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HIV/Aids: Wer mit dem Aids-Virus lebt, lebt länger zu zweit

Was gefühlsmässig auf der Hand liegt, haben Basler Forscher jetzt bewiesen

Menschen mit HIV leben länger und werden eher vom Ausbruch der Aids-Krankheit verschont, wenn sie – neben medikamentöser Behandlung – auch Zuneigung in einer stabilen Partnerschaft erhalten. Die traurige Beobachtung hat wohl jeder schon gemacht in seinem Bekanntenkreis: Stirbt einem betagten Menschen die Partnerin oder der Partner weg, so «mag» der oder die Hinterbliebene oft auch nicht mehr länger leben. Tatsächlich ist statistisch erwiesen, dass vorab unter älteren und/oder herzkranken Menschen die Dauer der verbleibenden Lebenszeit massgeblich davon abhängt, ob das Individuum moralisch gestützt wird: Wer mit einem lieben Partner lebt, lebt meist länger.

Es ist anzunehmen und wird auch durch Beobachtungen gestützt, dass emotionale Zuwendung, wie sie unter anderem in einer Lebenspartnerschaft erfahren wird, ganz allgemein den Verlauf chronischer Krankheiten günstig beeinflusst. Die These müsste insbesondere auch für diejenige Bevölkerungsgruppe gelten, die mit einer der derzeit gefährlichsten chronischen Erkrankungen leben muss: HIV-Infizierte. Nur: Wie kann man die an sich einleuchtende Vermutung schlüssig beweisen?

Was heisst «Partnerschaft»?

Eine Forschergruppe am Basler Universitätsspital und am Institut für Pflegewissenschaften der Universität Basel hat die schwierige Aufgabe angepackt und die gefundenen Resultate zu Jahresbeginn in der renommierten Fachzeitschrift «British Medical Journal» publiziert. Als Basis dienten die Daten, die seit Jahren im Rahmen der «Schweizerischen HIV-Kohortenstudie» an mehreren Tausend mit dem Aids-Virus infizierten Menschen gewonnen wurden, die an den verschiedenen Uni-Kliniken der Schweiz betreut werden. Verwertet wurden die Informationen von Infizierten, die unter hochwirksamer Kombinationsbehandlung (Haart) stehen und deren Immunstatus (Viruskonzentration und Zahl der CD4-Immunzellen im Blut) regelmässig kontrolliert wird. So kam eine 3736 Individuen starke Beobachtungsgruppe zusammen, deren Gesundheitszustand im Schnitt über 3,6 Jahre hinweg verfolgt wurde.

Nicht ganz einfach zu definieren war der Begriff «Partnerschaft». Denn im Gegensatz der bis jetzt untersuchten Bevölkerungsgruppen lebt die Mehrzahl der meist jungen HIV-Infizierten nicht in einer herkömmlichen Form der Zweisamkeit. Deshalb: «Wenn ein Proband oder eine Probandin angab, die vergangenen sechs Monate in enger Beziehung – einschliesslich Sexualverkehr – gelebt zu haben, dann gingen wir davon aus, dass es sich um eine stabile Partnerschaft handelt», erläutert Heiner C. Bucher, Professor für klinische Epidemiologie an der Basler Universitätsklinik und Leiter der Forschergruppe, diesen Punkt. Gemäss dieser Definition lebte immerhin rund die Hälfte der Befragten zum Zeitpunkt der Studie in einer stabilen Beziehung.

All dies vorausgeschickt, konnten Bucher und sein Team nachweisen, dass das Leben in einer festen Partnerschaft das Fortschreiten der Aids-Krankheit verlangsamt und das Sterberisiko vermindert. «Wir haben aber bloss Vermutungen, weshalb dies so ist», räumt Bucher ein. Ein Erklärungsversuch geht dahin, dass die in einer guten Beziehung lebenden HIV-Infizierten ihre Medikamente disziplinierter einnehmen als die ungebundenen Leidensgenossen. «Mit einem Partner macht das Leben eben mehr Sinn», so Bucher.

Depressionen seltener

Auch das Risko, zusätzlich an einer Depression zu erkranken, sei geringer als bei Singles. Zudem sei denkbar, dass emotionale Nähe das Immunsystem stützt und auch die neurohormonale Balance günstig beeinflusst. «Aber all dies müsste man noch genauer untersuchen», so Bucher. Doch sei das Studienresultat auch so für all diejenigen von Bedeutung, die HIV-infizierte Menschen betreuen. Weil man jetzt wisse, dass allein stehende Patienten schneller akut aidskrank werden können und man entsprechend vorsorgen sollte.

«British Medical Journal» vom 3. Januar 2004

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