Falls Sie eben im Begriff sind, Zucker in Ihren Kaffee zu rühren: Halten Sie inne und überlegen sich das nochmals gründlich denn Sie könnten damit Ihr Leben verkürzen. Das sagt nicht irgendwer, sondern Michael Ristow vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke. In der Oktober-Ausgabe der Zeitschrift «Cell Metabolism» berichten er und seine Kollegen, was sie mit ihren Experimenten am Wurm Caenorhabditis elegans herausgefunden haben. Den bei Biologen beliebten Labortierchen hatten die Forscher eine Substanz verabreicht, die den Abbau von Glucose blockiert, aus der etwa auch unser Tafelzucker zur Hälfte zusammengesetzt ist. Die Wurm-Organismen mussten somit plötzlich ohne den für die meisten Lebewesen essentiellen Treibstoff auskommen und ihren Energiebedarf anderswie decken. Dies taten sie, indem sie die Mitochondrien, die Kraftwerke in den Zellen, zu Höchstleistungen anspornten. Damit entstand ein Überschuss an sogenannten freien Radikalen, von denen die Würmer fortan zehrten. Nun haben freie Radikale, sehr reaktionsfreudige Molekül-Bruchstücke, eigentlich einen schlechten Ruf. Ihnen wird nachgesagt, das Gewebe unter oxidativen Stress zu setzen und verantwortlich zu sein für die Entstehung einer Vielzahl von Krankheiten, darunter auch Krebs. Aber wer jetzt denkt, das hätte die Würmer gewurmt, liegt falsch. Vielmehr lebten die Tierchen froh und munter etwa 20 Prozent länger als ihre Kollegen, die weiterhin Glukose futtern durften. In Menschenzeit ausgedrückt wären dies etwa 15 Jahre. Wie immer ist es knifflig, aus solchen Tierexperimenten die «Moral der Geschichte» herauszulesen. Sollen wir jetzt in der Hoffnung auf ein längeres Leben unsere Zuckerdose in den Abfallkübel leeren? So weit würde selbst Michael Ristow nicht gehen. Denn schliesslich gelten seine Beobachtungen bloss für Würmer. Und die tun wahrscheinlich so ziemlich alles, um lange – wenn dann vielleicht auch langweilig – zu leben.
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