtigung» (so nennen das die Fachleute) bestehender Gebäude nicht einfach und vor allem nicht billig. Trotzdem werden im Kanton Basel-Stadt Gebäude, die der lebenswichtigen Infrastruktur dienen, systematisch auf Erdbebensicherheit überprüft und wenn nötig gemäss den Richtlinien des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins (SIA) saniert.

Diese SIA-Normen müssen seit 2001 auch Privatpersonen beachten, die ein neues Gebäude hochziehen oder einen Altbau von Grund auf erneuern wollen. Punkto Bauvorschriften zur Erdbebensicherheit ist der Kanton Basel-Stadt also zusammen mit dem Wallis schweizweit vorbildlich. Bereits im Baselbiet ist die Situation anders – als ob Erdbeben Kantonsgrenzen respektierten: «Wir täten es zwar gerne, aber momentan haben wir noch keine gesetzliche Grundlage, die Einhaltung der SIA-Normen für erdbebensicheres Bauen durchzusetzen», sagt Roman Mayer von der Bau- und Umweltschutzdirektion in Liestal.

Damit ist der Kanton Basel-Landschaft in bester Gesellschaft. Zwar ist die Erdbebengefahr unbestritten das bedeutendste Risiko, das von Naturgefahren ausgeht, nicht nur in Basel und im Wallis. Schätzungsweise 90 Prozent aller Gebäude in der Schweiz sind jedoch ungenügend geschützt. Die meisten Kantone kümmert dies aber nicht gross. Und dem Bund, der uns zwar vor Lawinen, Hochwasser, Vogelgrippe und anderen vergleichsweise tragbar erscheinenden Risiken schützen darf, sind die Hände gebunden. Vorstösse im Parlament, den Erdbebenschutz per Verfassung zur Bundessache zu erklären, hatten bis heute keine Chancen.

Dafür hat «Bern» seit 2000 damit begonnen, seine Hausaufgaben zu machen. Seitdem müssen neue Bundesbauten gemäss den geltenden Normen der Erdbebenvorsorge errichtet werden. 300 Gebäude der Eidgenossenschaft und 3000 Nationalstrassenbrücken wurden systematisch auf ihre Erdbebensicherheit überprüft. Und ja, auch das Bundeshaus, das gegenwärtig einem Facelifting unterzogen wird, soll bei dieser Gelegenheit erdbebensicherer gemacht werden. Gut zu wissen.

Was getan werden kann und muss

Die Empfehlungen für erdbebensicheres Bauen richten sich danach, in welche Erdbebenzone ein neues Gebäude zu stehen kommt, ob auf Fels (gut) oder auf Sand und Schotter (riskant) gebaut wird und ob das Haus normal genutzt werden soll oder etwa – wie ein Spital gerade im Katastrophenfall – eine lebenswichtige Infrastrukturfunktion hat.

Falls die Überlegungen zur Erdbebensicherheit von Anfang an ins Projekt eingebracht werden und die Zusammenarbeit zwischen Architekt und Bauingenieur klappt, werden die Erdbebenschutz-Massnahmen kaum mehr als ein Prozent der Bausumme ausmachen. Beachtet werden müssen dabei das Schwingungsverhalten der Bau- und Tragwerke sowie die elastischen Eigenschaften der Baumaterialien unter zyklischer Hin- und Her-Bewegung. Tabu sind «weiche» Geschosse, die bloss mittels Säulen abgestützt sind. Diese können knicken, wenn horizontale Kräfte auf sie wirken, das Gebäude sieht dann nach einem Erdbeben aus wie eine Crèmeschnitte. Dem kann der Einbau von je einer Stahlbetonwand pro Haupt-Schwingungsrichtung vorbeugen. Auf gleiche Weise können auch Backsteinbauten versteift werden.

Bei einem Erdbeben besteht erhebliche Verletzungsgefahr durch herunterfallende Unterdecken und Beleuchtungskörper. Sie müssen daher mit Verankerungen befestigt werden, die neben dem Gewicht der Baukörper zusätzlich horizontale und vertikale Kräfte aufnehmen können, wie sie bei einem Beben zu erwarten sind.

Erdbebensicheres Bauen beschränkt sich nicht nur auf die Gebäudehülle. Die Installationen, etwa Gas- und Fernwärme-Zuleitungen sollten ebenfalls einiges aushalten können. Sie müssen besonders in lebenswichtigen Infrastrukturbauten elastisch aufgehängt werden, damit sie nicht brechen. Denn ausströmendes Gas oder Dampferuptionen können todbringend sein wie das Erdbeben selber.

Erdbebenschutz beginnt aber auch bereits in den eigenen vier Wänden. Hohe Kästen und Regale sollten gut an den Wänden befestigt werden. Denn was bringt es, wenn das Haus nach einem Erdbeben zwar noch steht, die Bewohner jedoch vom Büchergestell erschlagen wurden?

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