Kategorien
Chemie

Und jetzt ein Schluck aus der Kläranlage …

Neue Aufbereitungsmethoden sollen den Durst der Menschheit löschen helfen

Mangel an sauberem Trinkwasser ist eines der grössten Probleme der Menschheit. Mit neuen Techniken zur Reinigung und Aufbereitung des kostbaren Nasses soll die sich anbahnende Wasserkrise abgewendet werden. Die nächsten Kriege werden voraussichtlich nicht ums Öl geführt werden, sondern um den Zugang zu sauberem Wasser. Sagen Pessimisten, die es wissen sollten. Tatsächlich wird Wasser zusehends zur Mangelware. Heute müssen bereits 1,2 Milliarden Menschen auf sauberes Trinkwasser verzichten, 2,6 Milliarden Erdenbürger leben unter hygienisch bedenklichen Bedingungen, die wiederum die Qualität des verfügbaren kostbaren Nasses beeinträchtigen. Mit dem Resultat, dass täglich 3900 Kinder ihr Leben lassen, weil sie entweder nicht genug oder dann bloss mit Fäkalien verseuchtes Wasser zu trinken bekommen. Durchfall, Bakterien-, Viren- und Wurmbefall sind allzu oft die tödliche Folge.

WISSENSCHAFT GEFORDERT. Auch die Industrieländer werden nicht verschont. Hier ist es die Hinterlassenschaft industrieller und landwirtschaftlicher Tätigkeit, welche die Wasserqualität beeinträchtigt: Schwermetalle, chlorierte Kohlenwasserstoffe, hormonaktive Substanzen und Nitrosamine, um nur einige zu nennen. Aber auch die Wasser-Verteilsysteme sind nicht über alle Zweifel erhaben: Biofilme, die sich im Laufe der Zeit an den Rohrwänden bilden, sind ein wahres Paradies für krankmachende Keime. Daher ist die Nachfrage gross für neue Techniken zur Dekontaminierung und Aufbereitung von verschmutztem Wasser. Energieeffizient sollten sie sein und nicht ihrerseits wieder toxische Nebenprodukte bilden, wie dies bei herkömmlichen Methoden auf Basis von Chlorverbindungen oder Ozon oft geschieht. In einem Übersichtsartikel im Wissenschaftsjournal «Nature» ist zusammengetragen, was heute zur Verfügung steht – rechtzeitig zum «Weltwassertag», der vergangenen Ostersamstag allzu leise im Schneegestöber untergegangen ist. In der Publikation beschreiben der Amerikaner Mark A. Shannon und seine Chemiker-Kollegen schon beinahe futuristisch anmutende Konzepte zur Desinfektion von Wasser. Etwa die Entwicklung von Nano-Netzen, die eine hohe Affinität zeigen für die Proteine auf der Hülle von Viren. Mit solchen Nano-Netze könnte man vielleicht bald schon die sonst schwer fassbaren Krankmacher aus dem Wasser fischen.

MIT TITAN GEGEN VIREN. Eine andere Methode verwendet Ultraviolett-Strahlen. Diese wirken zwar gut gegen Bakterien, vermögen aber normalerweise gegen Viren nichts auszurichten. Ausser man gibt ins Wasser noch Titanoxid (TiO2) hinzu. Dieses wirkt als Photokatalysator, verstärkt die Wirkung der UV-Strahlen und vermag so die Viren zu killen. Gar mit blossem Sonnenlicht kommt man aus, wenn der Titanoxid-Katalysator noch mit Stickstoff «gedopt» und zu TiON umgewandelt wird. Dies ergäbe – unter Verzicht auf giftige Chemikalien – eine ökonomische Desinfektionsmethode für alle Weltregionen, wo die Sonne genügend hell scheint. In unseren weniger sonnenverwöhnten Breiten müssten eben spezielle Energiesparlampen diese Aufgabe übernehmen

EIN SCHLUCK AUS DER ARA. Mit dem Einsatz neuer Reinigungsverfahren ist nicht einzusehen, weshalb nicht auch Kläranlagen als Trinkwasserquelle genutzt werden sollten. Ungefähr 85 Prozent des in Haushalt und Industrie verbrauchten Wassers landen in der ARA. Dort wird das Abwasser heutzutage zumindest so weit gereinigt und von Schadstoffen befreit, dass es ohne Bedenken in die Flüsse zurück geleitet oder zumindest mit Einschränkungen zur Bewässerung gebraucht werden kann. Mit der Entwicklung spezieller Membran-Bioreaktoren, in denen der Reinigungsprozess durch Mikrofiltration noch einen Schritt weiter geführt wird, könnten jedoch Trinkwasser und andere wertvolle Rohstoffe (Nitrate und Phosphate) aus der braunen Brühe zurückgewonnen werden. Ein Hindernis in diesem Recycling-Prozess bilden noch die in den Reaktoren eingesetzten Membranen: Sie werden leicht durch Zucker- und Proteinmoleküle verstopft. Um dies zu verhindern, müsste erst noch nano-dünne Schutzüberzüge entwickelt werden.

MIT NANORÖHRCHEN ENTSALZEN. Dabei gibt es ja eigentlich Wasser zuhauf auf unserem Planeten, 72 Prozent der Erdoberfläche sind mit Wasser bedeckt. Doch stecken 97,5 Prozent der Wasservorräte in den Ozeanen, und deren Salzwasser ist dem Menschen und den übrigen Land-Lebewesen nicht zuträglich. Durch Destillation und einen Prozess, der Reverse Osmosis (RO) genannt wird und ähnlich funktioniert wie die Niere, kann das Salz aus dem Meerwasser abgetrennt werden. Beide Techniken können noch verbessert werden, schreiben die Nature-Autoren. Die Meerwasserdestillation verbraucht sehr viel Energie, mit diesem Prinzip arbeitende Grossanlagen würden daher aus der Mode kommen. Hingegen wird kleinen, mit Sonnenwärme betriebenen Modellen in der Dritten Welt noch viel Wachstumspotential eingeräumt. RO-Anlagen andererseits sind auf elektrische Pumpenergie angewiesen, der Strombedarf könnte aber durch Wärmezufuhr gesenkt werden, weil die Membrane dann weniger Widerstand bieten. Heute müssen etwa vier Kilowattstunden Pumpenergie für die Gewinnung von einem Kubikmeter Trinkwasser aufgewendet werden, aber dieser Wert werde dank Verbesserung der Membrantechnik bald auf knapp 1,6 kWh sinken, rechnen die Fachleute vor. Diskutiert wird der Einsatz von doppelwandigen Kohlenstoff-Nanoröhrchen als Membranmaterial, wodurch der Energieaufwand weiter reduziert werden könnte. Unvermeidbar wird aber der hohe Kapitalbedarf für RO-Anlagen bleiben – das Membranmaterial ist sehr teuer – und das Problem, wie die anfallende Salzlake umweltgerecht entsorgt werden kann.

RIESIGES SPARPOTENTIAL. Nur am Rande erwähnen die Nature-Autoren das riesige Sparpotential, das auch beim Wasserverbrauch noch drin liegt. Viel Wasser geht in veralteten und undichten Leitungsnetzen auf dem Weg von der Quelle zum Verbraucher verloren. Und mit der heute in der Landwirtschaft weit verbreiteten Usanz, die Kulturen zu besprengen, verdunstet ein Grossteil des kostbaren Nasses gleich auf der Stelle. Da wäre die in Wüstengebieten bereits übliche Bewässerung über im Boden vergrabene Schläuche viel effizienter. Nicht einzusehen ist auch angesichts der sich abzeichnenden Wasserkrise, weshalb in unseren Breiten die Toiletten immer noch mit Trinkwasser gespült werden (müssen). Aber das ist wohl eine andere Geschichte.

Diese Seite verwendet Cookies, um die Nutzerfreundlichkeit zu verbessern. Mit der weiteren Verwendung stimmst du dem zu.

Datenschutzerklärung