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Rätsel um den Kaiser gelöst

Napoleon starb doch an Magenkrebs

Seit Napoleon Bonaparte beinahe auf den Tag genau vor 184 Jahren auf der Insel Helena aus dem Leben schied, ranken sich Legenden um die genaue Todesursache. Basler Forscher haben nun dem Rätselraten ein Ende gesetzt: Sie sind dem toten Kaiser an die Hosen gegangen. Lange durfte fleissig spekuliert werden, wie der damals erst 52-jährige Ex-Kaiser aller Franzosen, Napoleon Bonaparte, in seinem Exil auf der Insel St. Helena zu Tode gekommen sein könnte. Zwar war Napoleons Leibarzt aufgrund der Autopsie bereits damals zum Schluss gekommen, sein Schützling sei an Magenkrebs gestorben. Aber erstens war Dr. Francesco Antommarchi wie der verstorbene Imperator auch ein Korse, und zweitens war Napoleon bei seinem Tod ungewöhnlich beleibt für einen Krebskranken.

Bald machten daher Verschwörungs- und Vergiftungstheorien die Runde. Gründe, den gestürzten Welteroberer frühzeitig ins Jenseits zu befördern, gabs ja genügend. Einerseits soll der «petit caporal» allzu enge Beziehungen unterhalten haben zur Gattin seines Vertrauten Graf Montholon. Und auch Sir Hudson Lowe, der britische Gouverneur vor Ort, war dem Vernehmen nach nicht glücklich ob der hohen Kosten, die Napoleons Bewachung verursachte.

Die Arsen-Theorie

Gewaltig Vorschub erhielt der Konspirationsverdacht dann 1961, als die angesehene Fachzeitschrift «Nature» berichtete, in den Haaren Napoleons seien unüblich hohe Arsen-Mengen gefunden worden Damit schien die Mordtheorie erhärtet.

Bis die Basler Pathologen auf den Plan traten. In ihrer Freizeit setzten der Arzt Alessandro Lugli und dessen Kollegen vom Basler Institut für Pathologie das Puzzle neu zusammen. Ihren Befund haben sie eben in einer wissenschaftlichen Zeitschrift publiziert.*

Erst einmal galt es abzuklären, wie beleibt Napoleon zum Zeitpunkt seines Todes wirklich war. Zum Glück hatte Antommarchi die Autopsie nach den heute noch gültigen Regeln der Kunst durchgeführt und unter anderem auch die Dicke des Fettpolsters am kaiserlichen Bauch gemessen: genau 38 Millimeter waren es. Aufgrund der an 270 sezierten Leichen gewonnenen Erfahrungswerte errechneten die Basler Pathologen daraus das Todesgewicht des Kaisers auf stattliche 75,9 Kilogramm. Mit 167 cm Körperlänge muss Napoleon bei seinem Tod also eher vollschlank gewesen sein.

Des Kaisers Hosen

Also doch nichts mit der Krebs-Theorie? Die Basler gaben nicht so schnell auf. Denn wie sie gestern vor den Medien richtig bemerkten, kann allein das Endgewicht eines Patienten eine Krebs-Diagnose weder stützen noch widerlegen. Vielmehr muss man dafür die Dynamik der Gewichtsentwicklung über mehrere Jahre verfolgen. Eine schier unerfüllbare Aufgabe bei einem Menschen, der bereits seit 184 Jahren tot ist. Aber die Pathologen hatten eine Idee: Wenn es gelänge, der vom Kaiser über die Jahre hinweg getragenen Hosen habhaft zu werden, müsste die jeweilige Bundgrösse doch Rückschlüsse auf den Bauchumfang und damit auf das Gewicht Napoleons erlauben.

Napoleon wurde immer dicker

Tatsächlich ergab die Vermessung der kaiserlichen Beinkleider: Napoleons Bauch muss vor und auch während seines Inselexils stetig gewachsen sein, von 85 auf maximal 105 Zentimeter Umfang im Herbst vor seinem Tod. Der Quervergleich mit Gewicht und Bundweite bei 121 heute lebenden Freiwilligen erlaubte dann den Schluss, dass der Kaiser sechs Monate vor dem Tod gut 90 Kilogramm auf die Waage brachte. Danach ging es jedoch schnell bergab. Denn Bonapartes letzter Hosenbund mass gerade noch 91 Zentimeter – der Gefangene musste also innert sechs Monaten zwischen elf und 14 Kilogramm abgenommen haben. Ein dramatischer Verfall. Die Basler Pathologen sind daher überzeugt: Kollege Antommarchi hatte damals Recht mit seiner Diagnose «Magenkrebs».

Was aber war mit dem Arsen? Michael Mihatsch, Chef des Basler Instituts für Pathologie, winkt ab: «Wer damals regelmässig Wein trank, hatte automatisch zu viel Arsen in seinem Körper, denn mit dem Gift wurden in jenen Zeiten die Fässer desinfiziert.» Zudem sei das Arsen auch in Haaren gefunden worden, die der Kaiser auf der Höhe seiner Macht gelassen habe. Es sei unwahrscheinlich, dass jemand über eine solch lange Zeitspanne hinweg dem kaiserlichen Essen Gift beigemischt haben könnte, ohne dabei erwischt zu werden.

Also bleibts wohl bei der Diagnose «Magenkrebs». Zumindest, bis die nächste wissenschaftliche Arbeit veröffentlicht wird.

* Human Pathology (2005) 36, 320-324

Auf den Totenscheinen steht nicht immer die Wahrheit

Die auf Totenscheinen eingetragenen Todesursachen entsprechen zur Hälfte nicht den Tatsachen. Diese doch etwas schockierende Feststellung machte Professor Michael J. Mihatsch, Leiter des Instituts für Pathologie am Basler Universitätsspital, gestern vor den Medien. Deshalb wäre es auch heute noch von grossem Nutzen, bei möglichst allen Verstorbenen eine Autopsie durchzuführen. Einerseits, um die vom Arzt angegebene Todesursache überprüfen zu können, dann aber auch zwecks Qualitätskontrolle der medizinischen Behandlung.

Zudem liefern routinemässige Obduktionen über einen längeren Zeitraum hin begehrte Daten über die Entwicklung der Volksgesundheit: Dass Napoleons Magenkrebs bei uns immer seltener vorkommt, weiss man auch nur dank den zahlreichen Autopsiebefunden der vergangenen Jahrzehnte.

Doch leider sei es immer schwieriger, von den Angehörigen der Verstorbenen die Einwilligung zur Leichenöffnung zu erhalten. «Vor 30 Jahren führten wir jährlich noch rund 1800 Autopsien durch, jetzt sinds bloss noch etwa deren 500», stellt Michael Mihatsch vom Institut für Pathologie bedauernd fest.

Dabei gelte doch noch immer, «dass man den Tod verstehen muss, um den Lebenden helfen zu können». Mehr Mut zur Autopsie wünscht daher Mihatsch sich – und seinem Institut zu dessen 150. Geburtstag.

www.patho.unibas.ch

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