Der Hörnerv junger Ratten sendet auch bei Stille Signale ans Gehirn
Elf bis sechzehn Tage dauerts, bevor neu geborenen Ratten die Ohren aufgehen. Doch schon vorher «übt» deren Hörnerv und ist aktiv. Diese Beobachtung könnte erklären helfen, wie beim Menschen ein Tinnitus entsteht. Akustische Information wird von den Säugetieren wahrgenommen, wenn die inneren Härchen in der Hörschnecke von Schallwellen getroffen werden und diese in elektrische Signale umwandeln. Diese wiederum werden dann über Nervenfasern direkt ins Stammhirn geleitet. Allerdings ist das auditorische Nervensystem beispielsweise bei Rattenbabies bereits aktiv, bevor das Innenohr fertig ausgebildet ist zur Aufnahme und Weiterleitung akustischer Reize, also bevor das Tier tatsächlich hören kann. Dies muss so sein, schreibt Dwight E. Bergles von der medizinischen Fakultät der Johns Hopkins Universität diese Woche in «Nature». Denn nur unter dem Einfluss von Reizen wachsen und vernetzen sich die Fasern des Hörnervs korrekt und wird das Gehirn darauf vorbereitet, akustische Informationen zu verarbeiten.
Bergles hat zusammen mit Kollegen herausgefunden, wie das Hören ohne Töne funktioniert: Indem nämlich Hilfszellen in der Hörschnecke spontan Energie in Form von ATP freisetzen, das seinerseits die benachbarten Haarzellen auf Trab bringt und ein Nervensignal auslöst. Selbstredend werden solche spontanen Hörerlebnisse unterdrückt, sobald die jungen Tiere richtig hören gelernt haben, sonst hätten sie ein Riesenproblem. Wie etwa auch Menschen, die unter einem Tinnitus leiden und Töne hören, die gar nicht angeschlagen worden sind. Die an den Ratten gewonnen Erkenntnisse übers spontane Hören könnten denn auch helfen, das Tinnitus-Leiden beim Menschen zu erklären, hoffen die Forscher.