Testosteron taugt nicht als Jungbrunnen für den alternden Mann
Ob als Booster, Gel oder Depotspritze: Testosteron-Ersatzpräparate finden sich im Internet wie Sand am Meer. Besonders in der Bodybuilder-Szene und unter Ausdauersportlern erfreuen sich synthetisch hergestellte männliche Sexualhormone grosser Beliebtheit. Mann verspricht sich von ihnen unter anderem Kampfgeist, spriessende Muskeln und eine Vermehrung der roten Blutkörperchen, alles Vorteile im sportlichen Wettkampf – verständlicherweise stehen Testosteronpräparate daher auf der Dopingliste.
Die Testosteron-Ergänzungstherapie wird aber auch weit herum als Jungbrunnen für den alternden Mann gehandelt. Denn tatsächlich nimmt der Gehalt des Geschlechtshormons im Blut des Mannes etwa ab dem 40. Altersjahr kontinuierlich ab, die erwünschten 20 bis 30 Nanomol pro Liter Blut schrumpfen jährlich um etwa ein Prozent. Die Folgen bekommen besonders Männer zu spüren, bei denen es bereits in jungen Jahren nicht besonders gut bestellt war mit der körpereigenen Testosteronproduktion. Sie werden die Symptome des männlichen Klimakteriums wie Stimmungsschwankungen, Libidoverlust, Muskelschwund und Osteoporose besonders deutlich zu spüren bekommen.
Die Idee liegt daher auf der Hand, beim alternden Mann der Natur ein bisschen nachzuhelfen und das fehlende Geschlechtshormon von aussen zu ergänzen. Nur war bis jetzt umstritten, ob dies überhaupt etwas bringt. Bisherige Untersuchungen erfassten nur eine geringe Anzahl Probanden oder waren mit anderen Unzulänglichkeiten behaftet. Die holländische Ärztin Marielle Emmelot-Vonk von der Universität Utrecht hat nun zusammen mit Kollegen erstmals an 207 gesunden 60 bis 80jährigen Männern gründlich untersucht, ob und wie eine Hormonersatztherapie wirkt. Alle Probanden waren wohlauf, ihr Testosteronwert lag allerdings unter 13,6 Nanomol. Nun schluckte die eine Hälfte der Versuchsteilnehmer während eines halben Jahres täglich zweimal eine Hormonpille, während der Rest der Probanden mit einem Scheinpräparat versorgt wurde.
Nach Ablauf des Versuches wurden die beiden Probandengruppen auf Herz und Nieren untersucht. Das Augenmerk galt der Verteilung der Fett- und Muskelgewebe, dem Körpergewicht, der körperlichen und geistigen Beweglichkeit sowie den Blutfettwerten und der subjektiv erlebten Lebensqualität, inklusive Libido und sexuelle Potenz. Das Resultat – es wurde eben im Publikationsorgan Jama der US-Ärztegesellschaft publiziert – ist ernüchternd. Zwar wiesen die mit Testosteron behandelten Senioren ein bisschen mehr fettfreie Muskelmasse aus, fitter waren sie deswegen aber nicht. Das fazit der Forscher: «Die Testosteron-Behandlung hat weder geschadet noch genützt.» Ausser der Pharmafirma, welche die Präparate herstellt.