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Energiepolitik/-technik

AKW Fessenheim – vom Störfall zum Problemfall

Frankreich schneidet schlecht ab

Seine Atomkraftwerke – darunter auch Fessenheim – produzieren selten mit voller Last. Zwar ist Frankreichs Nukleartechnik Weltspitze und ohne Zweifel ein Exportschlager. Dagegen macht der einheimische A-Werk-Park im internationalen Vergleich eine eher schwache Figur. Unter anderem den häufigen Pannen ist es zuzuschreiben, dass französische A-Werke weniger Strom produzieren, als sie könnten. Das gilt auch für die beiden Blöcke in Fessenheim. Kaum ein anderes Land auf der Welt setzt zwecks Gewinnung von elektrischer Energie derart exklusiv auf die Atomkraft wie Frankreich. Im Jahr 2003 lieferten die 59 französischen Atomreaktoren 77,7 Prozent des im Land produzierten Stroms. Noch abhängiger von der Kernenergie ist bloss Litauen, dessen einziges A-Werk für knapp 80 Prozent der landeseigenen Elektrizitätsgewinnung aufkommt.Damit ist Frankreich nach den USA (104 Reaktoren) auch in absoluten Zahlen weltweit führend auf dem Gebiet der friedlichen Atomenergie-Nutzung, noch vor Japan mit seinen 54 Reaktoren. Das ist das Resultat einer zentral gesteuerten Energiepolitik, die insbesondere nach dem Ölschock von 1973 konsequent auf Atomkraft setzte. Rückgrat des französischen Atomprogramms war zunächst der Druckwasser-Reaktor (PWR, vgl. Box) mit einer elektrischen Leistung von rund 900 Megawatt. Dieser Einheitstyp ging als Premiere 1977 erstmals in Fessenheim in zweifacher Ausführung ans Netz und wurde danach in ganz Frankreich noch 32 Mal nachgebaut. Abgelöst wurde diese erste Generation 1984 durch den PWR 1300, der 24 Mal gebaut wurde – der jüngste Block lieferte 1999 erstmals Strom. Insgesamt operieren in Frankreich zurzeit also 58 Druckwasser-Reaktoren.

Brüter war ein Flop

Die 59. Einheit ist eine Spezialität: Frankreichs mit Jahrgang 1973 ältestes noch Strom lieferndes Kernkraftwerk «Phoenix» wird von einem Schnellen Brüter angetrieben, einem Reaktortyp, der im Idealfall mehr Plutonium-Brennstoff generiert, als er verbraucht. Im Zentrum der französischen Energiepolitik war ja das Bestreben, auf dem Gebiet der elektrischen Stromerzeugung vom Rest der Welt – und vor allem von den Ölscheichs – unabhängig zu werden. Das war ein wichtiges Argument für den Entscheid, elektrischen Strom künftig aus Uran statt aus Öl zu gewinnen. Nun besitzt Frankreich zwar einige Uranvorkommen, die für die Herstellung von Reaktorbrennstoff geeignet sind. Doch genügen die Mengen bei weitem nicht, auch Frankreich musste und muss unter normalen Umständen Uran importieren, um seinen Reaktorpark betreiben zu können.

Da schien die Brütertechnologie einen Ausweg zu bieten: Das in Reaktoren vom Typ Phoenix gewonnene Plutonium sollte zumindest teilweise die Druckwasserreaktoren mit Brennstoff versorgen, so die Absicht. Doch scheiterte dann der Versuch, das «Prinzip Phoenix» im Grossmassstab bei Creys-Malville nachzubauen. Zwar lieferte der «Superphoenix» ab 1986 immer mal wieder Strom ins Netz, aber die Anlage war pannenanfällig, entsprechend teuer im Betrieb und hatte mit politischem Widerstand zu kämpfen. Letztlich wurde die Brütertechnologie dann Opfer der langjährig tiefen Preise für die Primärenergiequellen Öl und Uran.

Teures Recycling

Aus demselben Grund hat auch eine weitere Pionierleistung französischer Nuklear-Ingenieure zu kämpfen: die kommerzielle Wiederaufbereitung. Dahinter steht die Idee des Recyclings: Statt die verbrauchten Brennelemente aus den Atomkraftwerken direkt ins Endlager überzuführen, werden die noch brauchbaren Brennstoff-Reste chemisch abgetrennt und zur Herstellung neuer Reaktor-Brennelemente verwendet. Als willkommener Nebeneffekt werden dabei auch das Volumen des strahlenden Abfalls und die Entsorgungskosten reduziert. Frankreich hatte damit als eines der ersten Länder den Brennstoff-Kreislauf geschlossen. Auch werden bereits seit den 70er Jahren im «Mausoleum» von Marcoule verglaste hoch radioaktive Abfälle zwecks Auskühlung aufbewahrt, aber wo der Strahlenmüll schlussendlich gelagert werden soll, darüber wird in Frankreich wie in anderen Ländern noch heiss diskutiert.

Mit halber Kraft

Frankreichs Leistungen auf dem Gebiet der Nukleartechnik zählen zweifelsohne zur Weltklasse. Umso mehr sticht ins Auge, dass das Land punkto Produktionszuverlässigkeit seines grossen A-Werk-Parks höchstens im Mittelfeld mitspielt. Das zeigt sich auch in der Anlage von Fessenheim, 34 Kilometer vor Basels Toren. Diese ersten Reaktoren der 900-MW-Klasse machten von Anfang an wegen einer Serie von Pannen Schlagzeilen (vgl. auch baz vom 21. Mai). Aber auch die übrigen französischen Kernkraftwerke produzieren nicht so viel Strom, wie sie eigentlich könnten.

Fessenheim weit hinten

Eine Möglichkeit, die Betriebszuverlässigkeit von Atomkraftwerken zu messen und mit der internationalen Konkurrenz zu vergleichen, ist der Auslastungsfaktor: Damit dieser hoch sein kann, muss – als erste Bedingung- die Anlage optimal funktionieren. Die Zeitschrift «Nuclear Engineering International» hat die Auslastungsfaktoren der weltweit in Betrieb stehenden Reaktoren zusammengetragen und eine Rangliste erstellt (Stand Juni 2004). In diesem Ranking schneiden die beiden Reaktoren in Fessenheim seit ihrer Inbetriebnahme nicht gut ab: Fessenheim-1 bringt es gerade mal auf Rang 308, die Schwesteranlage auf Rang 274 unter den 426 Reaktoren in der ganzen Welt. Der zuverlässigste französische Reaktor auf Rang 67 und mit einem Auslastungsfaktor von 82,1 Prozent ist gemäss dieser Liste Chooz B2. Zum Vergleich: Die Schweizer Atomkraftwerke rangieren mehrheitlich weiter vorn: Gösgen auf Rang 18, gefolgt von Beznau 2, Leibstadt, Mühleberg und Beznau 1 (Ränge 21, 27, 61 und 77).

Die Pannen-Statistik

Nun kommt es ja vor, dass nicht eine Panne dafür verantwortlich ist, dass ein Atomkraftwerk nicht unter voller Leistung gefahren wird, sondern die mangelnde Stromnachfrage. Die Internationale Atomenergie-Agentur führt daher noch eine andere Statistik. Darin wird für den Reaktorpark eines jeden Landes der «ungewollte Kapazitätsverlust-Faktor» aufgelistet, also der Prozentsatz Produktionseinbusse, für den Pannen verantwortlich gemacht werden müssen. Auch in dieser Statistik schneidet Frankreich über die Jahre 2001 bis 2003 mit 5,1 Prozentpunkten nicht besonders gut ab. Die Schweiz liegt in dieser Rangliste mit 0,5 Prozent ganz weit vorn, die USA bringen es auf 2,3 Punkte. Ein schwacher Trost für die französische Nuklearwirtschaft: Japan, der drittgrösste Reaktorbetreiber der Welt, hatte in diesem Zeitraum 10,3 Prozent Pannenverlust und der historische Rivale Grossbritannien gar 12,1 Prozentpunkte.

Reaktor selten Schuld

Doch muss man weiter differenzieren: Ungewollte Produktionsverluste in Atomkraftwerken sind nicht unbedingt von einer Panne in der Anlage selbst verursacht. Bereits geringe Spannungsschwankungen im Stromnetz beispielsweise können eine Schnellabschaltung des Reaktors auslösen. Und ein heisser Sommer hat automatisch einen schlechteren Wirkungsgrad zur Folge, weil das Kühlwasser dann relativ warm ist. Damit ist auch gesagt, dass die allermeisten Pannen in Atomkraftwerken zum Glück ausserhalb des nuklearen Bereichs auftreten und für die Bevölkerung keine Gefährdung darstellen. Anschauliches Beispiel ist da Leibstadt, das wegen seines Generatorschadens wohl noch Monate stillliegen und damit im Zuverlässigkeits-Ranking weit nach hinten fallen wird. Ein schlechtes Ranking bedeutet also noch lange nicht, dass im nuklearen Sektor geschlampt wird. Umgekehrt ist ein guter Auslastungsfaktor sehr wohl ein zuverlässiger Hinweis dafür, dass alle Komponenten eines Atomkraftwerks, Reaktor eingeschlossen, tadellos funktionieren.

Wie der Dampf für die Turbinen erzeugt wird – die beiden Typen

In Atomkraftwerken liefert heutzutage meist ein Leichtwasser-Reaktor (LWR) die zur Dampferzeugung notwendige Energie. Der Name kommt daher, dass leichtes (gewöhnliches) Wasser sowohl zur Moderation (Abbremsung) der Neutronen im Reaktorkern als auch zur Wärmeabfuhr benutzt wird. Man unterscheidet zwischen Siedewasser-Reaktoren (BWR) und Druckwasser-Reaktoren (PWR). Der Siedewasser-Reaktor, wie er etwa in Mühleberg und Leibstadt betrieben wird, heizt das Wasser wie ein Tauchsieder auf, der entstandene Dampf wird direkt auf die Turbine geleitet. Beznau 1 und 2 sowie Gösgen dagegen sind mit Druckwasser-Reaktoren ausgestattet. Deren Design ist insofern komplexer, als der Reaktor unter höherem Druck arbeitet und der Dampf in einem zweiten Kreislauf in so genannten Dampferzeugern gewonnen wird. Das hat unter anderem den Vorteil, dass der Dampf, der schliesslich die Turbine antreibt, nicht strahlenverseucht ist.

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