Sie kennen sicher die Geschichte vom Putzerfisch, dem flinken Kerlchen, das ohne Scheu auch Raubfische von Parasiten befreit, ihnen sogar ins Maul schwimmt und sich dort als Dentalhygieniker nützlich macht. Was auf den ersten Blick als veritable Mutprobe erscheint, ist eigentlich keine: Auch Fische mit grossem Gebiss denken nicht daran, den kleinen Helfer zu verschlingen. Denn Bedienstete sind nicht leicht zu finden, das ist auch im Tierreich so. Im Gegenzug tut sich der Putzfisch ausschliesslich an den Schädlingen am Wirts-Körper gütlich, vom Schleim auf den Fischschuppen lässt er die Finger, obwohl der ihm eigentlich viel besser schmeckt.
Soweit eigentlich logisch. Doch verkneift sich der Putzerfisch Labroides dimidiatus das Schleim-Naschen eben auch dann, wenn er bei einem Vegetarier-Wirt arbeitet und keine Angst haben muss vor dem Gefressenwerden. Er ist also ehrlich, obwohl er keine Strafe zu befürchten hat.
Das sieht verdächtig nach Altruismus aus und hat die Neugierde von Redouan Bshary und dessen Team an der Universität Neuenburg geweckt. Bshary ist dort Professor für Verhaltensökologie und studiert das Kooperationsverhalten unter nicht-verwandten Tier-Individuen. In der jüngsten Ausgabe von «Nature» beschreiben er und sein Team die komplexe Versuchsanordnung, mit der sie dem Putzerfisch auf die Schliche kamen. Dabei zeigte sich, dass der Putzer sich zwischendurch ganz gern am leckeren Schleim vergreift, wenn er mit einem Klienten, in diesem Fall dem Korallenfisch Scolopsis bilineatus, alleine ist. Sobald aber mehrere Korallenfische in Sichtweite sind, reisst sich der Putzerfisch zusammen. Er hat nämlich auf seinen Ruf zu achten. Denn wenn sich herumspricht, dass er seinen Kunden den schützenden Schleim vom Leibe frisst statt der lästigen Parasiten, hat der Putzer ein Problem: Kein Korallenfisch liesse ihn noch an sich heran.
Ehrlich währt halt tatsächlich am längsten. Aber es hilft natürlich schon, wenn man (fisch) dabei auch einen kleinen Vorteil hat.