Hüpften die ersten Vögel vom Baum oder begann alles am Boden? Dass unsere Vor-Vorfahren irgendeinmal von den Bäumen auf den Boden herabgestiegen sind, wagen nur noch Kreationisten, strikte Anhänger der biblischen Schöpfungs-Saga, im Ernst zu bestreiten. Kontrovers abgehandelt wird dagegen in der Wissenschaft immer noch die Frage, wie denn die Vögel auf die Bäume gelangten – ob die evolutionäre Wiege des Geflügels am Boden gestanden oder in Baumwipfeln gehangen hat. Einigermassen gesichert ist, dass der Stammbaum aller Vögel von kleinen Raubdinosauriern gepflanzt worden ist, die allerdings – so lässt sich aus Fossilfunden schliessen – Bodenläufer waren. Demnach hätte das Federvieh vor 200 Millionen Jahren auf sicherem Boden das Fliegen gelernt. Anhänger der Baumspringer-Hypothese halten dem entgegen, dass sämtliche heute bekannten fliegenden Tiere von baumlebenden Vorfahren abstammen. Die Urahnen der Vögel wären somit unter Echsen zu suchen, die auf Bäumen hausten und von dort aus in die damals sehr sauerstoffhaltige und daher dichte Luft abhoben. Nun hat die Fraktion der Bodenläufer-These neuen Auftrieb erhalten. Der Anatome Christopher Glen von der Queensland-Universität ist überzeugt: Die Vogelwelt hat ursprünglich am Boden ihre Flügel entfaltet. So zumindest schreibt er in der neuesten Ausgabe der Zeitschrift «Current Biology». Seine Beobachtungen an fossilen Vogelklauen haben den australischen Forscher zu diesem Schluss gebracht. «Alle untersuchten Klauen, auch diejenigen der Vogel-Vorfahren, sind flach wie auch beim heute lebenden Bodengeflügel. Gekrümmte Klauen, wie sie bei Baumhüpfern zu sehen sind, finden sich erst in jüngerer Zeit.» Damit scheint der Fall klar zu sein: Die frühen Vögel bevorzugten Bodenhaftung. Und wir Laien können nur staunen, wie aus den Vorfahren des als eher tumb geltenden Truthahns der gefitzte Kuckuck und die Belcanto-Sängerin Amsel hervorgehen konnten. Es hätte ja auch umgekehrt sein können …
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