90 Tage dauerts nach dem Schlüpfen, bis der Zebrafink bei den Erwachsenen mitreden kann
Frühes Plappern und richtiges Sprechen ist nicht dasselbe. Auch bei Zebrafinken nicht. Neue Forschungsergebnisse zeigen, dass die beiden Kommunikationsformen von unterschiedlichen Hirnarealen aus gesteuert werden. Selbst bei Amsel, Drossel Fink und Star fallen die Meister nicht vom Himmel. Vielmehr ist der variantenreiche Vogelgesang, der uns besonders zur jetzigen Jahreszeit frühmorgendlich aus dem Schlaf holt, die Frucht langer und harter Lern-Arbeit. Der Hirnforscher Michale S. Fee geht am McGovern Institute des MIT in Cambridge/USA der Frage nach, wie das Gehirn lernt, komplexe sequentielle Verhaltensmuster zu generieren, wie sie sich etwa im Vogelgesang oder auch in der menschlichen Sprache manifestieren. Heute präsentiert Michale Fee zusammen mit Kollegen im Wissenschaftsmagazin «Science», was die Studien an seinem Modellvogel, dem Zebrafinken, bis jetzt ergeben haben.
Auch Singvögel lernen ihre Lieder nicht von einem Tag auf den anderen, schreiben Fee und Kollegen. Bei Zebrafinken dauert es schon mal 30 Tage, bis die Jungen nach dem Schlüpfen die ersten Versuche wagen, sich differenziert auszudrücken. Und bei Versuchen bleibts während weiterer 15 Tage, in denen die Jungvögel Töne von sich geben, die am ehesten mit dem Geplapper und Gekreische menschlicher Babys vergleichbar sind. «Subsong» nennen das die Forscher. Darauf folgt die Phase des «Plastic song», in dem bereits einige Silben des künftigen Vogellieds erkennbar sind. Erst etwa drei Monate nach dem Schlüpfen sind die jungen Vögel dann so weit, um gegen die Meistersinger antreten zu können.
Doch was spielt sich während dieser drei Monate im Vogelgehirn ab? Existiert dort ein «Singzentrum», das während des Heranwachsens sukzessive trainiert und weiter entwickelt wird, bis aus dem Stümper ein Meister geworden ist? Oder hat der Subsong gar nichts zu tun mit dem ausgereiften Vogelgesang?
Letzteres trifft zu, haben Fee und Kollegen herausgefunden. Jungvögel gebrauchen zum Plappern nicht etwa das Singzentrum, von wo aus die Lieder der ausgewachsenen Artgenossen dirigiert werden. Vielmehr wird der «Subsong» von Arealen im Vorhirn gesteuert, die für Lernprozesse zuständig sind – und nicht fürs Singen. Wird nämlich bei den Vögeln das Singzentrum operativ oder mit Drogen lahm gelegt, plappern die Jungvögel fröhlich weiter. Sie verlieren jedoch die Fähigkeit, richtig singen zu lernen. Umgekehrt fallen erwachsene Finken in den Subsong-Modus zurück, sobald das Singzentrum ausgeschaltet wird. Daraus folgt, dass während des Sing-Lernprozesses tatsächlich ab einem gewissen Punkt von einem «kindlichen» auf ein «erwachsenes» Nervennetzwerk, das Singzentrum, umgeschaltet wird.
Michale Fee vermutet nun, dass bei den Wirbeltieren weitere solche kindliche Netzwerke existieren, die das exploratorische und spielerische Verhalten von Jungtieren – und wahrscheinlich auch von Kleinkindern – bestimmen. Diese exploratorische Phase, das Plappern, Rumfuchteln und Spielen, hilft dem Nachwuchs, den Körper beherrschen und mit der Aussenwelt kommunizieren zu lernen. Fees Arbeiten liefern somit einen weiteren Beweis dafür, wie wichtig Spielen fürs Lernen ist.