Wer Isoldes Liebestrank Wirkung in Frage stellt oder Donizettis Bauerntölpel belächelt, der mit Hilfe des «Elisir d’amore» seine Liebste für sich zu gewinnen hofft, liegt möglicherweise falsch. Denn Liebe sei wie jede andere Emotion in erster Linie Ausdruck des Zusammenspiels von Hormonen und Genen im Gehirn, also Sache der Neurochemie. Dies schreibt der amerikanische Hirn- und Verhaltensforscher Larry J. Young in seinem Essay, das eben im Wissenschaftsmagazin «Nature» erschienen ist.
Young erforscht seit vielen Jahren Substanzen im Gehirn, die den Menschen erst zum anlehnungsbedürftigen und sozialen Wesen machen. Dabei gilt sein Augenmerk etwa dem Stoff Oxytocin, der in den Gehirnen von der Wühlmaus bis zum Menschen während des Geburtsvorgangs sowie des Säugens ausgeschüttet wird und die enge Bindung zwischen Mutter und Nachwuchs begründet. Da dieses Neurohormon aber auch während des Liebesspiels bei der Stimulation der weiblichen Brust auf den Plan tritt, vermutet der Forscher, dass Mutter- und sexuelle Liebe evolutionsgeschichtlich dieselben Wurzeln haben. Analog weckt laut Young ein auf der Substanz Vasopressin beruhendes Hormonsystem beim Mann die Liebessehnsucht. «Das Verständnis dieser Zusammenhänge könnte die Entwicklung von Wirkstoffen ermöglichen, mit denen die Zuneigung zu einem Partner künstlich entweder verstärkt oder gedämpft, also behandelt werden kann wie Angstzustände und andere emotionale Entgleisungen», prophezeit der Verhaltensforscher.
«Liebe ist nur ein Wort» hat der eben verstorbene Johannes Mario Simmel einen seiner Romane übertitelt. «Liebe ist bloss Chemie», würde Larry Young dem entgegenhalten. Eine schlimme Vorstellung? Young findet gar nicht. «Liebe ist sowieso eine Geisteskrankheit», schreibt er. Vielleicht hat er ja Recht. Macht denn Liebe nicht im besten Fall blind, im schlechtesten aber die Herzen krank?