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Medizin

Das Virus, das aus der Wärme kam

Genstatistische Untersuchungen zeichnen nach, wie sich das HIV-1 von Afrika aus über Haiti in den vergangenen 25 Jahren über die ganze Welt ausbreitete. War das Virus einem geheimen Labor der CIA entwichen, in dem nach biologischen Kampfstoffen gesucht wurde? Oder hatten tatsächlich amerikanische Sex-Touristen den Erreger ins mausarme Haiti eingeschleppt, von wo aus es dann die ganze Welt eroberte? Fragen und Legenden ranken sich um den Ursprung des Aids-Erregers, seit vor etwa 25 Jahren in den USA die ersten Fälle der Immunschwäche-Krankheit diagnostiziert wurden. Wo das HIV erstmals auftrat, ist aber nicht nur für Medizinhistoriker interessant zu wissen, sondern könnte auch Wege weisen bei der Suche nach neuen Medikamenten oder Impfstoffen. Denn aus der Entwicklungsgeschichte des Aids-Erregers lassen sich möglicherweise Hinweise ableiten, wie sich das Virus in Zukunft verhalten wird.

Der Evolutionsbiologe Thomas Gilbert von der Universität Arizona und sein Team glauben nun, die Wurzeln des HIV-Stammbaums mit 99,8-prozentiger Sicherheit in Haiti festgemacht zu haben. Dorthin sei das Virus HIV-1 (Gruppe M, Subtyp B), der am weitesten verbreitete Aids-Erreger, um 1966 eingeschleppt worden – vermutlich von Haitianern, die sich im Kongo als Gastarbeiter aufgehalten hatten. In Zentralafrika können die Wurzeln des HIV-1 (M) bis ins Jahr 1930 zurückverfolgt werden. Um diese Zeit herum war vermutlich eine Frühform des Erregers vom Schimpansen auf den Menschen übergesprungen.

Dies haben Gilbert und Forscher-Kollegen dank Analysen der Blutproben von den ersten fünf offiziellen Aidskranken herausgefunden, die in den Jahren 1982/83 eben erst aus Haiti in die USA eingewandert waren. Die Gensequenzen der damals im Blut entdeckten Virenstämme wurden verglichen mit den heute in Haiti vorkommenden sowie 117 weiteren Aids-Erregern aus 19 Ländern. Wie die Forscher diese Woche in «Proceedings of the National Academy of Sciences» berichten, weist die genstatistische Analyse der verschiedenen Proben darauf hin, dass ein Vorläufer des Subtyp B von Afrika nach Haiti gelangt sein musste und sich dort in verschiedene Untergruppen verzweigte. Eine davon erreichte um 1969 die USA, wo das Virus bis zum Ausbruch der weltweiten Pandemie 1981 im Untergrund schlummerte.

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