Auch in der Schweiz wir die Endlagerung des Treibhausgases Kohlendioxid studiert
Im Januar startet ein Forschungsprogramm, mit dem die Machbarkeit einer Kohlendioxid-Deponie in der Schweiz untersucht wird. Um gerüstet zu sein, falls auch hierzulande fossil befeuerte Kraftwerke gebaut werden sollten. «Wir leben nun mal in einer Gesellschaft, die dauernd riesige Mengen des Treibhausgases Kohlendioxid in die Atmosphäre ausstösst. Und jeder Versuch, daran etwas zu ändern, ist besser als einfach gar nichts zu tun.» Sagt Marco Mazzotti, Professor am Institut für Verfahrenstechnik an der ETH Zürich. Nun, auch die Schweiz will etwas tun. Unter der Bezeichnung Carma (carbon dioxide management in power generation) startet kommenden Januar ein Forschungsprojekt, in dessen Rahmen zwölf Arbeitsgruppen die Machbarkeit und Akzeptanz von Kohlendioxid-Abscheidung und -Lagerung in der Schweiz ergründen wollen. Dies für den Fall, dass die drohende Lücke in der Stromversorgung auch hierzulande durch fossil beheizte Kraftwerke geschlossen werden soll.
Koordinator von Carma ist Marco Mazzotti, der schon einige Jahre auf diesem Gebiet arbeitet. Zusammen mit andern Wissenschaftlern auf der ganzen Welt forschen er und seine ETH-Kollegen an Verfahren, wie das bei jedem Verbrennungsprozess entstehende Kohlendioxid (CO2) gebunden und von der Atmosphäre fern gehalten werden könnte. Mineralisierung heisst der Prozess, mit dem sich Mazzotti und seine Mitarbeiter speziell auseinandersetzen. Dabei wird das Treibhausgas im Kontakt mit Silikatgestein zu Karbonaten umgewandelt und auf diese Weise chemisch stabil gebunden. «Das ist eine Reaktion, wie sie in der Natur schon immer abgelaufen ist, der Jura-Kalkstein ist teilweise übe diesen Prozess entstanden», so Mazzotti im Gespräch mit der BaZ.
Das Problem ist nur, dass diese Kalkstein-Bildung sehr langsam vonstatten geht und unter dem Strich viel Energie verbraucht. Denn das Silikatgestein muss erst zermahlen und in Wasser aufgeschlämmt werden, bevor es mit dem eingepumpten Kohlendioxid reagieren kann. «Die Prozessbedingungen müssen durch Variierung von Druck und Temperatur sowie eventuell Zugabe von Katalysatoren noch optimiert werden», sagt Marco Mazzotti. Realisierbar erscheint ihm dagegen heute schon die Idee, das CO2 in den Schlackenabfällen der Stahl- und Zementindustrie zu mineralisieren. «Damit träfe man zwei Fliegen auf einen Schlag: Das Treibhausgas wäre sicher eingebunden und der Industrieabfall gleichzeitig in eine lagerfähige Form gebracht.» Nur: So viele Schlacken gibt es gar nicht, um darin all das Kohlendioxid zu entsorgen.
Andere Länder verfolgen daher andere Strategien. Etwa in Japan und den USA wird geprüft, das Kohlendioxid unter hohem Druck auf den Tiefseeboden zu pumpen. Dort würde das verflüssigte Gas dann in den Senken des Meeresbodens Seen bilden, und hoffentlich auch dort unten bleiben. «Das ist in Europa keine Option», sagt Marco Mazzotti dazu. Bei einer Anreicherung von CO2 in der Tiefsee würde der Säuregrad des Meerwassers in unzulässigem Mass ansteigen, und es bestünde das Risiko, dass sämtliches Leben erstickt. Deshalb ist die CO2-Lagerung auf dem Meeresboden aus ökologischen Gründen keine Lösung.
Eher steht momentan die Einlagerung des Treibhausgases in Wasser führende Gesteinsschichten (Aquifere) in mehreren tausend Metern Tiefe im Vordergrund. «Auf dieser Basis operieren bereits vier grosse Projekte», weiss Marco Mazotti. Voraussetzung sei, dass die Lagerstätte von undurchlässigen Gesteinsschichten überdeckt sei. Darunter sammle sich das Kohlendioxid vorerst mal in einer Gasblase an, werde dann aber mit der Zeit im Wasser gelöst, ähnlich wie in Mineralwasser. «Das ist schon viel stabiler als die freie Gasform.» In einer späteren Phase trete dann zumindest teilweise auch wieder eine Mineralisierung ein, es entstehen Karbonate und Quarz. Besondere Risiken sieht Mazotti mit dieser Technik nicht verbunden, denn schliesslich gebe es auf dieser Basis bereits grosse natürliche CO2-Vorkommen im Boden. «Die Chemie des Kohlendioxids in Wasser und die möglichen Interaktionen mit Gesteinen sind im Prinzip bekannt, müssten aber für jeden Lagerstandort konkret ausgetestet werden.»
Eine weitere Methode der CO2-Entsorgung bietet sich aus der Gas- und Erdölfördertechnik an. Bereits heute wird an einigen Orten Kohlendioxid in Erdgas- und Erdöllagerstätten gepumpt, um auf diese Weise den Förderdruck zu erhöhen und die Ausbeute zu verbessern. Im Idealfall bleibt dann das CO2 anstelle des schwarzen Goldes im Boden zurück. Auch Kohleschichten, deren Abbau sich nicht lohnt, können Kohlendioxid aufnehmen. Das Treibhausgas würde dabei das in der Kohle gespeicherte Methan verdrängen. Allerdings muss sicher gestellt sein, dass das ausgetriebene Erdgas dann auch aufgefangen und als Brennstoff genutzt wird. Sonst würde man den Teufel mit dem Beelzebub austreiben, ist doch Methan respektive Erdgas ein vielfach potenteres Treibhausgas als Kohlendioxid selber. Marco Mazotti sieht in dieser Hinsicht jedoch keine Probleme, die nicht bereits heute von der Erdöl- und Erdgasfördertechnik gemeistert werden können.
Zentral ist bei alledem, dass das Kohlendioxid nach menschlichen Massstäben für immer im Boden bleibt. Denn CO2 hat im Gegensatz zu radioaktiven Abfällen keine Halbwertszeit, zersetzt sich also nicht von alleine. Gelangt es über Gesteinsrisse oder Leckagen wieder in die Atmosphäre, hat diese doppelt verloren. Sie würde nun zusätzlich noch durch das CO2 belastet, das beim energiefressenden Lagerungsversuch frei gesetzt wurde. Daher fordert etwa die deutsche Bundesregierung aus klimapolitischen Überlegungen, ein CO2-Endlager dürfe pro Jahr höchstens 0,01 Prozent seines Inhaltes verlieren, sodass sich nach 1000 Jahren noch etwa 90 Prozent des Treibhausgases im Speicher befände.
Von alledem hält die Gesellschaft Deutscher Chemiker nicht viel. Sie forderte schon im Mai 2004 in ihrer Stellungnahme die natürliche Fixierung von CO2 durch Aufforstung. Holz stelle eine lagerfähig gebundene Form von Kohlenstoff dar. Doch gilt auch dies nur, solange das Holz weder verbrannt wird noch verrottet, sondern etwa als Baustoff zum Einsatz kommt. Zudem ist es gar nicht so einfach, Bäume mit Kohlendioxid zu «düngen», zu schnellerem Wachstum und vermehrter Holzbildung anzuregen. Dies hat unter anderen auch der Basler Botaniker Christian Körner aus seinem Experiment in Hofstettens Baumwipfeln lernen müssen.
So erscheint eine dauerhafte Endlagerung von Kohlendioxid aus heutiger Sicht ein schwer zu erreichendes Ziel. Zumindest ist momentan nicht garantiert, dass sich der Aufwand aus ökologischer – geschweige denn ökonomischer – Sicht je lohnen wird. Einen interessanten Nebeneffekt hätte die Technik allerdings, falls sie denn obligatorische Bedingung würde für den Bau neuer Kohlekraftwerke: Der Strom verteuerte sich derart, dass Windkraft preislich konkurrenzfähig würde.
Box: Bereits die CO2-Abscheidung kostet viel Energie
Technisch ist es bereits heute machbar, das CO2 aus den Verbrennungsgasen etwa von Kohlekraftwerken abzuscheiden und lagerbereit zu konzentrieren. Das Problem ist, dass solche Kohlendioxid-Aufbereitungsanlagen etwa gleich viel Platz benötigen wie das Kraftwerk selber und derart viel Energie verschlingen, dass der Wirkungsgrad eines modernen Kohlekraftwerks von 45 auf 30 bis 35 Prozent sinkt. Das heisst: Für dieselbe Menge produzierten Stroms muss bis zur Hälfte mehr Kohle verbrannt werden. Eine andere Möglichkeit besteht darin, die Kohle mit reinem Sauerstoff zu verbrennen. Die Abgase bestehen dann nach Abscheiden des Wasserdampfs praktisch zu 100 Prozent aus CO2. Hier ist die Separierung des Sauerstoffs aus der Luft der grosse Energiefresser, sodass sich der Wirkungsgrad des Kraftwerks auch mit dieser Methode um 10 bis 15 Prozent verschlechtert. In beiden Fällen können die Kraftwerk-Brenngase jedoch höchstens zu 75 bis 90 Prozent vom Kohlendioxid befreit werden.