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Medizin

Verschnaufpause für Raucherlungen

Medikamente vermögen den Abbau der Lungenleistung zu verzögern

Geheilt werden kann die so genannte Raucherlunge nach wie vor nicht. Doch versprechen inhalierbare Medikamente, den Abfall der Lungenfunktion zumindest für eine gewisse Zeit aufzuschieben. Dies folgert der Basler Lungenspezialist Michael Tamm aufgrund einer international abgestützten Studie. «Nein, das spielt auch keine Rolle mehr solange Sie aktiv weiterrauchen», pflegt der Basler Lungenspezialist Michael Tamm den Rauchern unter seinen COPD-Patienten zu bescheiden, die der Luftverschmutzung die Schuld geben möchten an ihrem Leiden. Denn das Krankheitsbild mit dem unaussprechbaren Namen (siehe Box), zu deutsch etwa «chronisch obstruktive Lungenerkrankung», geht in den meisten Fällen aufs Konto des Zigarettenrauchs. Dieser enthält hohe Mengen an so genannt freien Sauerstoffradikalen (Superoxide, Wasserstoffperoxid, hypochlorige Säure), Molekülbestandteile, die im menschlichen Atemtrakt Amok laufen.

Daher sind nahezu alle an COPD leidenden Patienten Raucher, ehemalige Raucher oder aber Passivraucher. Gemäss einer Untersuchung des Universitätsspitals Basel sind unter den über 40jährigen Rauchern knapp 30 Prozent betroffen. Treffend daher der Name, den der Volksmund dem Leiden gegeben hat: Raucherlunge – und als «Raucherhusten» ist folgerichtig das auffälligste Symptom einer COPD bekannt. Atemnot, Husten und Auswurf gelten denn auch als wichtigste Hinweise für die Diagnose einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung.

«Dass die Leistungsfähigkeit der Lunge mit dem Alter abnimmt, ist normal», erläuterte Michael Tamm, Chefarzt für Pneumologie am Universitätsspital Basel, vergangene Woche an einem Workshop über die medikamentöse Behandlung von COPD. «Aber bei Rauchern fällt diese Leistungskurve noch bedeutend steiler ab.» Die ständige Reizung durch aggressive Rauchbestandteile verursacht eine chronische Entzündung der Bronchien, die ihrerseits die Verengung der Atemwege zur Folge hat – mit den genannten typischen Symptomen. Folglich werden die Atemwege auch anfällig für Infektionen durch Viren und Bakterien. «Damit ist nicht zu spassen», warnt Michael Tamm. Denn etwa ein Fünftel der wegen akuter Atemnot in die Notfallstation eingelieferten COPD-Patienten verstirbt erfahrungsgemäss innerhalb von zwei Jahren, sei es an Lungen- oder Herzversagen.

Verfolgen kann man den Leistungsverfall der Lunge mittels Lungenfunktionstests, der so genannten Spirometrie. Durch Pusten in ein Messgerät werden Luftvolumen sowie ausgeatmete Luftmenge pro Sekunde ermittelt und mit den Werten gesunder Menschen gleichen Alters und vergleichbarer Konstitution verglichen. Wird eine solche Spirometrie regelmässig – etwa anlässlich eines Besuchs beim Hausarzt – vorgenommen, resultiert über die Jahre hinweg eine Kurve, an welcher der Verlauf der Lungenleistung abgelesen werden kann. Aufgrund der Messwerte wird auch der Schweregrad einer COPD ermittelt. Sind noch 80 Prozent der relativen Lungenfunktion intakt, spricht man von einem leichten Fall. Bei einem Wert unter 50 Prozent liegt hingegen eine schwere COPD vor. «Leider suchen die Betroffenen den Arzt meist erst dann auf, wenn das Leiden schon weit fortgeschritten ist», so Michael Tamm.

Rückgängig zu machen ist ein COPD-bedingter Verlust der Atemleistung nicht, da hilft höchstens eine Lungentransplantation. Doch verspricht ein Rauchverzicht zumindest, dass sich der Abwärtstrend der Lungenleistung wieder abflacht und sich altersbedingt demjenigen der Nichtraucher annähert. Nun ists aber gar nicht so einfach, mit dem Rauchen aufzuhören, wie all jene bezeugen können, die es schon mal versucht haben. Für sie und all jene, welche die COPD trotz Rauchstopp nicht in den Griff bekommen, steht eine ganze Palette meist inhalierbarer Medikamente parat. In akuten Situationen muss oft vorübergehend entzündungshemmendes Cortison gegeben werden. Als Dauerbehandlung bietet sich die Inhalation von Wirkstoffen an, die über das cholinergische Nervensystem (Anticholinergika) oder das adrenerge (Beta-Agonisten) wirken.

Die Wirksamkeit der Anticholinergika, vertreten durch das Medikament «Spiriva», das nur einmal täglich inhaliert werden muss, war Gegenstand der Uplift-Studie. Deren Resultate wurden anfangs Oktober im «New England Journal of Medicine» veröffentlicht und auch anlässlich des erwähnten Workshops erörtert.

An der vier Jahre dauernden Studie, die von den Pharmafirmen Boehringer Ingelheim und Pfizer unterstützt wurde, beteiligten sich weltweit insgesamt knapp 6000 weibliche und männliche COPD-Patienten, allesamt Raucher oder Ex-Raucher. Koordinator der Schweizer Studienzentren war Prof. Michael Tamm, der denn auch am Workshop die Resultate präsentierte.

Gemäss seinen Ausführungen verbessert sich die Lungenfunktion der mit Spiriva behandelten COPD-Leidenden tatsächlich zu Beginn massiv. Jedoch bereits nach ein paar Monaten setzt der Abwärtstrend wieder ein. Und zwar verläuft die Abwärts-Kurve ziemlich parallel zu derjenigen der COPD-Patienten, die statt des Wirkstoffs bloss ein Plazebo-Präparat inhaliert hatten. «Nach vier Jahren war die behandelte Gruppe punkto Lungenleistung wieder an dem Punkt, an dem sie die Behandlung aufgenommen hatte», stellt Michael Tamm fest.

Fazit: Die Behandlung mit dem Anticholinergikum verhalf den Betroffenen zwar zu einer Verschnaufpause, die Anzahl schwerer Atemnot-Schübe verringerte sich und auch die allgemeine Lebensqualität wurde von den Probanden als positiver empfunden. Das ist schon etwas. Hingegen erfüllten sich die Hoffnungen nicht, dass der Abwärtstrend der Lungefunktions-Kurve dank dem Medikament dauerhaft gestoppt würde: Von ihrer Raucherlunge wurden die Probanden nicht geheilt.

Box: Bald vierthäufigste Todesursache

COPD ist die Abkürzung für die englische Bezeichnung «Chronic obstructive pulmonary disease». Darunter wird ein ganzer Strauss von Erkrankungen verstanden, deren gemeinsame Ursache eine Verengung der Atemwege ist. Das Lungenemphysem (Überblähung der Lungenbläschen) kann die Folge sein. Meist leiden die Patienten zugleich unter Symptomen der chronischen Bronchitis (Husten, Auswurf). In 90 Prozent der Fälle wird die COPD durch die Reizwirkung von Tabakrauch ausgelöst. Daneben können aber auch Staubeinwirkungen (etwa am Arbeitsplatz) oder genetische Veranlagung (zystische Fibrose) verantwortlich sein für das Syndrom. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO wird COPD im Jahr 2030 die vierthäufigste Todesursache weltweit sein. Allein in der Schweiz leiden gegen 400 000 Menschen an COPD.

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