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Medizin

Alzheimer: Impfversuche in der nächsten Runde

Forscher in Basel und Tokio berichten über erste Erfolge mit einem DNA-Impfstoff

Vor der Alzheimer-Krankheit könnte noch am ehesten eine Impfung schützen, ist die Fachwelt überzeugt. Neue Methoden zeigen erste Erfolge. Im Mittelpunkt steht wiederum die von Novartis kreierte transgene Alzheimer-Maus – die eigentlich gar keine ist. Gross war die Enttäuschung, als vor vier Jahren die Impfversuche an Alzheimer-Patienten abgebrochen werden mussten. Der Impfstoff schien zwar viel versprechend zu sein, die Nebenwirkungen waren jedoch ganz einfach zu riskant: 18 der 298 geimpften Patienten erlitten eine Hirnhautentzündung. Als Vakzine diente damals das Protein beta-Amyloid, also eben der Stoff, der sich im Gehirn von Alzheimer-Patienten ablagert und dort mitverantwortlich ist für den bekannten fatalen Funktionsverlust im Denkorgan. Wenn man Patienten mit beta-Amyloid impft, wird das Immunsystem Antikörper bilden, die wiederum gegen das körpereigene Amyloid vorgehen und damit die Plaque-Bildung im Gehirn verhindern oder gar wieder abbauen können. Soweit die Idee. Das funktionierte bei Mäusen ausgezeichnet und soweit man heute weiss auch bei Menschen. Bei letzteren allerdings mit dem erwähnten Risiko, sich mit der Impfung eine Hirnhautentzündung einzuhandeln.

«Die Immunsysteme von Menschen und Mäusen können unterschiedlich reagieren», erklärt der Novartis-Forscher Matthias Staufenbiel gegenüber der baz die Impf-Panne. Er zeichnet mitverantwortlich für eine neue Impfstoff-Studie, die eben in den «Proceedings of the National Academy of Sciences» (PNAS) publiziert worden ist. Seit dem Abbruch der Patientenversuche mit beta-Amyloid wird fieberhaft nach anderen Wegen gesucht, den Menschen immun zu machen gegenüber der Alzheimer Krankheit. Einen neuen Ansatz verfolgen da eben Matthias Staufenbiel und ein japanisches Team um Yoh Matsumoto vom Städtischen Institut für Neurowissenschaften in Tokio. Die Forscher verwenden nicht direkt beta-Amyloid als Impfstoff, sondern die DNA, das Stückchen Erbgut, welches für das problematische Protein kodiert. Wird Mäusen solche DNA ins Muskelgewebe injiziert, bilden sich dort geringe Mengen beta-Amyloid. Und diese regen ihrerseits das Immunsystem auf sanftem Weg dazu an, Antikörper gegen den Plaque-Baustein zu mobilisieren. «Im Unterschied zur Vakzinierung direkt mit beta-Amyloid, die hohe Antikörper-Titer bewirkt, wird mit der DNA-Impfung eine schwache Immunantwort ausgelöst», so Staufenbiel.

Die Immunantwort mag zwar schwach sein, genügt jedoch offenbar, die Alzheimer-Plaque-Bildung im Gehirn zu stoppen. Zumindest bei Mäusen. Junge geimpfte Tiere mit einer genetisch bedingten Veranlagung zur Plaque-Bildung entwickelten um bis zu knapp 40 Prozent weniger Ablagerungen als unbehandelte Artgenossen. Mehr noch: Bei älteren Tieren, die bereits unter Ablagerungen litten, waren diese gegenüber unbehandelten Tieren bis um die Hälfte reduziert.

So weit die viel versprechenden Resultate bei Mäusen. Aber eben erst bei Mäusen, und dabei erst noch einer ganz besonderen Sorte. Bei den Tieren mit der «genetisch bedingten Veranlagung zur Plaque-Bildung» handelt es sich um transgene «Alzheimer-Mäuse», die von Novartis-Forschern vor etwas mehr als zehn Jahren speziell zum Studium der Alzheimer-Krankheit entwickelt wurden. «Ich mag den Ausdruck Alzheimer-Maus nicht», wehrt Matthias Staufenbiel ab, der von Anfang an bei der Entwicklung von transgenen Tieren mit dabei war. «Denn die Bezeichnung ist irreführend. Es wurde lediglich das Erbgut der Mäuse derart verändert, dass ihr Organismus Übermengen von beta-Amyloid produziert, die sich dann als Plaque in den Gehirnen ablagern.» Diese Ablagerungen verursachen zwar einige pathologische Veränderungen im Gehirn, von der Progression, dem stetigen Fortschreiten der Krankheit, bleiben die Tiere jedoch meist verschont. Auch zur Bildung von so genannten Tau-Fibrillen, dem zweiten typischen Chrakteristikum der Alzheimer-Krankheit, kommt es bei den Mäusen nicht.

Taugt denn die Alzheimer-Maus überhaupt als Modell für die Krankheit beim Menschen? «Ich finde schon. Wir haben ein Modell für die Plaque-Bildung. Und die ist gemäss heutigem Wissen Auslöser der Krankheit.» Daneben müssen er und seine Kollegen damit leben, dass Modelle eben nie komplette Abbilder der Wirklichkeit sind und mit unangenehmen Überraschungen bei der Anwendung am Menschen gerechnet werden muss. Entsprechend beurteilt Staufenbiel die ersten Erfolge der DNA-Impfung von Mäusen mit Vorsicht. «Das ist noch ein langer Weg bis zur praktischen Anwendung, mit DNA-Impfung haben wir noch gar keine Erfahrung, die technischen Details müssen erst noch entwickelt werden.» Toxikologisch seien DNA-Injektionen zwar unbedenklich, aber es müsse ausgeschlossen werden, dass die injizierte DNA ins menschliche Erbgut eingebaut wird und dort unkontrollierbare Reaktionen auslöst. «Wir halten das zwar für wenig wahrscheinlich, aber man weiss ja nie.» Daher müsse die DNA-Impfung vor allem zuerst einmal an Affen getestet werden. Falls alles gut läuft, rechnen die Autoren der PNAS-Publikation damit, in einigen Jahren mit Tests am Menschen beginnen zu können.

In der Zwischenzeit wird weltweit und auch bei Novartis an einem beta-Amyloid-haltigen Impfstoff weiter gearbeitet. «Man hat Vorstellungen davon, was genau bei der Impfung mit dem Protein die dramatischen Nebenwirkungen ausgelöst haben könnte», so Matthias Staufenbiel. Man müsse nun den Protein-Impfstoff in die Richtung modifizieren, dass die schädliche Komponente der Immunantwort künftig unterdrückt wird und damit auch das Risiko gefährlicher Nebenwirkungen sinkt.

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