Eine Forschungsarbeit hiesiger Physiker bringt den Quantencomputer der Realisierung näher
Er soll einmal alles besser und schneller können, der Computer, der gemäss den Gesetzen der Quantenmechanik arbeitet. Nur existiert die Wundermaschine bis jetzt bloss in den Köpfen der Physiker. Die Basler Hans-Andreas Engel und Daniel Loss haben ein Konzept erarbeitet, das den Quantencomputer möglicherweise machbar macht. «Damit könnte ein Quantencomputer vielleicht schon bald realisiert werden»: Beinahe begeistert äussert sich der Kommentator im Magazin «Science» diese Woche zur Arbeit von Hans-Andreas Engel und dessen Doktorvater Daniel Loss, Ordinarius für theoretische Physik an der Universität Basel. Die beiden Physiker hätten ein Prinzip beschrieben, mit dem Informationen aus den kleinsten Bausteinen eines Quantencomputers abgelesen werden können – ohne dabei deren Funktionsfähigkeit zu stören. «Stimmt», bestätigt Daniel Loss gegenüber der baz. «Wir haben berechnet, dass das in der Praxis funktionieren müsste.» Und ist überzeugt, dass seine Berechnungen bald durch Experimente bestätigt werden.
Vorstoss in die Nanowelt
Doch blenden wir zurück. Immer kleiner werden die Schaltkreise, die sich auf den modernen Computerchips drängen. Bald einmal wird die Miniaturisierung so weit fortgeschritten sein, dass man in den Nano-Bereich von atomaren oder gar subatomaren Partikeln vorstösst. Mit solchen Mini-Teilchen einen Rechner zu bauen, ist verlockend. Damit würde selbst ein Grosscomputer auf Taschenformat schrumpfen, Materialaufwand und Energieverbrauch würden vernachlässigbar. Eine Hürde bleibt allerdings zu nehmen: In dieser Kleinstwelt haben die Gesetze der klassischen Physik und unserer Alltagserfahrung keine Gültigkeit mehr. Da herrschen die Regeln der Quantenmechanik, die sich zwar herkömmlicher Logik oft entziehen, aber gerade deshalb hilfreich sein könnten bei der Lösung komplizierter Rechenprobleme.
Fürs Quantenrechnen lassen sich im Prinzip viele Teilchen einsetzen, ganze Atome, Photonen oder auch Elektronen. Letztere sind uns in freier Form durch einen Draht geleitet als elektrischer Strom vertraut oder vielleicht noch aus dem Chemieunterricht ein Begriff als negativ geladene Teilchen, die um Atomkerne rumkurven. Neben ihrer Ladung und ihrer (geringen) Masse besitzen Elektronen aber auch einen Spin, eine quantenmechanische Grösse, die grob vereinfacht als Drehimpuls verstanden werden kann. In der klassischen Physik zeigt dieser Spin immer nach oben oder nach unten, in der «verrückten» Quantenwelt dagegen kann er gleichzeitig ein wenig nach unten oder nach oben gerichtet sein. Er könnte als Quantenbit (Qubit) dienen, als kleinste Info-Einheit eines Quantencomputers.
Gesprächige Elektronen
Daniel Loss und dessen bei IBM arbeitender Kollege David DiVicenzo haben schon vor acht Jahren berechnet, dass sich zwei isolierte Elektronen, die über ihren Spin miteinander kommunizieren, als einfachste Rechnerzelle nutzen lassen könnten. «Die Experimentatoren haben damals die Hände verworfen, nur schon die Isolierung und Fixierung zweier freier Elektronen sei nicht realisierbar», erinnert sich Daniel Loss. Heute ist dank dem inzwischen verfeinerten Instrumentarium der Nano-Ingenieure genau dies möglich: Auf einer Unterlage aus Gallium-Arsenid, einem heute schon gebräuchlichen Halbleiter-Material, werden zwei künstliche Wasserstoff-Atome fixiert. Die Kerne werden weggelassen und die Elektronen durch elektrisch geladene Gitter am Wegfliegen gehindert. Quantenpunkte nennen die Physiker dieses Arrangement. In diesem 2-Qubit-System kommunizieren die beiden Elektronen über ihre jeweiligen Spinzustände miteinander, als kreisten sie in einem Wasserstoffmolekül. Wird der Spin des einen Teilchens manipuliert, merkt dies der Konterpart und reagiert darauf. Verschränkung heisst das im Fachjargon, und darauf beruht die Rechenfähigkeit des von Loss und DiVincenzo vorgeschlagenen Quantencomputer-Prinzps.
Der Vorteil einer solchen Anordnung liegt auf der Hand: Auf dem Halbleitermaterial können theoretisch beliebig viele künstliche Wasserstoffmoleküle hintereinander zusammengeschaltet werden. Daniel Loss schätzt, dass 100 000 bis eine Million solcher Quantenpunkte genügten, um das Herzstück eines Quantencomputers zu bilden, das dann gerade mal einen Zentimeter messen würde. Doch was nützt der schnellste Computer, wenn man das Resultat seiner Berechnungen hinterher nicht ablesen kann? Genau dieses Problem stellt sich den Quantencomputer-Entwicklern. Denn das Ergebnis, das aus dem Rechenprozess resultiert, ist ja in den Qubits der Elektronenspins verborgen. Und die reagieren sehr empfindlich auf jeden Eingriff von aussen, wie sie eine Messung nun mal darstellt – der Rechenprozess kann empfindlich gestört werden.
Zerstörungsfreie Messung
Hier liefern nun die jüngsten Arbeiten von Engel (der inzwischen an der Harvard University als Postdoc angestellt ist) und Loss einen Lösungsvorschlag. Sie haben rechnerisch nachgewiesen, dass es in einer oben beschriebenen Nanostruktur möglich sein muss festzustellen, ob sich zwei benachbarte Qubits in demselben oder in einem unterschiedlichen Spin-Zustand befinden.
Paritätsmessung nennt sich dies und nutzt im konkreten Fall den Umstand, dass ein Magnetfeld die Energien der beiden Spin-Zustände kontrolliert. Dieses Magnetfeld ist aber beim linken und rechten Quantenpunkt unterschiedlich gross. Das wiederum hat zur Folge, dass die beiden Elektronen nur dann zwischen den beiden Quantenpunkten pendeln können, wenn deren Spins voneinander verschieden sind, andernfalls bleiben sie an ihrem ursprünglichen Ort. So wird die Information über den Spin-Zustand als räumliche Verteilung von Elektronen ausgedrückt, also als elektrische Ladungsverteilung. Und die wiederum lässt sich relativ einfach messen, ohne den Elektronenspin zu stören.
Theoretisch könnte Basel die Hauptstadt der Nano-Welt sein – Getrübte Freude
Eigentlich sollte Freude herrschen in der Basler Nano-Welt. Hat doch der Schweizerische Nationalfonds beschlossen, den Nationalen Forschungsschwerpunkt Nanowissenschaften (NCCR) unter Führung der Uni Basel weiterzuführen. 4,75 Millionen Franken pro Jahr lässt sich der Bund bis 2009 die Forschung im Bereich der Atome und Moleküle kosten.
Mit von der Partie sind die Forscher, die am hiesigen Departement Physik und Astronomie an der Entwicklung des Quantencomputers tüfteln. Die Arbeit der Teams um die Professoren Daniel Loss, Christoph Bruder und Christian Schönenberger hat weltweit Aufsehen erregt. Dies ist auch dem Rektorat nicht entgangen. Die Uni-Führung gab folglich der Bildung eines Kompetenzzentrums Quantencomputer (QC2) ihren Segen. Daniel Loss, der gegenwärtig auch als Vorsteher des Departements Physik wirkt, freut natürlich die Anerkennung durch die Uni-Obrigkeit. «Schliesslich finden unsere Publikationen international grosse Beachtung, werden noch häufiger zitiert als diejenigen des Biozentrums.» Doch ist die Freude nicht ungetrübt. Dass die Gründung des QC2-Kompetenzzentrums nichts kosten darf, damit könnte Daniel Loss ja noch leben. «Fakt ist jedoch, dass in den vergangenen acht Jahren die Anzahl der Physik-Professorenstellen von 15 auf elf reduziert wurde.» Gleichzeitig sei jedoch die Belastung durch Lehrverpflichtungen gestiegen. Besonders wurmt die Physiker, dass der zweite Astronomie-Lehrstuhl ersatzlos gestrichen und auch die Professur von Gian-Reto Plattner eingespart wurde. Worin besteht also unter dem Strich der Beitrag der Universität Basel an das Quantencomputer-Kompetenzzentrum? «Die Uni bezahlt wie bis anhin zwei Professorenstellen samt Ausstattung für theoretische Physik, den ganzen Rest holen wir über Drittmittel herein», rechnet Loss vor. Zwei Professoren, sieben Postdoc-Forscher und zehn Doktoranden werden bezahlt von Nationalfonds, NCCR und von Geldgebern aus den USA, der EU und neuerdings aus Japan. «Die Tatsache, dass wir von der ganzen Welt finanziert werden, beweist doch, dass wir gut sind», so Loss. Und kann seine Frustration nicht verbergen ob der Taktik der Uni-Leitung, Forscher, die Geldmittel von aussen beschaffen, mit Budgetkürzungen zu «belohnen».