Plädoyer für einen freien Binnenmarkt im Schweizer Gesundheitswesen
Privatspitäler sind vor allem teuer, nur etwas für reiche Patienten, so die gängige Meinung. «Stimmt überhaupt nicht», wehrt sich Urs Brogli gegen das hartnäckige Vorurteil. Er ist Kommunikationschef der Privatklinikgruppe Hirslanden, die dreizehn der rund 100 Privatkliniken in der Schweiz betreibt. «Im Gegenteil: Privatkliniken müssen effizienter arbeiten als öffentliche Spitäler, weil sie in der Regel keine Subventionen erhalten», sagt Urs Brogli. Wie sich Prognostiker doch täuschen können: Jedes neunte Spital in der Schweiz werde in den kommenden zehn Jahren schliessen müssen, schrieb 1996 die damalige Beraterfirma ATAG Ernst & Young in einer Studie. Und lag damit grundfalsch, wie man zehn Jahre danach feststellen kann. «Die Prognose hat sich weder für die öffentlich noch die privat geführten Spitäler erfüllt», stellt Urs Brogli heute fest. Der Kommunikationschef von Hirslanden weiss auch, weshalb dies so ist: «Wann immer ein kantonaler Gesundheitsdirektor ein Spital zu schliessen wagte, wurde er hinterher meist abgewählt.»
«Vergleiche hinken»
Nur gerade ein grösseres Privatspital hat im Jahrzehnt nach Inkrafttreten des Krankenversicherungs-Gesetzes KVG den Betrieb eingestellt. Doch wehrt sich der Hirslanden-Sprecher gegen den Vorwurf, die Privatspitäler seien schuld an der Kostenexplosion im Gesundheitswesen. «Die vom Krankenkassen-Verband Santésuisse immer wieder vorgebrachten Vergleiche hinken und sagen nichts aus über die tatsächlich verursachten Kosten», betont er. «Es wird nicht berücksichtigt, dass Privatkliniken in der Regel von den Kantonen für die Behandlung von Patienten keinen Sockelbeitrag erhalten. Darüber hinaus haben Private für alle Investitionen (Bauten, Geräte etc,) selber aufzukommen, während für das öffentliche Spital der Steuerzahler zur Kasse gebeten wird. Kein Wunder also, wenn dann die Rechnung für Privatklinik-Patienten – und deren Kassen – entsprechend höher ausfällt als in einem öffentlichen Spital.»
Nicht bloss für Begüterte
Geld verdienen kann man eigentlich sowieso nur an Privatpatienten, rechnet Urs Brogli vor. Ist die Pflege in Privatkliniken somit bloss für wohlhabende Kranke erschwinglich? «Nein, auch dieses Vorurteil stimmt nicht», wehrt er ab. Die Kosten von ambulanten Behandlungen in Privatkliniken würden ja durch die Grundversicherung abgedeckt. Und wer eine Zusatzversicherung abgeschlossen hat, kann sich beruhigt auch ins Bett einer Privatklinik legen, ohne um sein letztes Hemd fürchten zu müssen. «Zusatzversicherungen sind im Vergleich zur Grundversicherung gar nicht so teuer. Besonders wenn man noch bedenkt, was Herr und Frau Schweizer sich sonst auch noch an Luxus leisten.»
Urs Brogli bleibt dabei: Privatkliniken arbeiten in der Regel sehr effizient, in dieser Beziehung würde auch für öffentliche Spitäler noch einiges drin liegen. «Und man muss Top-Qualität bieten, besser sein als die andern, sonst bleiben die Patienten weg.»
Das Problem Qualitätskontrolle
Heisst dies, dass die Konkurrenz durch private Anbieter hilft, die Qualität im Schweizer Spitalwesen zu stützen? «In dieser Beziehung muss noch manches ändern in der Schweiz», so der Hirslanden-Sprecher. «Ich sage nicht, die Qualität in den Schweizer Spitälern sei schlecht. Aber punkto Qualitätskontrolle fallen wir europaweit ab.» Das ist insofern störend, als nur ein Qualitäts-Monitoring, dessen Ergebnisse dann auch öffentlich gemacht werden, den Markt im Gesundheitswesen auf faire Weise spielen lassen kann. Es muss Sinn machen
Ein freier Markt – auch im Gesundheitswesen – ist jedoch laut Urs Brogli der zuverlässigste Garant für hohe Qualität und optimalen Einsatz der Mittel. Dies gilt auch für das Angebot von Spitzenmedizin – ein Begriff, den er allerdings relativieren möchte. «Was gestern noch High-Tech-Medizin war, gehört heute oft bereits zum selbstverständlichen Angebot jedes Spitals. Entscheidend ist einzig, ob ein Angebot auch ökonomisch Sinn macht.» Er nennt dazu ein Beispiel: «Hirslanden führt keine Transplantationen durch. Nicht weil wir dazu nicht fähig wären. Aber es ergibt für uns einfach keinen Sinn, auch noch in diesem Spezialgebiet tätig zu werden, wo sich heute schon die Universitätskliniken in den Haaren liegen und in vielen Fällen ein akuter Mangel herrscht an Spenderorganen.»
Eine Lanze für Fallpauschalen
Als Verfechter eines marktwirtschaftlich ausgerichteten Gesundheitswesens begrüsst der Hirslanden-Sprecher konsequenterweise auch die Einführung von Fallpauschalen im Rahmen der Diskussionen um DRG (medizinisches Klassifikationssystem nach «diagnosis related groups»). Danach würde eine definierte Leistung (beispielsweise eine Blinddarmoperation oder eine Geburt) in allen Spitälern in der Schweiz gleich vergütet. «Wir finden das sinnvoll und wichtig, damit kommt mehr Transparenz ins System. Hirslanden befürwortet daher Fallpauschalen, allerdings ausschliesslich im Bereich der Grundversicherung.»
Grenzenlose Behandlung …
Geht es nach dem Willen von Bundsrat und Gesundheitsminister Pascal Couchepin, sollen im Spitalbereich die Landesgrenzen fallen. Entsprechende Pilotprojekte zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Spitalbereich sind in einigen Grenzregionen der Schweiz aufgegleist. «Als Verfechter des freien Wettbewerbs in der medizinischen Versorgung sind wir nicht prinzipiell gegen die Lockerung des Territorialprinzips», sagt Urs Brogli zu dieser jüngsten Entwicklung. Das heute als Regel noch geltende Territorialprinzip besagt, dass Krankenkassen Leistungen nur in dem Land bezahlen müssen, in dem der Patient wohnt. «Wenn Patient und Krankenkasse übereinkommen, eine bestimmte Leistung sei besser im Ausland einzukaufen, so ist das okay für uns.»
… auch in der Schweiz
Urs Brogli schiebt aber gleich ein grosses Aber nach: «Voraussetzung für die Aufhebung des Territorialprinzips ist jedoch, dass zuerst einmal innerhalb der Schweiz der freie Wettbewerb funktioniert. Heute aber sind die Kantonsgrenzen immer noch Mauern, man kann sich als grundversicherter Aargauer ja nicht einmal im nahen Zürich behandeln lassen. Bevor also die Landesgrenzen fallen, sollten zuerst einmal die Kantonsgrenzen überwunden werden. Wenn dann einmal der freie Markt herrscht im Schweizer Gesundheitswesen, die Spitallisten abgeschafft, die Qualitätskriterien transparent und die Spiesse gleich lang sind, dann kann tatsächlich auf das Territorialprinzip verzichtet werden.»