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Energiepolitik/-technik

Ein Basler hat’s erfunden

Demnächst wird die mit Wasserstoff betriebene CityCat H2 Basels Strassen kehren

Was der Basler Chemiker Schönbein vor 170 Jahren erfunden hat und unter anderem auch die Apollo-Mondmissionen mit Strom versorgte, soll sich als Energiequelle für Basels jüngste Strassenwischmaschine in der Praxis bewähren: die Wasserstoff-Brennstoffzelle.

Wenn alles gut geht wird Basels Strassenbild in ein- bis zwei Wochen um eine Attraktion reicher sein. Denn bis dann soll die Mitte Mai vorgestellte Strassenreinigungsmaschine CityCat H2 den regulären Betrieb aufnehmen und – nach Probefahrten rund um die Tiefbauamt-Werkstätten – in der Stadt für saubere Strassen sorgen. Das besondere an der «Stadtkatze»: Anstelle des sonst üblichen stinkenden Dieselmotors liefert eine Wasserstoff-Brennstoffzelle die Energie für den Fahrbetrieb, fürs Wischen und fürs Staubsaugen.

Damit wird die Katze auf Samtpfoten und geruchlos unterwegs sein und, so lassen zumindest die Computersimulationen erhoffen, erst noch bloss halb so viel Energie verbrauchen wie die dieselbetriebenen Modelle. Auch die Kohlendioxid-Bilanz soll sich über die gesamte Kette von der Wasserstoff-Produktion aus Erdgas bis zum Verbrauch im Fahrzeug gegenüber dem konventionelle Antrieb um rund 40 Prozent verbessern. «Momentan sind wir noch daran, kleinere Macken – wie etwa das Ruckeln beim Anfahren – unter Kontrolle zu bringen», sagt Christian Bach. Danach könne die CityCat H2 den normalen Dienst aufnehmen. Christian Bach leitet bei der Empa das Projekt «hy.muve» (Hydrogen driven municipal vehicle) und ist auch verantwortlich für die einen halben Tag dauernde Umschulung der vorerst vier Fahrer, die mit dem Hightech-Gerät unterwegs sein werden.

Mit dem Auftauchen der CityCat H2 in Basels Strassen schliesst sich auch ein Kreis der besonderen Art. Denn es war der Basler Chemiker Christian Friedrich Schönbein, der vor nunmehr 170 Jahren die erste einfache Brennstoffzelle baute. Als er einmal zwei in Salzsäure getauchte Platindrähte mit Wasserstoff- respektive Sauerstoffgas umspülte, konnte er den Aufbau einer elektrischen Spannung zwischen den beiden Elektroden messen. Und hatte damit den Beweis erbracht, dass das Prinzip der Elektrolyse, bei der Wasser mit elektrischem Strom in seine Bestandteile zerlegt wird, auch umgekehrt funktioniert.

Schönbeins «batterisiertes Knallgas» geriet dann aber – trotz begeisterter Unterstützung durch Jules Verne – in Vergessenheit. Denn zur Stromgewinnung setzte sich bald die Dynamomaschine von Werner von Siemens durch, angetrieben von einer Dampfmaschine.

Zu Ehren kam Schönbeins Erfindung erst wieder mit dem Höhenflug der amerikanischen Raumfahrttechnik. Dort spielt der Preis kaum eine Rolle, und die Wasserstoff-Brennstoffzelle bot sich dank ihrer hohen Energiedichte als Strom- und Wasserlieferant geradezu an. So stützte sich auch die Stromversorgung der Apollo-Mondmission, die ja dieser Tage ihr 40. Jubiläum feiert, auf diese Technik. Die funktionierte recht gut, bis bei Apollo-13 ein Sauerstofftank explodierte, der die Brennstoffzelle ausser Gefecht setzte und die Astronauten in der Kälte sitzen liess.

Inzwischen ist die Brennstoffzelle den Kinderschuhen entwachsen und wird zunehmend auch als alternativer Energiewandler im Fahrzeugbau erprobt. Die Elektromotoren einiger Busse in Berlin, von Autos, Motorrädern und sogar Flugzeugen werden derzeit bereits mit Strom aus der Brennstoffzelle gespiesen.

«Beim Projekt CityCat H2 geht es nicht darum, prinzipiell zu beweisen, dass Fahrzeuge mit Brennstoffzellen betrieben werden können, das wurde bereits gemacht. Hingegen wollen wir herausfinden, wie sich die Wasserstoff-Technologie im ganz gewöhnlichen Alltag bewährt, wollen die Technik aus dem Labor auf die Strasse bringen. Man muss Erfahrungen sammeln können mit dem Betanken, mit der Wartung sowie dem Pannendienst, und zwar ohne dass dabei die Hilfe von Brennstoffzellen- und Elektronik-Spezialisten zur Verfügung steht», sagt Projektleiter Bach.

Mit Projekten wie der CityCat H2 wollen die Fachleute auch die Akzeptanz der Wasserstoff-Technologie testen. Werden sich Fahrer finden lassen, die keine Angst haben vor dem Wasserstofftank hinter ihrem Rücken? Sind die Schweizer Fahrzeugbauer und –betreiber flexibel genug, um von konventionellen Antrieben auf neue Konzepte umzustellen? Praktische Fragen, die im Alltag erst mal beantwortet werden müssen. Daher habe man im CityCat H2 nicht unbedingt die modernste verfügbare Technologie eingesetzt, sondern – auch um die Hürde der Zulassung nehmen zu können – auf möglichst bewährte Komponenten gesetzt. So wird die Brennstoffzelle von einem deutschen Hersteller geliefert, der auf diesem Gebiet bereits Erfahrung vorzuweisen hat. Und auch Lithiumbatterie und Elektromotoren wurden von der Stange eingekauft.

Im Prinzip ist die CityCat H2 ein Elektrofahrzeug, das den Strom aus der 100 kg schweren Lithiumbatterie bezieht. «Damit könnte die Wischmaschine aber gerade mal eine halbe Stunde arbeiten», rechnet Christian Bach vor. Einfach die Batteriekapazität zu erhöhen, wäre teuer und würde das Gewicht des Fahrzeugs massiv erhöhen. Daher wird die Batterie kontinuierlich durch die Wasserstoff-Brennstoffzelle nachgeladen. Und da die Wischmaschine ohnehin meist im Teillastbetrieb arbeitet, ist dieses System energetisch um 50 Prozent effizienter als der herkömmliche Dieselmotor kombiniert mit hydraulischer Kraftübertragung.

Dabei weiss auch Christian Bach, dass die Klimaerwärmung nicht gestoppt wird, selbst wenn sämtliche Wischmaschinen der Welt mit Brennstoffzellen angetrieben werden. CityCat H2 soll daher nicht nur wischen, sondern generell der Wasserstoffwirtschaft zum Durchbruch verhelfen. «Stromproduktion und –verbrauch werden sich mit der Nutzung von alternativen Quellen wie Wind und Sonne voraussichtlich immer mehr entkoppeln. Daher braucht’s Speicher für die Zeiten, in denen die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht.» Und als solches Speichermedium könnte Wasserstoff dienen, der «mit vernünftigem Wirkungsrad aus Strom gewonnen und wieder in Elektrizität zurück verwandelt werden kann».

Wenn Sie also in den nächsten Tagen einem eher ungewöhnlichen Wischfahrzeug begegnen, denken Sie daran, dass da ein Stückchen Energiezukunft erprobt wird. Und dass es der Basler Chemieprofessor Schönbein war, mit dem das alles begonnen hat.

So funktioniert’s

Die Wasserstoff-Brennstoffzelle der CityCat wandelt die Energie, die bei der katalytisch kontrollierten Oxidation («Verbrennung») von reinem Wasserstoff und Sauerstoff frei gesetzt wird, direkt in elektrischen Strom um. Dabei wird Wasserstoff in die mit Gaskanälen versehene Anode gepumpt und mittels Katalysatoren zu Wasserstoffionen (H+) oxidiert. Diese wandern dann durch eine Membran, die nur für H+ durchlässig ist, Richtung Kathode. Gleichzeitig werden die frei gesetzten Elektronen über einen Widerstand (z.B. Glühbirne oder Gleichstrommotor) Richtung Kathode geleitet. Dort reduzieren sie den eingeleiteten Sauerstoff zu negativ geladenen Sauerstoffionen, die sich mit den Wasserstoffionen zu Wasser vereinen. Chemisch passiert also das gleiche wie bei der berühmten Knallgas-Reaktion in der Chemiestunde: 2 H2 + O2 = 2 H2O – nur eben nicht explosionsartig, sondern gesittet und kontrolliert.

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