Der Velosattel hat keinen guten Ruf unter Sexualmedizern. Mein Cousin, um einige Jahre älter, Radsport-Profi und daher damals unser aller Star, schwörte aufs Stück Rindsfilet, das er sich jeweils vor einem längerem Einsatz in die Hose steckte. Ein Tourenfahrer wiederum empfiehlt im einschlägigen Chat-Room, ganz einfach den Sattel um 180 Grad zu drehen. All dies, um einem Übel beizukommen, dem sich jedermann aussetzt, der mehrere Stunden pro Tag im Velosattel verbringt. Dieser hats nämlich in sich. Er drückt – und schlägt den Mann mit Taubheit an einer Körperstelle, wo er’s sich nicht leisten kann.
Ja, der Velosattel hat keinen guten Ruf unter Sexualmedizern. Erektile Dysfunktion, Urogenitale Parästhesie oder gar Infertilität ist das mindeste, das sie uns Männern als Folge allzu intensiven Strampelns androhen. Sport ist eben ungesund.
Der Arbeitsmediziner Steven Schrader mochte dem Leiden nicht länger untätig zusehen. Kurzerhand schnitt er dem klassischen Velosattel die Nase ab, welche die empfindlichen Körperteile des Mannes derart in Bedrängnis bringt. Schrader liess sein neues Sattelmodell auch gleich an 90 Velopolizisten in US-Städten testen. Vorher und nachher mussten sich die Probanden gründlich sexualmedizinisch untersuchen lassen, unter anderem wurden auch die taktile Empfindlichkeit des Penis und die Dauer der nächtlichen Erektionen ermittelt, alles berührungslos und computer-kontrolliert, versteht sich.
Nach 90 Tagen war klar: Der nasenlose Sattel stellte zwar zu Beginn einige Anforderungen an die Fahrkünste der Polizisten, aber die Klagen über Beschwerden im Schritt gingen von 73 auf 13 Prozent zurück, schreibt Schrader in «The Journal of Sexual Medicine». Und die meisten Polizisten blieben ihrem neuen Sattel auch nach Testende treu. Wenigstens etwas.
PS: Vielleicht hätte ja ein gutes Sattelpolster den gleichen Effekt gehabt.
PPS: Auch mein Cousin wurde später glücklicher Vater, dank oder trotz des Filetstücks in der Hose.