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Nun schlabbern sie wieder

Mit ein bisschen Wetterglück steht uns wiederum eine heisse Badesaison bevor. Das heisst, sie könnte auch aufregender sein. Denn bis jetzt gibt es keine Anzeichen, dass sich etwas bewegt in der Männer-Bademode. Noch immer beherrschen Sextöter-Shorts das Bild in den Badeanstalten. Ein Plädoyer wider die Prüderie.

Es ist zwar eine ganze Weile her. Aber wem die Gnade der frühen Geburt gegeben ist, kann sich vielleicht noch daran erinnern. An die gute alte Zeit, als Männer noch zeigen durften, was sie zum Mann macht. Und an den Wandel der Männer-Bademode, der in den 90er Jahren auch vor der Schweiz nicht Halt machte. Aus ästhetischer Sicht die reine Katastrophe: Während die Bikinis der Mädchen zusehends knapper wurden, wuchsen die Badehosen der Jungs in die Länge und Breite, bis zwischen Bauchnabel und Knie kaum noch Haut zu sehen war. Und die gute Figur, so denn vorhanden, in Schlabberhosen versank.

Unser Badmeister, inzwischen pensioniert, ortete damals schon den geografischen Ursprung der neuen Un-Mode: Ex-Jugoslawien. Dort waren die ehemaligen Bruderstaaten vor dreissig Jahren in einen blutigen Zwist verstrickt, der über eine Million Menschen in die Migration trieb, unter anderem auch in Richtung Schweiz. 

Die Schweiz schöner gemacht

Unter dem Strich war die Blutauffrischung segensreich für unser Land. Die meisten Balkan-Migranten haben sich gut etabliert, viele sind eingebürgert, haben Familien gegründet und sind zu Vorzeige-Schweizern geworden. Man denke beispielsweise nur, was die Schweizer Fussball-Szene wäre ohne die Söhne der Balkan-Migranten. Und wenn Cruiser-Kolumnist Mirko schreibt, dass die «Schweiz weniger schön wäre ohne die Jungs aus dem Balkan», kann mann ihm nur beipflichten. Und hoffen, dass sie – ob heti und/oder schwul – weiterhin stramme Söhne (und natürlich auch hübsche Girls) auf die Welt stellen. Es muss ja nicht immer blond und blauäugig sein.

Die Schweiz mag also dank der Balkan-Boys tatsächlich schöner geworden sein. Doch in den Badeanstalten sieht man wenig davon. Die These unseres Badmeisters, dass die Schlabber-Badehose aus Ex-Jugoslawien importiert wurde, ist wohl nicht ganz von der Hand zu weisen. Manche Balkan-Migranten haben ja damals ihre eigenen Vorstellungen von Sittlich- und Schicklichkeit in die neue Heimat mitgebracht. Ungeschriebene Gebote, denen auch die zweite Generation offensichtlich noch nachlebt. Unter anderem eben auch in der Badi.

Schlabberhosen werden trendy

Das wäre ja soweit ok. Dumm ist nur, dass die prüde Bademode gleich Trend und auch von den einheimischen Jungs kopiert wurde. Das war so wie der Hype mit den roten Turnschuhen. Irgendein Promi taucht damit auf, und schon muss sich jeder auch so ein Paar anschnallen. Ähnlich die Schlabber-Badehose. Innert kürzester Zeit verdrängte sie den sexy Badeslip aus den Gartenbädern. Cruisen machte dort fortan kaum mehr Spass. Wer kauft schon gerne die Katze im Sack?

Auch Girls finden das nicht lustig. «Es scheint, dass die heutigen Jungs nicht zu ihrem Körper stehen oder gar prüde sind, was zwar für unsere Zeit schwer zu erklären ist. Oder sie folgen einfach dem Modediktat und tun nicht das, womit es ihnen eigentlich wohler wäre. Ich kann mir nicht vorstellen, wie es einem mit diesen Schlabberhosen wohl sein kann (vor allem wenn sie nass und schwer sind). Also Männer, steht zu eurem Körper und zeigt was ihr habt, die Frauen tun es ja schliesslich auch», meint eine Bloggerin im Internet zu diesem Thema.

Kabarettreife Szenen

Tatsächlich spricht so ziemlich alles gegen Badeshorts. Sie bremsen beim Schwimmen und kleben danach eklig am Körper. Kabarettreife Szenen spielen sich dann ab, wenn die Boys beim Ausstieg aus dem Pool vorne nervös rumzupfen müssen, damit sich ja nichts abzeichnet. Für den Fall, dass da nach dem Sprung ins kalte Wasser überhaupt noch was wäre, das sich abzeichnen könnte. Danach der zweite Akt des Kabaretts: Zum Sonnenbaden müssen dann die offensichtlich lästigen Hosenbeine hochgekrempelt werden. Ginge auch einfacher.

Die Schlabberhosen saugen also Unmengen Wasser auf, brauchen eine halbe Ewigkeit, bis sie wieder trocken sind, und fördern so Blasenentzündungen. Mehr noch: sie sind total unhygienisch. Badkleider jeden Formats sind eine Brutstätte für jegliche Keime, die man sich überhaupt vorstellen kann. Unser Badmeister kämpfte daher mit gutem Grund (wenn auch nicht immer erfolgreich) von Anfang an gegen die Maxi-Badeshorts. Zumal er nie sicher sein konnte, ob sich darunter nicht auch noch Unterhosen von zweifelhafter Sauberkeit verbargen, die Jungs also aus Bequemlichkeit gleich im Strassenoutfit baden gingen.

Inzwischen haben die meisten Badeanstalten Regeln aufgestellt, was als Badebekleidung gilt und was nicht. In Basels Gartenbädern zum Beispiel sind wie vielerorts Badeshorts mit Taschen sowie Shorts, die nicht aus Badematerialien und über knielang gefertigt sind, nicht erlaubt. Und die Badmeister machen sich dann recht unbeliebt, wenn sie diese Badkleidverordnung dann tatsächlich auch umsetzen. 

Eigentlich gibt es ja bloss eine hygienische Badebekleidung, nämlich gar keine. Tatsächlich war es in der Vergangenheit immer wieder mal üblich, oben und unten ohne schwimmen zu gehen. Angefangen in der Antike. Kann man die zahlreich überlieferten Darstellungen auf Vasen und Marmorreliefs für bare Münze nehmen, war Nacktheit bei Sport und Bad damals die Regel. Zumindest bei Knaben und Männern, unbekleidete Frauen kommen selten ins Bild. Die dargestellten Jünglinge entsprachen jedoch wohl eher einem Wunschbild als der damaligen Realität: schlank, athletisch und eher niedlich bestückt (nur den Satyrn war gestattet, mit ihrem Teil zu protzen) definieren sie bis heute die perfekten Proportionen des nackten Männerkörpers. Ein Idealbild, dem wohl bereits in der Antike die meisten Männer vergeblich nacheiferten.

Zwischen nackt und total verhüllt

Seither oszillierte die Bademode stets zwischen den beiden Extremen nackt bis total verhüllt. Zunächst mal ging die Badekultur zusammen mit dem römischen Reich so ziemlich den Bach hinunter. Erst die Kreuzfahrer entdeckten dann auf ihren Reisen durch islamische Länder (sic) wieder die Lust am Baden und machten sie auch in Europa populär. Folglich schossen die Badehäuser im 12. und 13. Jahrhundert nur so aus dem Boden. Wobei Sauberkeit und Gesundheit eher Nebensache waren: Die mittelalterlichen Badezuber galten als Ort der Lust, der schamlosen Liebschaften und «Unzucht». Mit der positiven Nebenwirkung, dass nicht wenige zuvor kinderlos gebliebene Frauen den Nachhauseweg in guter Hoffnung antraten.

Das bunte Treiben war der Kirche verständlicherweise ein Dorn im Auge. Sie erhob das Nicht-Baden zur Tugend und sprach Badeverbote aus. Pestzüge und die Ausbreitung der Syphilis kamen der Kirchenmoral dann zu Hilfe, die meisten öffentlichen Badeanstalten mussten im 15. und 16. Jahrhundert schliessen. Danach galt Baden Jahrhunderte lang als uncool. Auch an Königshäusern wurde wasserlose Körperhygiene bevorzugt, Puder und Parfum mussten es richten. 

Erst mit der Aufklärung wandte sich das Blatt wieder. Ab 18. und 19. Jahrhundert hatte die Oberschicht das Privileg, sich in Kurhäusern an Leib und Seele (im Bad und am kulturellen Rahmenprogramm) zu erholen.

Der Rostocker Herzog Friedrich Franz I. hatte um 1800 die lukrative Idee, nach britischem Vorbild in Doberan das erste deutsche Seebad zu gründen. Da das Baden nun im Gegensatz zu den Kurhäusern im öffentlichen Raum stattfand, war die korrekte und modische Strandkleidung das grosse Thema. Selbstverständlich musste so viel Haut wie möglich bedeckt bleiben. Erst 100 Jahre später wurde in Deutschland die «Freikörperkultur» erfunden, Nacktbaden war besonders zu DDR-Zeiten an der Ostsee die Norm, fand auch im übrigen Europa und bis in die USA Fans, dort bezeichnenderweise unter dem Begriff «european swimming». 

Aber es gab auch Rückschläge. 1932 etwa versuchte eine Berliner «Badepolizeiverordnung» die Nacktbaderei in den Griff zu bekommen. Männer durften fortan in der Öffentlichkeit nur ins Wasser mit einer Badehose, «die mit angeschnittenen Beinen und einem Zwickel versehen sind» (der Stoffeinsatz im Schrittbereich war als zusätzlicher Sichtschutz gedacht). Doch der Zwickelhose war nur ein kurzes Dasein vergönnt. Schon zwanzig Jahre zuvor war Männern der knappe Slip geschenkt geworden, der übrigens heute noch im Internet als «DDR-Dreiecksbadehose» vermarktet wird. Das Teil verursachte Aufsehen und einige Skandale.

Nackt aus Protest

«Ganz ohne» erlebte dann in den 68er Jahren eine Renaissance. Neben «Ho Chi Minh»-skandieren, Tramschienen blockieren und Häuser besetzen wurde das Nacktbaden zum ultimativen Symbol im Kampf gegen die Repression durch die verknöcherte Gesellschaft. Wann und wo immer möglich wurde ein «Joggeli» gerissen. Inzwischen hat sich der revolutionäre Touch des Nacktbadens jedoch verloren, an den meisten Flüssen und Seen finden sich Strandabschnitte, wo Badekleidung fakultativ ist.

Das ist leider selten eine Augenweide. Denn es gilt, was auch für die meisten offiziellen FKK-Strände im In- und Ausland: Attraktive Badende halten sich vorzugsweise bedeckt. Und es lassen sich dort meist Leute nahtlos bräunen, die ihre Kleider gescheiter anbehalten sollten. Etwa wenn gute Küche, Alter und Schwerkraft sichtbar Spuren hinterlassen haben an ihren Bodies.

Der Reiz der Verpackung

Man sieht, «ganz ohne» ist auch nicht das Wahre und wirkt selten sexy. Wie bei Geschenken erhöht Verpackung bekanntlich die Spannung. Aber es muss ja nicht gleich hässlicher Wellkarton oder (um den Vergleich zu übertragen) die heute trendige Schlabber-Badehose sein. Mode ist ja zum Glück in stetem Wandel begriffen. So dürfen wir hoffen, dass auch die prüde Männer-Bademode bald einmal Geschichte ist. Vielleicht braucht es gar nicht so viel. Da müsste bloss ein berühmter Fussballer oder Pop-Star es einmal wagen, sich in satten Speedos ablichten zu lassen. Zum Beispiel Ronaldo oder unser aller Luca. Zahlreiche Followers wären ihnen gewiss, und der neue Trend könnte sich in kürzester Zeit durchsetzen. Wie jüngst die roten Turnschuhe. Oder sind auch die bereits wieder out?

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