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Eine Familiensaga wird fortgeschrieben

Seit Generationen schlägt die Piccard-Familie alle Rekorde

Rekorde zu brechen, liegt ihm im Blut: Wenn Bertrand Piccard sich in drei Jahren mit seinem Solarflugzeug aufmacht auf den Flug um die Welt, bewegt er sich durchwegs in den Fusstapfen seiner Vorfahren. Dabei hat Bertrand Piccard seinem Namen bereits alle Ehre erwiesen: 1999 gelang ihm im dritten Anlauf zusammen mit Co-Pilot Brian Jones erstmals die Non-Stop-Umrundung der Erde im Heissluftballon. Gestartet war Breitling Orbiter 3 am 1. März in Château-d’Oex. Nicht 80, sondern knapp 20 Tage dauerte dann die Reise und endete nach 45 755 Kilometern in Ägyptens Wüste. «Es war ein unglaublich erhebendes Gefühl, lautlos und nur vom Wind getrieben über die Kontinente zu schweben», gab Bertrand Piccard später zu Protokoll. Es war übrigens diese Erdumrundung im Heissluftballon, die in Piccard die Idee keimen liesse, es nächstes Mal mit einem Flugzeug zu versuchen, das nur mit Sonnenenergie vorangetrieben wird. Ab dem Jahr 2012 soll es mit Solar Impulse so weit sein.

Pionier des Hängegleitens

Dass Bertrand Piccard wie sein Grossvater Auguste als Ballonfahrer in die Geschichte eingehen würde, war eigentlich so nicht vorgesehen. Zwar konnte er schon als Heranwachsender dank Familienbeziehungen seine Jugendidole, den Gletscherpiloten Hermann Geiger, den Flugpionier Charles Lindbergh und den Raketenkonstrukteur Wernher von Braun persönlich kennen lernen. Letzterer lud den jungen Piccard jeweils zu den Starts der Apollo-Mondmissionen ein und machte ihn mit vielen Astronauten bekannt. Doch zunächst bewegte sich Bertrand auf Ikarus’ Spuren und verschrieb sich den Hängegleitern und Ultraleichtflugzeugen. Er wurde europaweit zum Pionier dieser sanften Form der Aviatik und überquerte 1983 auch als erster die Alpen mit einem dieser fragilen Fluggeräte.

Mit Hypnose Extremsituationen gemeistert

Doch waren es nicht bloss Rekordsucht und der Nervenkitzel, die Bertrand Piccard an die Ultraleicht-Fliegerei fesselten. Für ihn war das Hängegleiten gleichsam auch ein Psychologie-Labor, in dem sich menschliches Verhalten in Extremsituationen trefflich studieren liess. Um sich ein tieferes Verständnis dieser «inneren Welt» des Menschen zu erarbeiten, liess sich Piccard zum Psychiater ausbilden. Im Verlaufe dieses Studiums lernte er unter anderem auch die Technik der Hypnose kennen und schätzen als Methode, Extremsituationen zu meistern.

Der Psychiater wir Rekord-Ballonfahrer

Und es war interessanterweise sein Ruf als Hypnose-Fachmann, der Bertrand Piccard zur Ballonfahrt zurück brachte. Das ging so: Der Belgier Wim Verstraeten konnte Piccard 1992 davon überzeugen, mit ihm am Chrisler Challenge teilzunehmen, dem ersten Transatlantik-Rennen für Heissluftballone. Mit dem Hintergedanken, die Hypnose-Techniken seines Co-Piloten könnten helfen, die 5000 km lange Reise besser zu überstehen. Verstraetens Kalkül ging auf, zumindest gewannen die beiden das Rennen und landeten nach fünf Tagen in Spanien. Für Piccard war diese Ballonfahrt über den Atlantik ein Wendepunkt. Nach 18 Jahren Hängegleitens mit dem Wind im Gesicht hatte er jetzt erlebt, dass man auch mit dem Wind sehr gut vorwärts kommen kann. Und ja, Hypnose hatte sich als bewährtes Mittel erwiesen, eine Reise in den beengten und unbequemen Verhältnissen einer Ballonkapsel gut zu überstehen.

Schon der Urgrossvater …

Jules Piccard, Bertrands Urgrossvater, hätte wohl seine Freude gehabt an seinem Urenkel. Denn auch er hatte sich in seinen Forschungsarbeiten mit der «inneren Welt» des Menschen beschäftigt. Jules Piccard hatte als Professor für Chemie an der Universität Basel die Nachfolge des weltberühmten Christian Friedrich Schönbein angetreten, des Ozon-Entdeckers und Erfinders von Schiessbaumwolle und Brennstoffzelle. Jules Piccard wandte sich dann aber der Lebensmittelchemie zu und untersuchte insbesondere in den Passionsblumen enthaltene Stoffe, die Chrysine, denen angstlösende Wirkung nachgesagt wird. Was Bertrand mit Hypnose bewirkt, hat also schon sein Urgrossvater zu erreichen versucht, allerdings mit Chemie.

Der Autobauer

Auch Jules Bruder Paul, also Bertrands Urgrossonkel, hat übrigens Berühmtheit erlangt. Paul Piccard war Ingenieur, konstruierte Turbinen und von 1906 bis 1920 zusammen mit dem Bankierssohn Lucien Pictet den Pic-Pic, ein Auto, das wegen seiner Robustheit auch von der Schweizer Armee geschätzt wurde und beinahe bis zum Zweiten Weltkrieg im Dienst war.

Hoch hinaus und tief hinab

Als Mann, der sowohl hoch hinaus ging als auch tief abtauchte, ist Jules Sohn und Bertrands Grossvater, der Physiker und Erfinder Auguste Piccard berühmt geworden. 1932 stieg er zusammen mit seinem belgischen Kollegen Max Cosyns von Dübendorf aus in einem Gasballon bis auf 16 201 Meter auf und stellte damit den Weltrekord. Die mit dem Bau der Ballon-Druckkapsel gewonnenen Erfahrungen fanden dann nach dem Zweiten Weltkrieg Verwendung in der Konstruktion des Tauchboots Bathyskaph «Trieste». Mit ihm tauchte Auguste 1953 im Thyrrenischen Meer auf damalige Rekordtiefe von 3150 Meter ab. Ziel des Tauchgangs war die Erforschung des Tiefseelebens.

Frau auf Rekordhöhe

Noch höher hinaus ging Augustes Zwillingsbruder Jean-Felix. Der Chemiker war in die USA emigriert und fuhr als erster einen Ballon mit Kunststoffhülle. Später entwickelte er extra dünne Hüllen aus Polyäthylen, verbesserte die Sauerstoffversorgung der Ballonfahrer für grosse Höhen und vor allem: Er überbot am 28. Oktober 1934 zusammen mit seiner Frau Jeannette den Höhenrekord seines Zwillingsbruders. Die beiden stiegen auf 17 700 Meter auf, womit Jeannette Piccard sich für die kommenden 50 Jahre als «höchste Frau» bezeichnen durfte.

Am tiefsten Punkt der Erde

Der zumindest in der Schweiz bis jetzt populärste Piccard dürfte jedoch Jacques gewesen sein, Bertrands Vater. Als Mitarbeiter seines Vaters Auguste war Jacques an der Konstruktion der «Trieste» beteiligt gewesen. Das Bathyskaph war zwar inzwischen von der US-Marine erworben worden, aber Jacques Piccard blieb als wissenschaftlicher Berater mit an Bord. Zusammen mit dem US-Marineoffizier Don Walsh tauchte Piccard am 23. Januar 1960 im Marianengraben auf 10 916 Meter ab. Dieser Tiefenrekord ist seither nie mehr gebrochen worden.

33 000 Expo-Besucher auf dem Grund des Genfersees

Danach baute Jacques Piccard das Mesoskaph «Auguste Piccard», eine der Hauptattraktionen der Landesausstellung 1964 in Lausanne. Das Mesoskaph beförderte rund 33 000 Passagiere auf den Grund des Genfersees und zurück. Zu sehen gab es zwar dort unten nicht viel, doch bleibt die «Auguste Piccard» bis heute das grösste je gebaute Tourismus-U-Boot und überhaupt das grösste nicht-militärische Unterwasserfahrzeug aller Zeiten.

Mit dem Golfstrom unterwegs

1969 startete Jacques Piccard dann mit seinem eigens dafür entwickelten U-Boot «Ben Franklin» zur Erforschung des Golfstroms. Zwei Tage vor dem Start der legendären Apollo-11-Mondmission und gleichsam in deren Schatten wurde vor der Küste Floridas abgetaucht. Sechs Wissenschafter liessen sich vier Wochen lang etwa 300 Meter unter der Wasseroberfläche im Golfstrom treiben – wie ein Ballon im Wind… Die während dieser langen Reise gewonnen Erkenntnisse über die psychischen Auswirkungen, mit denen die Crew auf einer solch langen Reise auf beengtem Raum fertig werden muss, waren dann der US-Raumfahrtbehörde Nasa von grossem Nutzen bei der Auslegung der Skylab-Missionen und des Space-Shuttle Programms.

Anwalt des Tiefsee-Lebens

Die Faszination der Tiefsee und deren Tier- und Pflanzenwelt liess Jacques Piccard Zeit seines Lebens nicht los. So gründete er auch eigens eine Stiftung, mit dem Zweck, die Erforschung und Bewahrung des marinen Lebens zu fördern. Noch als 82jähriger nahm Piccard an Tiefseeexpeditionen teil. Er verstarb im Alter von 86 Jahren im November vorigen Jahres in seinem Haus am Genfersee.

Ob es Sohn Bertrand anschliessend an seine hoffentlich erfolgreiche Erdumrundung mit Solar Impulse wie seinen Vater und Grossvater auch noch in die Tiefe ziehen wird, muss Spekulation bleiben. Zeit dazu wird dem erst 51 Jahre alten Abenteurer nach menschlichem Ermessen noch genügend zur Verfügung stehen.

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