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Gesundheit/Ernährung

Alkohol macht Fliegen schwul

Ob und wie stark Alkoholiker beim Entzug «auf den Affen kommen», wird von bloss vier Gen-Variationen bestimmt. Und regelmässiger Alkoholgenuss lässt Fruchtfliegenmännchen einander näher kommen: Zwei neue Studien zum Thema Alkohol. Von einer Sucht wieder weg zu kommen, ist nicht einfach. Das gilt auch für Alkohol-Kranke: So manche Entwöhnungskur ist schon an den unerträglichen oder gar lebensbedrohenden Entzugssymptomen gescheitert. «Immer noch sterben Alkoholiker unter Entzug an Komplikationen wie Delirium tremens und Krämpfen», so der Psychiater Philip Gorwood vom französischen Institut für Gesundheit und Forschung (INSERM). Es sei schwierig vorauszusagen, wer unter den Patienten besonders gefährdet ist. «Deshalb haben wir unser Augenmerk auf mögliche genetische Einflüsse gerichtet.»

Zusammen mit seinem Kollegen Frédéric Limosin ist Gorwood fündig geworden, wie in der Januar-Ausgabe der Zeitschrift «Alcoholism» nachzulesen ist. Die beiden Forscher gingen von der Beobachtung aus, dass Entzugssymptome meist dann in schwerer Form auftreten, wenn die körperliche und psychische Abhängigkeit vom Alkohol stark ausgeprägt ist. «Alkohol regt die vom Neurohormon Dopamin gesteuerten Hirnregionen an, wo gemäss unserem Wissen auch die Glücksgefühle entstehen. Deswegen haben wir das Dopamin-Transporter-Gen DAT-1 bei Alkoholkranken näher untersucht.»

Insgesamt 250 Alkoholkranke (175 Männer und 75 Frauen) in den Spitälern rund um Paris standen den Forschern zu Studienzwecken zur Verfügung. Rund ein Viertel unter ihnen wurde jeweils von schweren Krämpfen geschüttelt, sobald ihnen der Alkohol vorenthalten wurde. Bei allen Probanden wurde nach Polymorphismen auf dem DAT-1-Gen gesucht, nach Variationen in der DNA-Sequenz. Dabei konnten Gorwood und Kollegen vier solcher Polymorphismen mit dem Auftreten schwerer Entzugs-Krämpfe in Verbindung bringen. Nur vier kleine Sequenzvariationen entscheiden also darüber, ob Alkoholkranke während einer Entwöhnungskur in Lebensgefahr geraten oder nicht.

Weshalb solch kleine Ursache derart grosse Wirkung hat, vermögen die Forscher nicht zu sagen. «Vielleicht moduliert das Dopamin-Transporter-Gen die Erregungsschwelle im Gehirn und damit die Anfälligkeit für Krampfanfälle», mutmassen sie. Denkbar sei aber auch, dass Dopamin direkt oder indirekt noch auf andere Hirnzentren einwirkt.

Eine zentrale Rolle spielt das Neurohormon Dopamin auch in der Studie über Alkohol und Sexualverhalten bei Fruchtfliegen, über die eine Forschergruppe der Universität von Pennsylvania dieser Tage im Fachjournal Plos (Public Library of Science) berichtet hat. Ein Team um den Neurowissenschaftler Kyung-An Han hatte eine Population von Fruchtfliegen über Wochen Alkoholdämpfen ausgesetzt «und zwar in Mengen vergleichbar mit denen, die Gewohnheitstrinker zu konsumieren pflegen», präzisiert Han.

Er und sein Forscherteam machten einige Aufsehen erregende Entdeckungen: Wenn sie täglich einen kippten, begannen sonst strikt heterosexuell ausgerichtete Fliegenmännchen plötzlich ihre Geschlechtsgenossen zu umwerben. Und zwar war diese Änderung des Sexualverhaltens besonders bei älteren (zwei bis vier Wochen alten) Exemplaren ausgeprägt, vier Tage alte Jungspunde dagegen liessen sich in dieser Beziehung vom Alkohol weniger beirren.

Dass auch in diesem Fall wieder das Neurohormon Dopamin hineinspielte, konnten die Forscher mit einem eleganten Experiment nachweisen. Sie entwickelten transgene Fruchtfliegen, deren Dopamin-Zentren im Gehirn bei einer Erhöhung der Aussentemperatur auf 32 Grad vorübergehend ausgeschaltet wurden. «Unter diesen Bedingungen verloren auch angesäuselte Fliegenmännchen ihr Interesse am gleichen Geschlecht und blieben den Weibchen treu», schreibt Kyung-An Han. Dies sei ein Hinweis dafür, dass die homophilen Neigungen der trunkenen Fliegenmännchen vom Neurohormon Dopamin gesteuert werden.

Han geht noch weiter und suggeriert, dass seine Studie als Grundlage dienen könnte für die Erforschung alkoholbedingter Verhaltensänderungen auch beim Menschen. Nun, der Sprung von der Fliege zum Menschen scheint eher gewagt zu sein. Aber falls sich das Fliegenmodell auch nur im Ansatz auf den Homo sapiens übertragen liesse, müsste wohl dem Blauen Kreuz beitreten, wer weiterhin als gestandener Macho gelten möchte. Sicher ist sicher.

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