UV-Strahlen können – trotz Hautkrebs-Risiko – auch Nutzen bringen
Die UV-Strahlung im Sonnenlicht kann zwar tatsächlich Hautkrebs hervorrufen, sie regt aber auch die Bildung des lebenswichtigen Vitamin D in der Haut an. Daher werden Nutzen und Risiken des Sonnenbadens neu diskutiert. Jetzt, wo die Badeanstalten geöffnet haben und das Wetter wieder zum Sonnenbaden lädt, stellt sich wie jedes Jahr die Frage: Wieviel Sonne braucht der Mensch und wie viel ist zuviel? Rechtzeitig zum Saisonstart hat sich dazu ein Wissenschaftler geäussert, der sich sonst eigentlich einen Namen gemacht hat als Warner vor dem Sonnenbaden. Der Biophysiker Richard Setlow und seine Forschergruppe hatten als erste das sichtbare Sonnenlicht und die langwelligen UVA-Strahlen als Hauptschuldige für die Entstehung von Melanomen, auch schwarzer Hautkrebs genannt, dingfest gemacht. Und nun bricht derselbe Richard Setlow eine Lanze fürs Sonnenbaden: «Die Appelle, die Sonne zu meiden, richten möglicherweise in bestimmten Bevölkerungsgruppen mehr Schaden an als sie nutzen», schreibt der in den USA am Brookhaven National Laboratory tätige Forscher in den «Proceedings of the National Academy of Sciences».
«Selbstverständlich wissen wir, dass Sonnenstrahlung Hauptursache ist für das Wachstum sämtlicher Arten von Hautkrebs», räumt er ein. Doch sei Sonnenlicht eben auch ein wichtiger Faktor bei der Bildung von Vitamin D in der Haut. Und Vitamin D wiederum wirkt laut Setlow gegen eine ganze Reihe innerer Krebserkrankungen, etwa gegen Lungen-, Darm-, Prostata- und Brustkrebs sowie Lymphome. «Sogar der Verlauf von Melanom wird durch Vitamin D positiv beeinflusst», glaubt er. Umgekehrt wird Vitamin D-Mangel unter anderem für Störungen des Knochenaufbaus bei Kindern (Rachitis) und als Risikofaktor für Herzkreislauf-Erkrankungen verantwortlich gemacht.
Daraus schliessen Richard Setlow und Forscherkollegen in Norwegen, dass das Gesundheitsrisiko von Vitamin D-Mangel infolge eines Lebens im Schatten möglicherweise grösser ist als die von UV-Strahlen ausgehende Gefahr für die Haut. Um möglichst wirklichkeitsnah zu ermitteln, wie viel Vitamin D-produzierende UV-Strahlung die Menschen zwischen Nordpol und Äquator aufnehmen, haben die Forscher ein zylindrisches Modell formuliert. Die UV-Strahlenexposition und die daraus zu erwartende Vitamin D-Bildung auf den virtuellen Hautflächen dieses vertikalen Zylinders wurden errechnet. Daraus ergab sich, dass die Haut von nahe am Äquator lebenden Australiern knapp fünfmal mehr Vitamin D liefert als dies bei Norwegern der Fall ist. «Da ist ein klarer Nord-Süd-Gradient zu erkennen», sagt Setlow.
So weit so gut. Aber gleichzeitig fanden Setlow und seine Kollegen beim Studium der Statistiken heraus, dass sämtliche wichtigen Krebserkrankungen, allen voran das Melanom, denselben Gradienten aufweisen, also in Äquatornähe ebenfalls häufiger vorkommen als in nördlichen Gefilden – obwohl doch das Vitamin D vor eben diesen Tumoren schützen sollte. Doch die Forscher lassen sich dadurch nicht beirren und weisen darauf hin, dass Krebserkrankungen im sonnigen Süden zwar häufiger vorkommen mögen, jedoch im allgemeinen günstiger verlaufen und seltener zum Tod führen – und schreiben dieses Phänomen dem durchschnittlich höheren Vitamin D-Spiegel im Blut der Menschen zu.
Daher sind Setlow und seine Kollegen der Ansicht, moderates Sonnenbaden sei vor allem für die in nördlichen Breiten lebenden Menschen unter dem Strich eine gute Sache. Dem Risiko, sich dabei schwarzen Hautkrebs einzufangen, könne mit der Entwicklung neuer Sonnenschutzmittel begegnet werden, die gezielt die langwelligen UVA-Strahlung herausfiltern. Denn diese seien – zusammen mit sichtbarem Licht – hauptverantwortlich für die Entstehung von Melanomen. Die kurzwellige UVB-Strahlung hingegen fördere zwar das Wachsen des (weniger gefährlichen) weissen Hautkrebses, helfe aber gleichzeitig das begehrte Vitamin D zu bilden.
«Das ist sicher eine interessante Studie», sagt Peter Itin dazu, Chefarzt Dermatologie am Universitätsspital Basel. Es stimme, dass sich in letzter Zeit die Hinweise häufen, wonach Vitamin D unter anderem auch eine gewisse krebsschützende Wirkung hat, das müsse man ernst nehmen. «Nur finde ich die Schlussfolgerungen von Richard Setlow und dessen Kollegen fragwürdig», meint er. Denn erstens nehme der gesund ernährte Mensch genügend Vitamin D mit der Nahrung auf, um in den Genuss des krebsschützenden Effekts zu kommen. Falls dies doch nicht der Fall sein sollte, genüge ganz wenig Sonnenbestrahlung, um das Defizit zu decken, «viel weniger als die Dosis, die es für eine Bräunung oder gar einen Sonnenbrand braucht. Länger an der Sonne braten bringt gar nichts, weil das Vitamin D lichtempfindlich ist und sich dann bei übermässiger Einstrahlung wieder zersetzt.»
Der positive Effekt des Sonnebadens auf die Vitamin D- Produktion ist somit diskutabel, gesichert ist dagegen der Zusammenhang zwischen UV-Strahlenexposition und der «im Moment exponentiellen Zunahme der Hautkrebsfälle. Allein in Australien erkrankt jeder 17. Mensch an einem Melanom, jeder fünfte stirbt daran. Und das Basalzell-Karzinom (weisser Hautkrebs) ist zur häufigsten Tumorerkrankung überhaupt geworden. Das geht erwiesenermassen aufs Konto der UV-Strahlung», ist Peter Itin überzeugt. Sicher habe UV-Strahlung etwa gegen Schuppenflechte oder Neurodermitis auch heilende Effekte. «Aber auch hier ist die Dosis das Problem, eine UV-Strahlentherapie sollte daher grundsätzlich nur unter ärztlicher Kontrolle durchgeführt werden.»
Box: Vom weissen und schwarzen Hautkrebs
Jedes Jahr entwickeln in der Schweiz neu 16 000 Menschen einen Hauttumor. Meist handelt es sich um so genannten weissen Hautkrebs (Basaliom), bei dem – frühzeitig erkannt – die Heilungschancen gut sind. Bei jedem 20. Hauttumor liegt jedoch ein Melanom vor, schwarzer Hautkrebs, der im ganzen Körper Ableger bilden und lebenswichtige Organe zerstören kann – oft mit Todesfolge. Hellhäutige und rothaarige Menschen mit blauen Augen sind besonders gefährdet und sollten sich mit passender Kleidung, Sonnenbrille und Sonnencrèmes vor Sonnenbrand schützen. Wichtig ist auch, auf Hautveränderungen und Wachstum von Muttermalen zu achten. Wer solche Veränderungen an sich oder einem Familienmitglied entdeckt, sollte dies unbedingt von einem Dermatologen abklären lassen.
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