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Medizin

Prostata – die Achillesferse des Mannes

Wenn man mit der kleinen Drüse grosse Probleme bekommt

Männer sollten Probleme beim Wasserlassen nicht auf die leichte Schulter nehmen. Denn es könnte ein Prostataleiden dahinter stecken, dessen Ursache sich frühzeitig abzuklären lohnt. Zumindest ein kleiner Trost bleibt: Falls Sie über 50 Jahre alt sind und sich beim Pinkeln bisweilen die Schuhe benetzen, dann sind Sie in guter Gesellschaft: Gut die Hälfte aller Männer in Ihrer Altersgruppe sind Leidensgenossen. Abgeschwächter Harnstrahl, häufiger Drang zum Wasserlassen und Nachtröpfeln sind einige der Symptome, die eine übergrosse Prostata verursachen kann. Das auch «Vorsteherdrüse» genannte und normalerweise bloss kastaniengrosse Organ ist gleichsam die Achillesferse des Mannes. Die Prostata liegt direkt unterhalb der Blase und umschliesst so den obersten Anteil der männlichen Harnröhre. Ihr Sekret macht etwa drei Viertel der Samenflüssigkeit aus. Wächst nun die Prostata übers Normalmass an, wird die Harnröhre komprimiert, was in der Folge den Urinabfluss behindert.

Die beschriebenen Beschwerden können drei verschiedene Krankheiten als Ursache haben. Meist ist die Vergrösserung der Vorsteherdrüse gutartig bedingt (sog. benigne Prostatahyperplasie), oft steckt aber auch eine Entzündung oder gar eine Krebserkrankung hinter den angeführten Symptomen. «Es ist daher wichtig, dass solche Beschwerden bei Männern ab 50 Jahren sorgfältig abgeklärt werden», sagt Tobias Zellweger, Chefarzt der Urologie am Claraspital in Basel. Nebst der Vergrösserung können die beschriebenen Symptome auch Folge einer entzündlichen Prostataschwellung sein. «Eine solche Prostatitis lässt sich in der Regel erfolgreich und einfach mit Antibiotika behandeln», so Zellweger.

Heimtückischer, weil im Anfangsstadium meist ohne Symptome, ist dagegen der Prostatakrebs (sog. Prostatakarzinom). Er wird jährlich in der Schweiz bei über 3000 Männern festgestellt und ist damit der häufigste Krebs bei Männern und bei ihnen mit 1500 Opfern pro Jahr die zweithäufigste Krebs-Todesursache. Die Häufigkeit nimmt mit dem Alter zu, bei den über 80jährigen lassen sich bei vier von fünf Männern anlässlich einer Autopsie bösartige Zellen in der Prostata nachweisen. «In diesem Alter hat dies aber meist keine klinische Bedeutung mehr, da es sich offensichtlich um langsam wachsende Krebsformen handelt», schränkt Tobias Zellweger ein. Folgerichtig kann bei alten Männern auf die Behandlung des Prostatakrebs verzichtet werden, solange er keine Beschwerden verursacht.

Anders sieht die Situation bei jüngeren Männern aus: Hier verhält sich der Prostatakrebs oft aggressiv. Entsprechend gilt es, ihn möglichst früh zu entdecken, solange die Heilungschancen noch intakt sind, also bevor sich der Krebs in den Lymphknoten und Knochen ausgebreitet hat. Seit 15 Jahren steht ein Bluttest zur Verfügung, der Hinweise liefert über den allgemeinen Zustand der Prostata, der «PSA-Test». PSA steht für «Prostata-spezifisches Antigen», ein Eiweiss, das ausschliesslich von Prostatazellen produziert wird und primär die Aufgabe hat, Sperma flüssig zu halten. Wenig PSA gelangt immer auch ins Blut und ist dort (ausschliesslich bei Männern) stets nachweisbar. Ein Wert von bis zu vier Nanogramm (Milliardstel Gramm) pro Milliliter Blut gilt als normal, ist es mehr oder steigen die Werte im Laufe von Monaten deutlich an, dann ist mit der Vorsteherdrüse etwas nicht in Ordnung.

Was genau, kann nur durch weitere Abklärungen herausgefunden werden. «In einem nächsten Schritt wird der Hausarzt die Prostata vom Mastdarm aus abtasten und auf verdächtige Verhärtungen absuchen», sagt Tobias Zellweger. Auf diesem Weg lassen sich etwa 40 Prozent der Drüsenoberfläche ohne grossen Aufwand untersuchen. In Zweifelsfällen bedarf es aber der Entnahme von Gewebeproben aus der Prostata, um einen Krebs sicher ausschliessen zu können. Steht die Diagnose einmal fest, «so gilt es individuell an jeden Patienten angepasst eine Therapie-Strategie zu entwerfen».

Behandelt werden muss ab einem gewissen Grad auch die gutartige Prostatavergrösserung, weil der Urinrückstau die Funktionsfähigkeit der Harnblase und später auch der Nieren gefährden kann. Diät-Massnahmen, pflanzliche Heilmittel und Medikamente können in leichten bis mittleren Fällen hilfreich sein. Bleibt der Erfolg aus, muss die Prostata operativ verkleinert werden, entweder via Harnröhre oder über einen Bauchschnitt.

Eine vollständige Entfernung der Prostata ist angezeigt, wenn eine Krebserkrankung vorliegt, die sich noch nicht über die Drüse hinaus verbreitet hat. Als Alternative kann auch eine interne oder externe Strahlentherapie erwogen werden. Hat der Prostatakrebs bereits Metastasen gebildet in Lymphknoten und Knochen, kann eine Hormontherapie das weitere Wachstum hinauszögern. Wie bereits erwähnt, wird das Wachstum von Prostatazellen (auch in den Metastasen) durch männliche Sexualhormone angeregt, von einer chirurgischen oder medikamentösen Kastration ist daher zumindest eine aufschiebende Wirkung zu erhoffen. Chemotherapie, Bestrahlung der Metastasen oder Medikamente, die in den Knochenstoffwechsel eingreifen bleiben als Optionen, wenn die Hormontherapie nicht (mehr) greift.

Das alles ist kein Sonntagsspaziergang: Insbesondere Knochenmetastasen sind sehr schmerzhaft und Nebenwirkungen der Therapien sind beträchtlich, unter anderem wird das Sexualleben beeinträchtigt oder gar verunmöglicht. Umso mehr ist der Rat von Tobias Zellweger und seinen Kollegen zu beherzigen: Bei Prostata-Problemen den Arzt lieber früher als später aufzusuchen – hier kann falsche Scham Lebensqualität und Lebensjahre kosten.

Mehr zum Thema am Dienstag, 12. September 2006 im baz-CityForum. Es diskutieren auf dem Podium: Prof. Dr. med. Thomas Gasser, Chefarzt der Urologischen Universitätsklinik beider Basel und PD Dr. med. Tobias Zellweger, Chefarzt der Urologie am Claraspital. Ein direkt betroffener Patient wird zudem berichten, wie er gelernt hat, auch ohne Prostata gut zu leben. Diskussionsleitung Ulrich Goetz.

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