Basler Forscher haben herausgefunden, wie Empfangs- und Sendeantennen der Nervenzellen ein- und ausgeschaltet werden
Gleichgewicht ist alles im menschlichen Gehirn. Schon die geringste Balance-Verschiebung in der Aktivität der unterschiedlichen Nervennetzwerke kann zwischen «himmelhoch jauchzend» und «zu Tode betrübt» entscheiden. Eine wichtige Rolle in diesem Gleichgewicht der Kräfte spielen Botenstoffe, welche die Nervenzellen zu erhöhter Aktivität anregen – oder eben bremsen, als ob man einen Lichtschalter ein- oder ausknipste. Der wichtigste Brems-Stoff im Gehirn ist der Neurotransmitter GABA. Er verbindet sich auf der Nervenzellmembran mit zwei unterschiedlichen Rezeptoren, den GABAA- und GABAB-Rezeptoren. Erstere kennt man schon ziemlich gut, sie finden sich in fast allen Nervenzellen und haben die Aufgabe, diese nach einer Erregung, etwa nach stressigen oder beängstigenden Erlebnissen, wieder zu beruhigen. Bekannte Arzneien wie zum Beispiel Valium wirken an den GABAA-Rezeptoren und werden erfolgreich in der Therapie von Epilepsie, Panikzuständen und Schlaflosigkeit eingesetzt.
Im Gegensatz dazu sind die GABAB-Rezeptoren noch weniger gut erforscht. Erst vor knapp zehn Jahren ist es einer Forschergruppe um Bernhard Bettler bei Novartis gelungen, GABAB-Rezeptoren zu klonieren. Ein Jahr darauf konnte der Forscher nachweisen, dass zwei Untereinheiten von GABAB existieren, GABAB1A und GABAB1B, die bloss in 150 Aminosäuren variieren und sich pharmakologisch nicht voneinander zu unterscheiden schienen. Bald danach wurden auch Substanzen entwickelt, die an GABAB andocken und dort zumindest im Tiermodell angstlösende Wirkung zeitigen.
Diese Woche machte Bernhard Bettler, inzwischen Leiter des Instituts für Physiologie am Basler Departement Klinisch-Biologische Wissenschaften, mit zwei Publikationen in der Fachzeitschrift «Neuron» die GABAB-Rezeptoren erneut zum Gesprächsstoff. Gemeinsam mit dem an der Universität Bern tätigen Physiologen Matthew Larkum und zwanzig weiteren Forschern von Dänemark bis Japan hat er herausgefunden, wozu es die Untereinheiten GABAB1A und GABAB1B überhaupt braucht. An gemeinsam mit Novartis gezüchteten Gen- Mäusen konnten die Forscher zeigen, dass die beiden doch so ähnlichen Rezeptoren an komplett unterschiedlichen Orten auf den Nervenzellen sitzen und wirken. So sind die B1A-Typen auf den Axonen zu finden, die wie Sender Informationen an andere Neuronen weiter geben. Die Variante B1B dagegen ist auf den Dendriten lokalisiert, den Empfangsantennen der Neuronen, die Signale von anderen Nervenzellen einfangen. Dementsprechend sind die Funktionen der beiden Rezeptoren – trotz ihrer grossen Ähnlichkeit – sehr unterschiedlich.
Dieses Wissen um die unterschiedlichen Funktionen von B1a und B1b macht es nun theoretisch möglich, Medikamente zu entwickeln, die gezielt auf die Empfänger- und Sendeantennen der Nerven einwirken. Die neuen Erkenntnisse könnten damit vielleicht einmal bei der Behandlung von psychischen Erkrankungen und Demenzerscheinungen therapeutisch von Nutzen sein, erhofft sich Bernhard Bettler.