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Gesundheitspolitik

Den Patienten zum Reden und den Arzt zum Schweigen bringen

Die Kunst der Gesprächsführung in der Hausarztpraxis

Die Ergebnisse der Studie «Gesprächsführung in der Hausarztpraxis» präsentierte Prof. Peter Tschudi anlässlich seiner Antrittsvorlesung als erster Professor für Hausarztmedizin an der Universität Basel. Das Fazit: Manchmal redet der Arzt immer noch zu viel. Von der Förderung der «Gesundheitskompetenz», nämlich der Fähigkeit des Einzelnen, im Alltag Entscheidungen für seine Gesundheit zu treffen und entsprechend zu handeln, versprechen sich die Gesundheitspolitiker einiges. Hat doch das Berner Büro für Arbeits- und sozialpolitische Studien BASS errechnet, dass mangelnde Gesundheitskompetenz der Patienten das Gesundheitswesen jährlich rund 1,5 Milliarden Franken kostet. Da liegt immerhin ein Einsparungspotential von drei Prozent drin.

Verwirrt au hohem Niveau

Nun ist wohl unbestritten, dass nur der gut informierte Patient kompetent handeln kann. Doch woher bezieht dieser seine Informationen? Aus Printmedien, dem Gespräch mit dem Arzt und aus dem Internet, und zwar in dieser Reihenfolge. «Der Hausarzt ist also sehr schön eingebettet zwischen Printmedien und Internet», meinte Prof. Tschudi mit einem Augenzwinkern. Er trägt damit jedoch beileibe nicht die Nummer Zwei auf dem Rücken. Denn laut einer Erhebung aus dem Jahr 2007 beurteilt nur etwa ein Viertel der Befragten die Informationen in den Medien als leicht verständlich, der Rest bleibt verwirrt, wenn auch auf hohem Niveau.

127 Konsultationen analysiert

So sind denn wiederum die Hausärztin und der Hausarzt als Kommunikator gefragt. Wie sie und er das Problem angehen, wurde in der Studie «Gesprächsführung in der Hausarztpraxis» vom Institut für Hausarztmedizin IHAMB untersucht. Dazu wurden in zwölf Hausarztpraxen in der Region Basel 127 Konsultationen auf Tonband aufgenommen und sekundengenau analysiert. Die Auswertung der 27 Stunden Gesprächzeit zeigte, dass zwar in Einzelfällen die Gesprächsführung immer noch beim Arzt liegt und der Patient kaum zu Wort kommt. «Da braucht es Interventionen, den Patienten zum Reden und den Arzt zum Schweigen zu bringen», kommentiert Prof. Tschudi.

Wechselrede an erster Stelle

Im allgemeinen jedoch spielen die «abgehorchten» Hausärzte ihre Rolle als Kommunikator gut: Geredet wird während 90 Prozent der Konsultations-Dauer, die Redezeit der Patienten ist länger als diejenige der Ärzte und die häufigste Kommunikationsform ist mit 30 Prozent der beanspruchten Zeit nicht der Monolog, sondern die Wechselrede. Im übrigen dauert die Konsultation in der Hausarztpraxis im Schnitt 13 Minuten (gegenüber 7,5 Minuten während einer Spitalvisite) und wird zu 50 Prozent (im Spital zu 34 Prozent) durch den Patienten bestritten.

Ob Letztere dies tatsächlich auch wünschen, ist eine andere Frage. Hat doch die Artimes-Studie über die Patienten-Zufriedenheit ergeben, dass zwei Drittel der Befragten finden, der Arzt solle die Gesprächsführung übernehmen. Offenbar müssen nicht nur einige Ärzte, sonder auch die meisten Patienten punkto Kommunikation noch dazulernen.

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