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Gesundheitspolitik

Prämienzahler im Markttest

Verzichtbereitschaft ihrer Kunden wäre für die Krankenkassen unbezahlbar

Alle klagen über die wachsenden Ausgaben fürs Gesundheitswesen, jede Frau und jedermann machen die Faust im Sack ob der jährlich ansteigenden Krankenkassen-Prämien. Unbestritten ist, dass gespart werden muss – solange dies einen selber nicht betrifft. Sparmassnahmen stossen dann und dort an die Grenzen der Akzeptanz, wo sie dem einzelnen Krankenkassenmitglied Verzicht abverlangen. Peter Zweifel hat nun zusammen mit seinen Mitarbeitern mit einem Markttest herauszufinden versucht, ob und auf welche Annehmlichkeiten unseres Gesundheitswesens Herr und Frau Schweizer allenfalls zu verzichten bereit wären, unter der Voraussetzung, dass sie im Gegenzug entsprechend weniger Krankenkassenprämie bezahlen müssten. Peter Zweifel ist Professor am Sozialökonomischen Institut der Universität Zürich und referierte vergangene Woche am 7. Novartis-Forum für Gesundheitsökonomie zum Thema «Einschränkung der Wahlfreiheit im Alter «unter welchen Bedingungen»?*.

Prof. Zweifel und sein Team hatten im vergangenen Herbst rund 1000 Personen in der Deutschschweiz und der Romandie mit Änderungsvorschlägen gegenüber dem Status quo konfrontiert. So konnten die Befragten (hypothetisch) entscheiden, ihren Arzt weiterhin frei oder anhand einer nach Qualitäts- oder Kostenkriterien zusammengestellten Liste zu wählen. Zur Auswahl stand auch die Option, sofort in den Genuss der neuesten Therapien zu kommen oder erst, nachdem sich diese zwei Jahre auf dem Markt bewährt haben. Weiter wurde gefragt, ob man die Versorgung mit Medikamenten gemäss Spezialitätenliste beanspruchen wolle oder ob es Generika auch täten. Und schliesslich musste man sich zwischen freier Spitalwahl und Versorgung in bestimmten Zentrumsspitälern entscheiden. Jedesmal wurde nachgefragt, mit wie viel monatlicher Prämienreduktion die Krankenkassen diesen Verzicht ihrer Kunden honorieren müssten.

Total unbeliebt ist gemäss dieser Befragung der Verzicht auf freie Arztwahl, dafür müsste den über 64jährigen zwischen 130 und 150 Franken Prämienrabatt gewährt werden. Wenig populär wäre auch die Karenzfrist für neue Therapien, sie müsste von den Kassen mit bis zu 100 Franken Beitragserlass erkauft werden. Vergleichsweise mit einem blauen Auge, nämlich mit maximal 46 Franken Prämienausfall, kämen die Kassenwarte davon, wenn sie ihren Versicherten bloss noch die Behandlung in ausgewählten Zentrumsspitälern vergüteten. Dagegen scheint niemand gross etwas dagegen zu haben, künftig nur noch Nachahmermedikamente schlucken zu dürfen, bloss durchschnittlich drei Franken Mehrprämie ist dies den Befragten wert. Die Firma Novartis als Veranstalterin des Forums hatte wohl keine Freude an diesem Resultat …

Aus der Befragung zieht Peter Zweifel den Schluss, dass die Einschränkung der Arzt-Wahlfreiheit für die Kassen wohl finanziell nicht tragbar wäre. Ferner ortet er zwischen Altersgruppen und Landesteilen erheblich unterschiedliche Präferenzen. Und schliesst daraus, dass «eine Vereinheitlichung der Vertragstypen in der sozialen Krankenversicherung» (sprich eine Einheitskasse) grosse Effizienzverluste verursachen könnte. Allerdings räumte Prof. Zweifel im Gespräch auch ein, dass es sich bei den aus seiner Untersuchung erhaltenen Daten um hypothetische Resultate handelt. «Wie sich die Befragten verhalten, wenn es dann ernst wird, ist eine andere Sache.» Doch könnten solche Befragungen zumindest helfen, sich über die Präferenzen der Versicherten Klarheit zu verschaffen und die Krankenkassen dazu ermuntern, ihren Kunden massgeschneiderte Angebote zu unterbreiten.

* Becker K. und Zweifel P. (2004), Age and Choice in Health Insurance: Evidence from Switzerland, Sozialökonomisches Institut der Universität Zürich, No 0410

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