Er frisst lieber Lachs als Geisslein. Die sieben Geisslein können aufatmen. Sie stehen nämlich gar nicht so weit oben auf dem Menuplan des bösen Wolfes, wie Grossmutter es immer zu erzählen pflegte. Denn Canis lupus ist eigentlich nicht besonders scharf auf Zicklein. Zwar bleiben tatsächlich jeweils mittelgrosse und sogar grosse Huftiere auf der Strecke, wenn das Wolfsrudel auf die Jagd geht. Daraus zu schliessen, Rehe, Hirsche, Schafe und Ziegen seien die Leibspeise des Wolfes, ist jedoch ein weit verbreiteter Irrtum.
Vielmehr geht der Wolf nach Möglichkeit lieber fischen als jagen, schreibt der kanadische Biologe und Wolf-Forscher Chris Darimont diese Woche in der Internet-Publikation «BioMed Central». Dies ist bequemer, braucht weniger Energie und ist auch weniger gefährlich: Fische sind keine Bedrohung für den Jäger – sie können nicht ausschlagen.
Vier Jahre lang haben Chris Darimont und sein Team von der University of Victoria acht Wolfsrudel beobachtet, die ein 3300 Quadratkilometer grosses Gebiet in der Küstenregion von British Columbia bejagen. Aus Kotproben konnten die Forscher herauslesen, wovon sich die Wölfe durchs Jahr hindurch ernähren. Das sind im Frühling und Sommer in der Tat meist Rehe, Hirsche und andere Vierbeiner. Sobald jedoch im Herbst Lachse die Flüsse hinauf schwimmen, stellen die Wölfe ihren Menuplan offenbar um und ernähren sich vor allem von Fisch. Nicht wie der Teufel, der zur Not auch Fliegen frisst, sondern weil der Wolf Lachs über alles mag, selbst wenn es genügend Geisslein gibt. «Das ist durchaus sinnvoll», sagt Darimont, «denn Lachs ist sehr nahrhaft und ein guter Energiespender».
Daher der Tipp an die Adresse Schweizer Schafhalter, die trotz ihrer Angst vor dem bösen Wolf keinen Hirtenhund halten mögen: Wie wärs mit einer kleinen Lachszucht? Der Wolf frisst den Fisch auch ungeräuchert.