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Gesundheit/Ernährung

Ehrenrettung für einen Sündenbock

Macht Cholesterin gescheit?

Cholesterin ist für den Aufbau und die Funktionstüchtigkeit des menschlichen Gehirns unentbehrlich. Dort macht es etwa zehn Prozent der Trockenmasse aus. Forscher vom Göttinger Max-Planck-Institut sind der Frage nachgegangen, was Cholesterin in unserem Denkapparat umtreibt. Ohne Cholesterin verkümmert das Gehirn, haben Wissenschaftler des Max Planck-Instituts für experimentelle Medizin herausgefunden: Ohne das sonst geächtete Molekül geht gar nichts in unserem Denkapparat. Denn zentral wichtig fürs Funktionieren des Zentralnervensystems ist die Substanz Myelin. Sie umhüllt als dicht gepackter Membranstapel die einzelnen Nervenfasern – wie die Isolationsschicht um einen elektrischen Draht. Ohne dieses Myelin käme es während der elektrischen Reizübertragung ständig zu Kurzschlüssen.

An Gen-Mäusen gezeigt

An gentechnisch veränderten Mäusen konnten die Max Planck-Wissenschaftler nun nachweisen, dass der Einbau von Cholesterin für die Bildung von Myelin unentbehrlich ist. Nun synthetisiert das Gehirn aber seinen Cholesterinbedarf selber – das Steroid-Gerüst kann ja die Blut-Hirnschranke nicht überwinden. Damit ist unser Denkorgan vollständig unabhängig vom Cholesterinstoffwechsel des übrigen Körpers, und das ist wahrscheinlich auch gut so. Trotzdem ist das Gehirn das cholesterinhaltigste Organ des menschlichen Körpers.

Ständig gezittert

Dafür verantwortlich ist hauptsächlich ein spezieller Zelltyp im zentralen Nervensystem, die so genannten Oligodendrozyten. Den Göttinger Neurogenetikern gelang es nun, die Cholesterinsynthese in den Oligodendrozyten von mutierten Mäusen genetisch zu unterbinden. In der Fachzeitschrift «Nature Neuroscience» vom vergangenen 8. April berichtete das Wissenschaftler-Team, was darauf geschah: Die Gen-Mäuse litten unter ständigem Zittern, hatten Koordinationsstörungen, die bei eine Drittel der Versuchstiere zum vorzeitigen Tod führten.

Die Göttinger konnten bei dieser Gelegenheit aber auch beobachten, dass sich der Zustand der Versuchstiere mit zunehmendem Alter stabilisierte: Offenbar sprangen andere Strukturen innerhalb des Gehirns ein und übernahmen die Cholesterinproduktion. So konnten die mutierten Mäuse ihren schweren genetischen Defekt mit der Zeit überwinden.

Die Göttinger Wissenschaftler hoffen jetzt, mit ihrem Genmaus-Modell ein Instrument in den Händen zu halten, um die biologische Funktion von Cholesterin im lebenden Organismus systematisch erforschen zu können.

Mental leistungsfähiger?

Einen Zusammenhang zwischen Cholesterin und Hirnfunktion des Menschen glaubt eine andere Forschergruppe entdeckt zu haben: Wer von Natur aus einen höheren Cholesterinspiegel hat, ist mental leistungsfähiger, schrieben amerikanische Wissenschaftler vergangenen März in der Zeitschrift «Psychosomatic Medicine». Zu diesem Ergebnis kamen sie nach der statistischen Auswertung der so genannten Framingham Heart Study, die 1955 gestartet worden war. An knapp 1900 Frauen und Männern waren damals während 18 Jahren die Risiken für Herzkreislauferkrankungen untersucht worden. Jedes zweite Jahr wurde der Gesamt-Cholesterinspiegel der Probanden untersucht, ausserdem wurde deren geistige Leistungsfähigkeit getestet.

Beim Vergleich der beiden Datensätze fiel den US-Forschern erstaunliches auf: Je höher die natürlichen Cholesterinwerte der Probanden lagen, desto besser schnitten die auch ab im Mentaltest. Männer und Frauen hingegen, deren Cholesterinspiegel naturgemäss niedriger war, hatten grössere Mühe mit Aufgaben, die hohe Anforderungen stellten an Abstraktionsvermögen, Redegewandtheit, Aufmerksamkeit und Konzentration.

Wer jetzt aber hofft, etwa dank Verdoppelung der Frühstückseier-Ration mühelos klüger werden zu können, irrt gewaltig. Denn erstens ist dem Cholesterin wie oben ausgeführt der Weg vom Darm zum Gehirn versperrt. Und zweitens könnte es ja auch sein, dass die Probanden mit dem vielen Cholesterin in den Tests nur deshalb gescheiter waren, weil sie all ihre Zeit und Mühe darauf verwandten, statt der Muskeln die Denkzellen zu trainieren. Bewegungsmangel jedoch hat tendenziell höhere Cholesterinwerte zur Folge, darin sind sich die Fachleute ziemlich einig.

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