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Nanowissenschaften

Die Zukunft der Nano-Wirtschaft hat bereits begonnen

Doch weh dem, der die Gesetze des Marktes missachtet

Mühsam und gefährlich ist der Weg vom Labor zu einem marktfähigen Produkt. Dies gilt auch für die wirtschaftliche Nutzung der von Nano-Forschern gemachten Entdeckungen. Ein Workshop im Rahmen des Basler Nano-Kongresses ICN+T zeigte, worauf es ankommt. «Grundlagenforschung braucht es natürlich, will man neue Produkte auf den Markt bringen. Aber wer erfolgreich sein will, muss von Anfang an auch Marketing-Überlegungen anstellen»: Ralf Anselmann von der Degussa AG hat klare Vorstellungen davon, wie Erfolg geschmiedet wird. Am Workshop «Nanotechnologie» schilderte er, wie seine Firma dies mit der Schaffung eines «Science to Business Center» anstellen will. Während fünf Jahren werden Wissenschaftler, Techniker und Marketingfachleute darauf angesetzt, auf Nanotechnik beruhende elektronische Schaltungen, Solarpanels, Bildschirme und Batterien zu entwickeln.

Preis muss stimmen

«Die Bedingung ist: Die Produktion muss drucktechnisch erfolgen, das beherrschen wir und drängt sich beim Einsatz von Nano-Materialien direkt auf, und sie muss konkurrenzlos günstig sein.» Denn die beste Idee nütze nichts, wenn der Kunde hinterher nicht bereit sei, für das Produkt den erforderlichen Preis zu bezahlen.

Dabei sieht Anselmann durchaus auch die Limiten einer solchen Entwicklungs- und Produktionsphilosophie: «Selbstredend wird gedruckte Elektronik nie so viele Transistoren aufnehmen können wie ein Silicon-Chips.» Aber das sei ja nicht für alle Anwendungen nötig. Und wer pro Quadratmeter Solarpanel ab Druckwalze 15 Franken bezahle, erwarte dafür auch nicht unbedingt eine zehnjährige Lebensdauer.

Marketing befruchtet Forschung

Suzanne Thoma von der Allschwiler Rolic Technologies sieht das ähnlich. Am Beispiel der Entwicklung des PEARL-Systems ihrer Firma zeigte sie auf, wie frühzeitige Zusammenarbeit auf allen Entwicklungsebenen Bedingung ist für den Erfolg. Bei PEARL handelt es sich um eine neuartige Fälschungsschutz-Technik, welche die heute üblichen Hologramm-Markierungen mit deren typischen Regenbogenfarben ablösen soll. Letztere sind inzwischen nicht mehr genügend fälschungssicher. Da will das Produkt von Rolic Abhilfe schaffen: Mehrere Molekülschichten werden mit nanotechnischen Methoden in einem hauchdünnen Film in der Weise angeordnet, dass je nach Licht-Einfallswinkel ein Bild in unterschiedlichen Farben erscheint. Inzwischen ist das System so weit ausgereift, dass damit Banknoten, Markenartikel oder Industrieverpackungen fälschungssicher markiert werden können.

Doch was jetzt so einfach tönt, hat einen komplexen Entwicklungsprozess durchlaufen. Aus Kostengründen musste immer wieder nach neuen Wegen gesucht werden. «Das Beispiel zeigt, dass Marketing-Überlegungen durchaus auch die Grundlagenforschung befruchten können», schliesst Suzanne Thoma aus ihren Erfahrungen mit der PEARL-Entwicklung.

Gute Zukunftaussichten

Ganz generell prophezeit Thoma nanotechnischen Methoden in der Industrie eine grosse Zukunft. Heute schon befruchte die neue Technik Marktsegmente im Wert von gegen 200 Milliarden Dollar jährlich, und dieser Betrag könne sich bis 2015 noch verfünffachen. Nanotechnologie ziehe Investoren-Gelder an und es sei daher für Firmen vorteilhaft, sich das Etikett «Nanotech» umzuhängen. Allerdings könnte der Siegeszug der Nanotechnik auch empfindlich gebremst werden, warnt Thoma. Etwa wenn der wirtschaftliche Erfolg ausbleibe oder sich die öffentliche Meinung «wegen tatsächlich existierender oder eingebildeter Risiken» gegen die neue Technologie wende. Daher tue die Wissenschaftler-Gemeinde gut daran, nicht bloss unter Experten, sondern auch mit der Allgemeinheit den ehrlichen Dialog zu suchen.

Drei von 53 Ausstellern stammen aus der Region Basel

Wird bald flügge. Die Höhe des Aktienkapitals will er zwar nicht nennen und auch über die Umsatzzahlen schweigt man sich vornehm aus. Doch «selbstverständlich sind wir eine richtige Firma», versichert Guido Tarrach auf Anfrage. Er ist Physikprofessor und hat 2003 zusammen mit zwei Kollegen die «SwissProbe AG» gegründet. Herzstück des Kleinunternehmens ist das hoch auflösende Magnetokraftmikroskop, (hr-MFM) das ursprünglich vom Team um Prof. Hans-Josef Hug am Basler Institut für Physik entwickelt wurde. «Wir erwarben das Nutzungsrecht und haben das Gerät zur Marktreife gebracht», so Guido Tarrach stolz. Bereits sind einige hr-MFM (wieviele Exemplare will Tarrach wiederum nicht sagen) weltweit im Einsatz in der Harddisk-Industrie. Dort testen die Basler Maschinen die Qualität von neu entwickelten HD-Schreibköpfen. Die schreiben ihre Informationen inzwischen immer enger auf die Scheiben, und mit dem hr-MFM kann man dank einer Auflösung von zehn Nanometern (zehn Millionstel Millimeter) bildlich darstellen, ob überhaupt noch Sinn macht, was auf engstem Raum auf die Scheibe geschrieben wurde.

Noch ist Swissprobe im Basler Institut für Physik zur Miete, doch «noch dieses Jahr» will man flügge werden und eigene Räume beziehen, hofft Professor Tarrach.

Box: Die künstliche Zunge

Seit 2005 bietet die Firma Concentris ein hochempfindliches System an, das in einer Flüssigkeit bereits wenige Substanzmoleküle «erschmecken» kann. «Ja, man kann von einer künstlichen Zunge sprechen», bestätigt Concentris-CEO Urs Huber im Gespräch mit der baz. Die Vorrichtung ist bis zu einem gewissen Grad dem Rasterkraft-Mikroskop abgeguckt. Nur werden die Miniatur-Federarme (Cantilever) nicht mit Spitzen, sondern mit spezifischen Chemikalien bestückt. Diese binden die gesuchten Substanzen selektiv an sich. Der Massenzuwachs auf dem Cantilever ist zwar minim, aber im Prinzip reicht es, dass ein einzelnes Molekül andockt, um das Federärmchen ein bisschen zu verbiegen. Und diese mechanische Verbiegung kann elektronisch verstärkt und gemessen werden. Damit steht ein Sensor von ungeahnter Empfindlichkeit zur Verfügung, praktisch jede Substanz kann schon als Einzel-Molekül nachgewiesen werden, sofern die Cantilever mit den entsprechenden Detektor-Chemikalien belegt werden.

Eben dabei kann Concentris helfen. «Wir liefern das Gerät und die Technik zur Beschichtung der Cantilever», so Urs Huber. Daneben wird den Kunden auch bei der Auswertung der Resultate Hand geboten. Im Moment sind damit an der Davidsbodenstrasse in Basel sieben Mitarbeitende beschäftigt. Die Firma ist als GmbH organisiert, Umsatzzahlen werden daher nicht bekannt gegeben.

Box: Für den Unterricht

Der Richtpreis für das Gerät liegt bei rund 70 000 Franken, also wohl an der oberen Grenze, um als Geschenk unter den Weihnachtsbaum gelegt zu werden. Aber ein tolles «Spielzeug» ist natürlich schon, was die Liestaler Nanosurf AG an der Nano-Messe im Basler Kongresszentrum gegenwärtig präsentiert. Das Rasterkraft-Mikroskop passt in jede Westentasche, wird von Batterien betrieben und kann dank seinem modularen Aufbau je nach Bedarf die Oberflächen von Haut, Staphylokokken-Membranen, Silizium oder Gold im molekularen oder atomaren Bereich sichtbar machen. Das ideale Gerät für den Unterricht, versichert Stefan Stücklin dem Ausstellungsbesucher. Seine Firma gilt als Prototyp eines erfolgreichen Spinoffs, nächstes sind es zehn Jahre her, dass Nanosurf von jungen Physikern mit dem an der Universität erworbenen Wissen um die Rasterkraft-Mikroskopie eine eigene Firma gründeten. «Seither geht es stetig aufwärts», so Stücklin. Inzwischen arbeiten 25 Personen in Liestal, der Jahresumsatz betrage knapp fünf Millionen Franken. Grosse Hoffnung wird auf das jüngste Nanosurf-Produkt gesetzt, das «Nanite». Damit könne man automatisch und ohne Spezialtraining pro Tag Hunderte von Proben analysieren, verspricht der Prospekt. Oberflächeanalysen und -Behandlung mittels Nanotechnologie gehöre damit bald zum industriellen Alltag.

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