Ab 23. Juni wird das Schweizer Segelsyndikat Alinghi in Valencia den America’s Cup verteidigen. Antreten müssen Ernesto Bertarelli und seine Crew gegen das Team New Zealand. Wer als erster fünf von den neun Regatten gewonnen hat, darf die begehrte Kanne mit nach Hause nehmen. Intakte Chancen für beide Teams: Die Neuseeländer imponierten in den Ausscheidungsregatten mit ausserordentlichen seglerischen Leistungen. Dafür verfügt das Alinghi-Syndikat mit dem Boot SUI 100 über eine Geheimwaffe.
Die Sensation hat eigentlich bereits am 2. März 2003 stattgefunden: Damals gewann Newcomer Alinghi überraschend die 5. Regatta in Serie gegen Titelverteidiger Team New Zealand und damit den begehrten America’s Cup, wohl die prestigeträchtigste Seglertrophäe der Welt. Zum ersten Mal seit 152 Jahren, als die Briten die allgemein als «hässlich» verschriene Kanne an die Amerikaner abgeben mussten, kehrte folglich der Meistertitel nach Europa zurück. Und es war mit dem Schweizer Industriellen Ernesto Bertarelli ausgerechnet ein Binnenländer ohne Meeranstoss, der das zustande gebracht hatte.
Der Traum aller Touristik-Manager
Doch nach dem Cup ist vor dem Cup: Kaum war die Kanne in Genf angekommen, begann das Alinghi-Team mit den Vorbereitungen für die Verteidigung des Titels. Das Reglement will es, dass dem Cup-Inhaber so ziemlich alle Freiheiten gelassen werden, wie und wo er seinem Herausforderer die Stirn bieten will. Natürlich kam der Genfersee als Austragungsort nicht in Frage, und so erhielt Alinghi Angebote aus aller Welt. Die Szenerie abgeben zu dürfen für den America’s Cup (AC) gilt als grosse Ehre und ist lukrativ. Die Wahl fiel schliesslich auf die spanische Hafenstadt Valencia, wohl auch als Reverenz an König Juan Carlos, selber ein begeisterter Segler. Zumindest die Hoffnungen der Touristik-Manager haben sich bereits erfüllt: Eben konnte Valencia den fünfmillionsten Besucher im eigens erbauten AC-Park begrüssen.
Revanche für die Neuseeländer
Derweil waren das Alinghi-Team und die elf Herausforderer nicht müssig. Es galt, eine neue Mannschaft zusammenzustellen oder noch besser: die alte möglichst bei der Stange zu halten. Neue Boote mussten gezeichnet und gebaut werden, jedes der zwölf Teams musste in Valencia seine eigene Basis einrichten, bis am vergangenen 3. April mit den Ausscheidungsrennen begonnen werden konnte. Diese gipfelten im Louis Vuitton Cup (18. April bis 12. Juni), der Regattaserie, mit welcher das Boot erkoren wurde, das versuchen darf, Alinghi die alte Kanne streitig zu machen. Das Rennen machte schliesslich das Emirates Team New Zealand, also die Crew aus Neuseeland, die vor vier Jahren derart schmählich gegen Alinghi verloren hatte.
Viel Geld im Spiel
Die Spielzeuge von Buben und Männern unterscheiden sich vor alle in deren Preis, wird oft gesagt. Tatsächlich mussten die einzelnen Teams und deren Chefs viel Geld in die Hand nehmen, bis sie fit waren für «Valencia». Auf 160 Millionen Franken beläuft sich – offiziell – das Budget der Alinghi. Kein Problem für Team-Chef Ernesto Bertarelli: Mit an Bord als Hauptsponsor ist die Bank UBS, der es 30 Millionen Franken wert ist, mit ihrem Namenssignet auf den Alinghi-Rümpfen und –Segeln zu glänzen. Und schliesslich wird’s auch Bertarelli selber nicht am nötigen Kleingeld mangeln, besonders seit er mit der Firma Merck einen potenten Käufer für sein Familienunternehmen Ares-Serono gefunden hat.
Bertarellis Geste
Noch mehr Geld, nämlich 200 Millionen Franken, hatte der amerikanische Herausforderer BMW Oracle Racing zur Verfügung. Aber gerade das Abschneiden des amerikanischen Bootes zeigt, dass mit Geld allein nicht alles zu richten ist. Die Amerikaner, die in den vergangenen 152 Jahren meist Cupsieger oder zumindest Herausforderer waren, landeten diesmal im Louis Vuitton Cup bloss auf dem zweiten Platz.
Dagegen hatte das neuseeländische Team 2003 nach der demütigenden Niederlage gegen Newcomer Alinghi zunächst grosse Geldsorgen. Es war dann ausgerechnet Ernesto Bertarelli, der den Kiwis mit einem 12-Millionen-Kredit aus der Patsche half – und sich damit einen formidablen Gegner heranzog. «Ein America’s Cup ohne Neuseeländer wäre wie eine Fussball-WM ohne Brasilianer», soll der Alinghi-Chef seine Geste begründet haben. Team New Zealands Boss Grant Dalton andererseits wird nicht müde zu betonen, der Kredit sei bis auf den letzten Rappen zurückbezahlt worden. Als Hauptsponsor der Neuseeländer firmiert inzwischen die in Dubai beheimatete Fluglinie «Emirates».
Geheimwaffe SUI 100
Und so werden also die Kiwis ab 23. Juni versuchen, Alinghi die silberne Kanne wieder abzujagen. Gesegelt wird in einer «Best-of-nine-Serie», Sieger ist, wer als erster fünf von neun Begegnungen für sich entscheiden kann. Welches Team dies sein wird, darüber mögen auch Fachleute keine Wetten abschliessen. Die Neuseeländer haben bis jetzt seglerisch einen sehr starken Eindruck hinterlassen, so die einhellige Meinung. Andererseits kann Bertarelli auf ein eingeschworenes Team zählen, 70 Prozent seiner Mannschaft waren schon 2003 mit dabei. Als Geheimwaffe gehandelt wird auch die SUI 100, das neuere der beiden Alinghi-Boote, das vermutlich gegen die Kiwis zum Einsatz kommt – und gegen das noch niemand gesegelt hat.
Die Boote
Nach jahrelangen Streitereien um Design-Regeln wird der Cup seit 1992 nur noch mit Booten ausgetragen, die den Bestimmungen der «International America’s Cup Class» (IACC) entsprechen. Die Rumpflänge wurde auf 26 Meter festgelegt, die Breite darf 4,5 Meter, das Gewicht 24 Tonnen nicht überschreiten. Die 33 Meter hohen Masten tragen maximal 320 Quadratmeter Segelfläche (am Wind). In den Augen von Laien gleichen sich die «America’s Cupper» beinahe wie ein Ei dem andern, kleine Details und Tricks sind matchentscheidend.
Die Mannschaften
18 Mann (ein Passagier inklusive) finden auf einer IACC-Yacht Platz (Frauen sind nicht gefragt). Steuermann, Taktiker, Stratege und Navigator bestimmen, wo es lang geht, der Rest der Crew liefert vor allem die Muskelkraft an den Winschen. Während die Neuseeländer mit zwei Ausnahmen ihre Crew aus eigenem Boden heranzogen, dienen im Alinghi-Syndikat vornehmlich Segel-Söldner aus neun Nationen. Als Stratege (Afterguard) wird Ernesto Bertarelli der einzige Schweizer an Bord sein. Unterstützt wird seine Crew – ausgerechnet – durch sechs Neuseeländer.